Im Schweizer Fussball hat der FC Sion für manchen Farbtupfer gesorgt. In den letzten Jahren allerdings war der Unterhaltungswert neben dem Platz deutlich grösser als auf dem Rasen. Die Trainer kamen und gingen, doch der Erfolg blieb aus. Selbst im Cup, in dem die Walliser einst für «Angst und Schrecken» sorgten, sind sie zu Mitläufern geworden.
Die letzte Cupfinal-Teilnahme datiert von 2017. Mit dem 0:3 gegen Basel endete der Nimbus der Unbesiegbarkeit nach 13 Sittener Cupsiegen. In gewisser Weise war diese Niederlage ein Vorzeichen für das, was dem FC Sion nun droht. Geschieht im heutigen Rückspiel der Barrage gegen Lausanne-Ouchy kein Fussballwunder, steigt er in die Challenge League ab.
Das Hinspiel daheim im Tourbillon ging mit 0:2 sang- und klanglos verloren. Selbst im Wallis glaubt kaum noch jemand, dass der Fall in die Zweitklassigkeit verhindert werden kann. Zu viel ist schiefgelaufen. «Irrungen und Wirrungen haben die letzten Jahre geprägt», schrieb der Sportchef des «Walliser Boten» in einer umfassenden Analyse des Niedergangs.
Die Misere lässt sich an einer Person festmachen: Christian Constantin, Präsident, Financier und Alleinherrscher. Ohne «CC» gäbe es den FC Sion als Spitzenklub womöglich nicht mehr. Und seinetwegen droht der Verlust dieses Status. Denn die einzige Konstante in Constantins langjährigem Regiment ist er selbst. Sonst herrschte Chaos statt Kontinuität.
Erstmals übernommen hatte der Architekt und Immobilien-Unternehmer das Präsidium nach dem Meistertitel 1992. Fünf Jahre später folgte der zweite und bislang letzte Titel. Der Erfolg stieg Constantin zu Kopf. In der Hoffnung auf die Champions League warf er mit Geld um sich. Doch aus der Qualifikation wurde nichts, und der Präsident trat ab.
Er hinterliess einen Schuldenberg in zweistelliger Millionenhöhe, der einige Jahre später zum Zwangsabstieg in die 1. Liga führte. Als Klubchef amtierte Gilbert Kadji, ein Bierbrauer aus Kamerun. Nach dessen Abgang kehrte Christian Constantin 2003 als «Retter in der Not» zurück und erkämpfte juristisch zumindest die Teilnahme an der Challenge League.
Drei Jahre später erfolgte die Rückkehr in die Oberklasse. Ruhe aber kehrte mit diesem Präsidenten nie ein. Mehrfach zog Constantin vor Gericht, wenn er eine «Verschwörung» gegen Sion und das Wallis witterte. Weil er eine einjährige Transfersperre der FIFA missachtet hatte, wurden dem Verein in der Saison 2011/12 36 Punkte abgezogen.
Dennoch blieb Sion erstklassig, weil Neuchâtel Xamax Konkurs ging und Aarau in der Barrage besiegt wurde. Skandale und Eskapaden aber blieben Christian Constantins treue Begleiter. Zum Tiefpunkt kam es 2017, als er den ehemaligen Aarau-Meistertrainer und TV-Experten Rolf Fringer vor laufender Kamera attackierte und niederschlug.
Der Trainerposten im Tourbillon wurde zum Schleudersitz. Das lag auch daran, dass der Präsident sich in die Arbeit der Übungsleiter einmischte und manchmal selber auf der Bank Platz nahm. Néstor Clausen, ein argentinischer Weltmeister mit Wurzeln im Wallis, ging 2006 nach nur drei Monaten und trotz glänzendem Saisonstart im Zorn.
Andere mussten gehen, auch wenn sie Erfolg hatten. So der Deutsche Peter Zeidler, der im April 2017 «freigestellt» wurde, obwohl der FC Sion auf Platz 3 lag und sich für den Cupfinal qualifiziert hatte. Dieses Niveau hat der Klub seither nie wieder erreicht. Allein in der nun zu Ende gehenden Chaos-Saison hat Christian Constantin drei Trainer gefeuert.
Auch in der Mannschaft war Kontinuität ein Fremdwort. Der FC Sion wurde zu einer Art Durchlauferhitzer. Spieler kamen und gingen, in der – oft vergeblichen – Hoffnung auf hohe Transfererlöse. Dafür wurde der Einbau von Talenten aus dem Nachwuchs vernachlässigt. Sion war ein Verein ohne Gesicht, in dem zuletzt auch die Leaderfiguren fehlten.
Der von den Boulevardmedien bejubelte «Königstransfer» Mario Balotelli vermochte die in ihn gesetzten Hoffnungen zu keinem Zeitpunkt zu erfüllen. Statt der Super League Glamour zu verleihen, passte sich die italienische «Skandalnudel» ihrem Niveau an. Für das Barrage-Hinspiel wurde der lustlose Altstar nicht einmal aufgeboten.
Mario Balotelli ist zur Symbolfigur für den Niedergang des Systems Constantin geworden, den man unter das Motto «Mehr Schein als Sein» stellen könnte. Langweilig aber war es mit CC nie. Er ist ein begnadeter Entertainer und Geldbeschaffer, etwa mit selbstironischen Auftritten an seiner jährlichen Sauerkraut-Gala in Martigny.
Die Pose des Provokateurs zelebrierte er, indem er in seinem Büro einen ausgestopften Wolf – angeblich in Kanada erlegt – präsentierte. Oder immer wieder mit einem neuen Ferrari und einer neuen (vorzugsweise blonden) Frau an seiner Seite auftauchte. Er duzte alle und jeden und war für die Medien zugänglich – nicht immer, aber fast immer.
Nun scheint sich seine Masche totgelaufen zu haben. In einem Jahr wolle er aufhören, hatte Constantin verkündet. Die Resonanz und das Bedauern waren überschaubar. Was nach einem Abstieg passieren würde, ist offen. Constantin will (wieder einmal) die Swiss Football League verklagen, wegen einer angeblich ungerechtfertigten Lizenz für Aufsteiger Yverdon.
Die Erfolgschancen dürften gering sein. Der Abstieg könnte aber auch eine Chance sein für einen kompletten Neustart beim FC Sion, ohne CC, mit mehr Ruhe und Kontinuität und einer baldigen Rückkehr in die Super League. Als Trainer könnte der bei Servette nicht mehr erwünschte Walliser Alain Geiger antreten. Er soll angeblich nicht abgeneigt sein.
Auf der einen Seite mag ich dem FC Sion den Abstieg gönnen. Auf der anderen Seite ist es Schade für die Super League, wenn noch eine Mannschaft mehr hoch kommt, die keine Gästefans bringt. Und das nach einer Saison, in der das Zuschaueraufkommen echt super war.
Ich für meinen Teil freue mich wirklich riesig, dass der FC Constatin hoffentlich nun definitiv absteigen wird. Vor allem ihm und seinem Sohn mag ich es von Herzen gönnen.
Wollen wir also nur hoffen, dass der die Lausanner diesen Vorsprung nicht noch "veraargauern"... :-)