Mit der Euphorie ist es ja immer so eine Sache. Da reitet Deutschlands Nationalteam nach qualvollen Jahren, in denen es die Unterstützung vieler Deutschen verloren hat, endlich wieder auf einer Erfolgswelle und weckt Begeisterung, die selbst das Viertelfinal-Aus an der Heim-EM überlebt hat, und dann macht eine 1:2-Niederlage gegen Portugal im Halbfinal der Nations League wieder vieles kaputt.
Nach der Europameisterschaft im letzten Sommer war das Selbstverständnis des vierfachen Weltmeisters, wieder eines der besten Teams der Welt zu haben. Bundestrainer Julian Nagelsmann sagte nach der bitteren Niederlage im Viertelfinal gegen Spanien: «Es tut weh, dass man jetzt zwei Jahre warten muss, dass man Weltmeister wird.» 2026 in den USA den Titel zu holen, ist das grosse Ziel, und mit den Leistungen in der Nations League untermauerte Deutschland seinen Status als Titelkandidat. Das Nationalteam löste in der Bevölkerung endlich wieder Euphorie aus.
Doch gegen Portugal war Deutschland unterlegen. Besonders in der letzten halben Stunde, nachdem beide Seiten einen Dreifachwechsel durchgeführt haben, ging das Spiel nur noch auf ein Tor. Innert acht Minuten nach den Änderungen von Nagelsmann gelang Portugal ein Doppelschlag durch Francisco Conceição und Cristiano Ronaldo. Auch in der Folge kamen die Deutschen kaum noch zu Chancen und zu keinem einzigen Torschuss – der Pfostentreffer von Karim Adeyemi wird nicht als solcher gewertet.
«Das ist seit eineinhalb Jahren eines unserer schwächsten Spiele», sagte Trainer Nagelsmann nach dem Spiel im ZDF. Am Ende habe es zwar nur 1:2 gestanden, doch habe es sich eher wie ein 0:3 angefühlt, so der 37-Jährige, der bei seinem Team die «Galligkeit» vermisst hat, «die Aktivität war nicht zu einhundert Prozent da». Warum das so war, müsse nun jeder für sich beantworten. Captain Joshua Kimmich sah dies wie sein Trainer. Der Bayern-Star sprach von einer «absolut verdienten Niederlage» und schlechter Verteidigungsarbeit nach dem Tor zum 1:0 von Florian Wirtz. «Wir müssen schon gewisse Lehren daraus ziehen», so der 30-Jährige.
Klar wurde gemäss Kimmich: «Wenn wir nicht bei hundert Prozent sind, wird es gegen jeden Gegner schwierig. So können wir gegen ein europäisches Topteam nicht bestehen.» Einerseits waren nach der langen Saison viele Spieler nicht mehr im Vollbesitz ihrer Kräfte, wobei das bei den Portugiesen nicht anders sein dürfte. Andererseits fehlten den Deutschen aber wichtige Stützen wie Antonio Rüdiger oder Jamal Musiala. Dass die Abhängigkeit des DFB-Teams von einzelnen Spielern so gross ist, sorgt nun für grosse Sorgen. Auch bei den Medien.
Der Spiegel fürchtet, dass Deutschland auch im Spiel um Platz drei am Sonntagnachmittag gegen Frankreich oder Spanien – der zweite Halbfinal der Nations League findet am heutigen Donnerstagabend (21 Uhr) statt – ebenfalls verlieren wird. «Dann würde aus dem, was Nagelsmann selbst zur Mini-WM hochstilisiert hat und was der grosse Motivationsbooster werden sollte, ein möglicherweise nachhaltiger Rückschlag», heisst es dort.
Dass Deutschland in der Breite zu schlecht aufgestellt sei, sieht auch der Kicker so. Ohne die wichtigen Stützen fehle «der deutschen Elf eben doch noch eine ganze Menge zur europäischen Extraklasse». Wollen Nagelsmann und sein Team im nächsten Sommer tatsächlich Weltmeister werden, dürfe personell nicht viel passieren, «sonst ist Deutschland ein gutes Stück von der Spitze entfernt».
Mit einem Sieg am Sonntag gegen Europameister Spanien oder WM-Finalist Frankreich könnte sich die Stimmung in Deutschland auch schnell wieder drehen. Doch aktuell scheint die Euphorie der letzten zwölf Monate wieder etwas verflogen zu sein.
Da ist sie wieder: die deutsche Arroganz! Wie kann man, nach dem man zwei mal hintereinander in der WM Vorrunde augeschieden ist und an der EM zuhause gerade mal das Viertelfinal erreicht, sofort wieder von WM-Titel reden. Ein Problem mit Deutschland ist, dass sie sofort von einem Extremen zu anderen wechseln. So sehr ich das Potential der deutschen Mannschaft nicht kleinreden will, in den anderen Länder wird nun mal auch Fussball gespielt und zwar sehr gut.