Julian Alvarez ist nicht aufzuhalten. Das trifft nicht nur auf seine bisherigen Leistungen an der Weltmeisterschaft zu, an der er in nun vier Startelf-Einsätzen vier Tore erzielt hat. Auch bei seinem ersten Treffer im Halbfinal gegen Kroatien war der Argentinier nicht zu stoppen. In der eigenen Hälfte dribbelte er los, zog an drei Verteidigern vorbei, und schoss dann an Goalie Dominik Livakovic vorbei zum 2:0 ins Tor.
Es ist eine Szene, die erklärt, woher er seinen Spitznamen hat. «El Araña» wird er genannt, die Spinne also. Denn obwohl mehrere Kroaten versuchten, Alvarez den Ball wegzuspitzeln, landete er immer wieder bei ihm. Ganz als hätte er acht Füsse.
Sein Talent war bereits früh zu erkennen, wie Rafael Varas, ein Trainer in Alvarez' Geburtsort Calchin bei «The Athletic» erzählt. Als Alvarez ins Team von Varas kam, war er dreieinhalb Jahre alt und sei bereits übers ganze Feld gerannt. Varas habe gewitzelt: «Wir haben hier ein Ausnahmetalent.» Dass er damit Recht behalten sollte, hätte wohl kaum jemand gedacht. Doch Alvarez verbesserte sich schnell – und setzte sich schon früh grosse Ziele. «Er war schon immer anders als die anderen», sagt Varas. Alvarez wollte Profi werden, für River Plate und mit Lionel Messi spielen.
Messi sei von Anfang an sein Idol gewesen, sagte Alvarez dann auch, als er im Sommer 2022 zu Manchester City wechselte. Mittlerweile sind beide Träume des kleinen Jungen in Erfüllung gegangen. Denn vor seinem Wechsel in die Premier League spielte Alvarez sechs Jahre bei River Plate in der argentinischen Haupstadt Buenos Aires, dreieinhalb davon bei den Profis. Und nun glänzt er an der Weltmeisterschaft – gemeinsam mit Lionel Messi, den er beim Halbfinalsieg fast ein bisschen überstrahlt. Obwohl Messi am Ende als bester Spieler der Partie ausgezeichnet wurde.
Alvarez holte bereits den Penalty heraus, den Messi zum 1:0 verwandelte. Nach dem Tor zum 2:0 traf der Stürmer später auch noch zum 3:0-Endstand. Eine unglaubliche Leistung für einen Spieler, der vor dem Turnier eigentlich nur als Ersatzspieler eingeplant war. Doch der nominell erste Stürmer Lautaro Martinez wusste nicht zu überzeugen und so kam Alvarez im letzten Gruppenspiel erstmals von Beginn an zum Einsatz. Gegen Polen erzielte er das entscheidende Tor zum 2:0 – und war von dort an nicht mehr aus der Startaufstellung wegzudenken.
Dies liegt auch an seinem Arbeitswillen, den Nationaltrainer Lionel Scaloni bereits im August lobte: «Es wäre super, wenn alle ihn kopieren. So wie er arbeitet. Hart und bescheiden.» In seiner Mentalität ist Alvarez auch von seiner Heimat geprägt. Calchin ist ein kleines Dörfchen in der Provinz Cordoba, das vor allem von der Landwirtschaft lebt. Bereits als kleiner Junge sei er schon immer besser gewesen als seine Teamkollegen und habe trotzdem immer mehr gearbeitet, sich besser verhalten und sei bescheiden geblieben, wie Varas erzählt.
Das zeigt auch eine Episode aus der Zeit, nachdem Alvarez zu den Profis von River Plate gekommen ist. Varas erzählt, wie sein ehemaliger Spieler ihm ein unterschriebenes Trikot geschickt habe, aber das war nicht das einzige Geschenk. Alvarez schickte seinen Vater in einem Van für seinen Förderer vorbei. Mit der Aufschrift «Gracias!» und einer aufgedruckten Spinne.
Doch obwohl sein Talent früh erkennbar war, und er stets hart trainierte, war er im Verhältnis zu anderen heutigen Stars ein Spätstarter. Erst als er bereits 21 Jahre alt war, setzte er sich bei den Profis von River Plate fest. Dann traf er aber fast in jedem Spiel und verdiente sich im Januar 2022 einen Wechsel zum Klub von Pep Guardiola. Manchester City liess ihn sich rund 21 Millionen Euro kosten – Alvarez blieb aber noch ein halbes Jahr in Argentinien. Sein neuer Trainer sprach dennoch bereits in höchsten Tönen von ihm, bevor er eine Minute für die «Skyblues» gespielt hatte: «Er hat den Torriecher, die Qualität, die Bewegungen.» Ein Spieler nach Guardiolas Geschmack also.
Und das beweist er nun der ganzen Welt. Im Nationaltrikot der «Albiceleste». «Für mein Land zu spielen, ist ein wahr gewordener Traum», sagte Alvarez vor dem Turnier in einem Beitrag der FIFA. 18 Mal lief er bereits für Argentinien auf und erzielte dabei sieben Tore. In seinem 19. Einsatz könnte er einer der grössten Helden seines Landes werden. Wenn Argentinien am Sonntag im Final auf den Sieger des zweiten Halbfinals zwischen Frankreich und Marokko trifft.