Saudi-Arabien erlaubt, was lange unvorstellbar war: In der Hauptstadt Riad soll in den kommenden Wochen ein Alkoholgeschäft eröffnet werden. Doch das Vorrecht, im streng muslimischen Land Alkohol zu kaufen, haben ausschliesslich registrierte und nicht-muslimische Diplomaten.
Diese Neueröffnung ist eine von vielen Veränderungen, welche das Land in den vergangenen Jahren erlebt hat. Der Wandel geht weiter: Das Königreich Saudi-Arabien möchte sich in diversen Bereichen, sei es in der Business- oder Sportwelt, als internationaler Player etablieren – und hat die Halbzeit seines Programms Vision 2030 erreicht.
Die Vision 2030 ist eine vielschichtige Strategie Saudi-Arabiens zur Umgestaltung des Landes, 2016 wurde sie zum ersten Mal präsentiert. Die Strategie wurde von Kronprinz Mohammed bin Salman vorangetrieben und mithilfe der renommierten Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey ausgearbeitet.
Im Fokus steht, unabhängiger vom Öl zu werden. Während den vergangenen 100 Jahren profitierte der Golfstaat davon, die Welt mit seinem «schwarzen Gold» zu beliefern, und wurde so zu einem der zwanzig reichsten Länder der Welt. Doch die globale Klimakrise, welche die Welt in Zukunft möglicherweise fast vollständig vom Öl wegführen wird, zwingt Saudi-Arabien zum Umdenken.
Die neue Strategie beinhaltet Modernisierungs- und Liberalisierungsschritte. Ziel ist eine soziale und kulturelle Reformierung, aber auch eine wirtschaftliche: So wurden etwa Massnahmen ergriffen, um Saudi-Arabien für ausländische Unternehmen attraktiver zu machen, vor allem in Bezug auf langfristige Investitionen.
Die Infrastruktur des Landes wird ebenfalls grossflächig ausgebaut und der internationale Tourismus vorangetrieben. Denn bislang reisen vorwiegend muslimische Pilger nach Saudi-Arabien und besuchen die heiligen Orte Mekka oder Medina. Nun soll Saudi-Arabien zu einer beliebten Tourismusdestination für Nicht-Muslime werden.
So soll im Nordwesten des Landes ein futuristisches Siedlungsprojekt namens «Neom» entstehen. Für das neue Mega-Projekt ist ein 26'500 Quadratkilometer grosses Gebiet vorgesehen, was fast der Fläche Belgiens entspricht.
Geplant ist etwa «The Line», eine 170 km lange Bandstadt für eine Million Einwohner. Zudem soll ein Winter- und Bergsport-Resort namens «Trojena» auf einer Höhe von 1500 bis 2600 Metern über Meer entstehen. Die Winter-Asienspiele 2029 sollen in Trojena abgehalten werden.
Neom soll eine unabhängige Wirtschaftszone werden, die über ein eigenes Rechts- und Steuersystem verfügt, aber politisch nicht souverän ist.
Der Kronprinz Mohammed bin Salman setzt auf Nachhaltigkeit: Der Energiebedarf des gesamten Gebiets soll aus Wind- und Sonnenkraft gewonnen werden. Überdies sollen 6500 Hektar des umliegenden Landes in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt werden, dabei setzt die Regierung primär auf gentechnisch veränderte Nutzpflanzen.
Die saudische Regierung erhofft sich viel von dem neuen Projekt und behauptet, dass mit dem Bau 380'000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden und sich das Bruttoinlandsprodukt des Landes um 48 Milliarden Dollar erhöhen werde. Wann genau das Mega-Projekt abgeschlossen wird, ist noch unklar.
Doch verschiedene Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Grossprojekt. Die Aktivistin Lina Al-Hathloul ist Rechtsanwältin und macht auf die Vertreibung der Howeitat aufmerksam. Dies ist ein Beduinenstamm, der seit Jahrhunderten im Nordwesten des Landes angesiedelt ist. Offenbar sind die Howeitat den Bauarbeiten für Neom im Weg. Verschiedene Menschen wurden zu Haftstrafen bis zu 50 Jahren verurteilt, weil sie sich weigerten, ihre Häuser zu räumen.
Kronprinz Mohammed bin Salman hat noch eine weitere Vision für sein Land: Er will, dass Saudi-Arabien verschiedenste internationale Sportevents, wie etwa zuletzt den spanischen Supercup, hostet. Weiter möchte er die saudischen Fussballteams mit Spitzensportlern ausstatten. Dieses Vorhaben ist teuer: Seit 2016 hat Saudi-Arabien 50,8 Milliarden Dollar für das Sportsponsoring ausgegeben.
Doch die Bemühungen scheinen sich zu lohnen: So wechselte beispielsweise Fussball-Legende Cristiano Ronaldo im Januar 2023 zum saudischen Fussballclub Al-Nassr. Mit Brasiliens Neymar und den Franzosen Karim Benzema und N'Golo Kanté taten es ihm drei weitere Superstars gleich. Andere Spieler, die fortan in einem saudischen Club spielen, sind Sergej Milinkovic-Savic, Riyad Mahrez und Roberto Firmino.
Auch die internationalen Sport-Grossveranstaltungen häufen sich: 2029 kommen die asiatischen Winterspiele nach Saudi-Arabien, und 2034 wird die grosse Fussball-WM in dem Königreich ausgetragen.
Eine Theorie, warum Saudi-Arabien darauf fokussiert ist, Spitzensportler und grosse Sportevents ins Land zu holen, ist, dass Kronprinz bin Salman nun vermehrt auf «Soft Power», also sogenannte «weiche Macht» setzt. Heisst: Er will auf subtile Weise mehr Einfluss und Prestige gewinnen. Auf diesem Weg kann darauf verzichtet werden, eine Strategie mit «Hard Power» zu verfolgen. Diese basiert auf ökonomischer und militärischer Stärke – was viele Jahre die Hauptstrategie des Golfstaates war.
Obwohl sich vieles verändert und Saudi-Arabien sein Image gegen aussen aufbessern will, bleibt eine Sache gleich: Kritik wird auch im neuen Saudi-Arabien nicht geduldet. Amnesty International schreibt:
Auch die Zahl der Hinrichtungen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Laut Amnesty International hat Saudi-Arabien eine der höchsten Hinrichtungsraten weltweit. So seien im Jahr 2022 196 Menschen exekutiert worden. Dies ist die höchste in Saudi-Arabien von Amnesty International erfasste jährliche Hinrichtungsrate seit 30 Jahren – dreimal höher als noch 2021 und mindestens siebenmal höher als 2020. (jub)
Jamal Khashoggi war ein Journalist der New York Times der Kritisch über MBS berichtet. Bis er dann in einer Saudi Arabischen Botschaft ermordert, seine Leiche zerstückelt und "entsorgt" wurde, während seine Verlobte vor dem Botschaftsgebäude auf ihn wartete. Dieses Verbrechen darf MBS nie von sich abwaschen dürfen.
Das ist kein Ding der Unmöglichkeit oder gar ein Widerspruch - sie müssten nur Typen wie Putin, Bin Salman oder den Typen mit dem Turban hinrichten und alle fänden das eine gute Sache
Gruss
Chorche, der Positivinator