Fabian Frei, Sie haben eben Ihr erstes Training mit Ihrem neuen Klub, dem FC Winterthur, absolviert. Wie hat es sich angefühlt, nach so vielen Jahren beim FC Basel?
Fabian Frei: Wie der erste Schultag bei meinen Kindern, nur dass ich in etwa wusste, was auf mich zukommt. Ich habe mich extrem darauf gefreut. Es war cool, ein tolles Training, ich habe viel gelacht, viele Gesichter gesehen, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Es war ein gelungener Start, würde ich sagen.
Seit Saisonbeginn gab es das Gerücht, dass Sie wechseln würden. Die Gespräche mit Winterthur gab es schon länger. Ist eine gewisse Erlösung da, dass die Situation nun geklärt ist?
Ja, das sicher. Aber es ist nicht so, dass ich in Basel keine Freude mehr hatte, da hatten wir auch eine tolle Truppe. Aber ein möglicher Abschied war zuletzt immer im Hinterkopf, das war keine einfache Zeit. Daher ist der heutige Tag eine Erlösung, ja.
Sie sind Rekordspieler beim FCB, der Abgang am letztmöglichen Tag des Transferfensters und in der laufenden Saison kam für viele nun plötzlich und eher durch die Hintertür. Wie traurig sind Sie, dass die Zeit in Basel nun doch geendet hat, nach 543 Spielen?
Ich bin schon traurig. Aber ich bin auch happy, hier zu sein. Es war sehr schön. Eine sehr emotionale, coole Zeit beim FCB. Aber ich erhoffe mir auch eine tolle Zeit hier. Es muss niemand Mitleid mit mir haben. Es geht mir gut, ich bin absolut glücklich, dass ich hier sein darf.
Mitleid muss man nicht mit Ihnen haben. Aber die Art und Weise, wie Ihre Zeit in Basel endete, war doch eher unschön. Das haben Sie sich mit Sicherheit auch anders vorgestellt, oder? Ein Abschied im Sommer, nach dem letzten Saisonspiel, wäre würdevoller gewesen, nicht?
Da kann man drüber diskutieren. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, wenn wir im Sommer schon eine Lösung gefunden hätten. Aber es ist, wie es ist. Fussball ist manchmal etwas unberechenbar. Hätte man mir vor einem Jahr oder ein paar Monaten diesen Abschied vorgeschlagen, dann hätte ich schon gesagt, dass das nicht unbedingt sein muss. Aber jetzt ist es so. Und es ist okay so, wirklich. Wir werden schon noch einen Moment finden, damit ich mich gebührend von den Fans verabschieden kann. Das ist mir schon wichtig. Dass jetzt aber der Abschied in die Nati-Pause fällt, ist einfach so. Da mache ich niemandem einen Vorwurf, dafür kann niemand etwas.
In den sozialen Medien ist die Kritik gross, weil mit Ihnen eine weitere Klublegende nicht auf der grossen Bühne verabschiedet wurde, sondern der Vertrag aufgelöst wurde. Haben Sie das mitbekommen? Verstehen Sie die Kritik?
Ich kann diese Kritik verstehen, ja. Es wäre vielleicht besser angekommen, wenn man im Sommer einen sauberen Schlussstrich gezogen hätte. Definitiv. Darüber kann man diskutieren. Und es war kein Traum-Abschluss, wie man ihn sich vorstellt. Aber wie ich gesagt habe: Man muss kein Mitleid mit mir haben. Trotzdem hoffe ich, dass in Zukunft Spieler, die länger beim FCB waren … Nun ja, dazu muss ich, glaube ich, nichts sagen.
Haben Sie mit Taulant Xhaka, dem letzten verbleibenden Spieler mit ähnlichem Status, über die Art und Weise der Verabschiedung gesprochen? Dass man sich diese eher mit einer letzten Ein- oder Auswechslung in einem vollen Stadion wünscht?
Mit ihm rede ich schon seit fünf Jahren über solche Sachen, und es ist schon fast mühsam, wenn man immer wieder darüber diskutieren muss. Aber es hat sich, glaube ich, noch nie einer beklagt. Weder ich noch Tauli noch Michael Lang (Langs Vertrag wurde zu Beginn der Saison ebenfalls aufgelöst, Anm. d. Red.). Zumindest nicht öffentlich.
Konnten Sie sich immerhin in Ruhe von den Kollegen und von den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle verabschieden?
Auf der Geschäftsstelle war ich, weil ich die Vertragsauflösung unterzeichnen musste. Da habe ich kurz eine Runde gemacht. Die Mannschaft habe ich auch noch kurz gesehen, zumindest die, die nicht bei den Nationalteams sind. Und in den Gruppenchat habe ich auch geschrieben.
Was hat Xherdan Shaqiri gesagt?
Ich glaube, den hat es ein bisschen angeschissen, weil er gerne mit mir gespielt hätte. Aber man kann es nicht allen recht machen.
Sie sagen, man habe keine schnelle Lösung gefunden. Aber man wird ja nicht erst nachdem die Saison bereits wieder angelaufen war, auf die Idee gekommen sein, dass Sie verzichtbar geworden sind, oder?
Von meiner Seite aus schon, doch.
Und vonseiten des Klubs?
Das weiss ich nicht. Im ersten Spiel war ich Stammspieler, das ist ja nach einer Vorbereitung eigentlich ein Zeichen. Da setzt man nicht unbedingt jemanden ein, der langfristig nicht wichtig sein wird. Daher hatte ich bis dahin keine grossen Bedenken.
Nach diesem ersten Spiel hatte man Ihnen bereits eine Vertragsauflösung angeboten. Richtig?
Was dort besprochen wurde, wird nicht nach aussen getragen. Das haben wir schon hundert Mal gesagt.
Wann wurde Ihnen denn klar, dass sich Ihre Rolle verändert hat, Sie nicht mehr so viel spielen werden?
Es war ja nicht nur, weil ich nicht mehr gespielt habe. Ich bin ausserdem in jedem Spiel reingekommen, glaube ich. Wir haben in Basel zuletzt auch relativ erfolgreich gespielt. Da bin ich der Erste, der sagt: Es läuft relativ gut, das kann ich akzeptieren. Dennoch gab es immer Diskussionen um meine Person, bei denen ich das Gefühl hatte, dass der eine oder andere vielleicht happy ist, wenn ich nicht mehr da bin.
Intern, meinen Sie?
Allgemein. Ich habe diese Diskussionen um meine Person nicht verstanden. Dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem man nicht mehr jeden Match spielt, das war eigentlich allen klar. Daher hat es mich überrascht, dass das immer so heiss diskutiert werden musste. Und dann hat Ogi (Ognjen Zaric, Trainer von Winterthur, Anm. d. Red.) immer mal wieder angerufen und gesagt, wie cool er es fände, wenn ich zu Winterthur kommen würde. Er hat profitiert von dieser Situation. Er ist ein Cleverer, schon immer gewesen.
Wann war der ausschlaggebende Moment, als Sie entschieden haben: Ich will zu Winterthur?
Es gab keinen konkreten Moment, das war eher schleichend. Klar, vergangenen Samstag und Sonntag, bevor jetzt am Montag das Transferfenster zuging, wurde die Zeit langsam knapp, und man musste eine Entscheidung treffen. Tief im Inneren hatte ich den Entscheid, glaube ich, schon gefällt. Aber der Kopf hatte es noch nicht realisiert oder hatte sich noch ein bisschen gewehrt. Aber als ich an den zwei freien Tagen mit meiner Familie zusammensitzen und Pro und Kontra abwägen konnte, war es dann relativ schnell klar.
Sie hatten den Gedanken nicht schon Anfang der Saison?
Nein, nein. Das hat sich entwickelt.
Also wussten Sie auch in Sion Ende August noch nicht, dass das wohl Ihr letztes Pflichtspiel für den FCB sein würde?
Sion war mein letztes? Schön. Aber nein, das wusste ich damals überhaupt nicht. Auch beim Testspiel am vergangenen Freitag in Freiburg war das nicht klar.
Somit bleibt es für Sie bei 543 Spielen für den FCB. Was bedeutet Ihnen diese Zahl, dieser Rekord?
Das ist etwas, das, je älter ich werde, an Wichtigkeit gewinnt. Auch wenn ich dann irgendwann einmal aufhöre. Wenn meine Kinder grösser sind, werde ich das auch erzählen und stolz drauf sein. Und ja, es ist irgendwie cool, ab und an als Legende angesprochen zu werden. Aber es ist nichts, womit ich mich brüsten würde.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Rekordmarke für die Ewigkeit ist?
Boah, keine Ahnung. Hätten Sie Massimo Ceccaroni damals gefragt, hätte er sicher auch gesagt, sein Rekord sei für die Ewigkeit (Fabian Frei hat ihn jedoch im Frühjahr 2022 überholt, Anm. Red.). In nächster Zeit wird es wohl eher schwierig, die zu knacken. Es kommt auch ein bisschen darauf an, wie sich der Fussball entwickelt. Wenn es so weitergeht wie in letzter Zeit, wird es ziemlich sicher einer für die Ewigkeit sein. Aber es ist mir nicht so wichtig, sollte einer mehr Spiele machen.
Ein kleiner Makel in Basel bleibt nach Ihrem Abschied, Sie konnten den angestrebten Meistertitel nicht mehr holen nach Ihrer Rückkehr aus der Bundesliga. Ist das in die Überlegungen eingeflossen, doch zu bleiben, um das in dieser Saison ein letztes Mal mit dem FCB zu versuchen?
Will man einen Meistertitel, zu dem man nicht so viel beiträgt? Vielleicht. Aber ich spiele Fussball, weil ich Fussball spielen will, und nicht weil ich Titel gewinnen will. Ich bin als Dreijähriger ja nicht auf den Platz gegangen und habe gesagt, ich will Titel gewinnen – sondern weil ich Fussball spielen wollte.
Ein Wunsch von Ihnen ist ein Abschied von den Fans. Schwebt Ihnen da etwas Konkretes vor?
Ja! Ich möchte sicher vor einem Heimspiel mal vorbeischauen. Wann das sein wird, wird sich zeigen und hängt auch etwas vom Spielplan ab.
Ihr Fokus gilt nun dem FC Winterthur. Wieso wechselt ein Spieler wie Fabian Frei zu Winti?
Da gibt es ganz viele Gründe. Erstens, weil es ein cooler Verein ist. Zweitens, weil es ein Verein ist, bei dem ich schon einmal war, zu dem ich eine gewisse Beziehung habe. Dann ist hier ein guter Trainer, der Klub hat sich um mich bemüht, es ist ein Plan mit mir da. Und ich habe auch gemerkt, dass ich dem Kader helfen kann als einer, der Erfahrung hat, das Business kennt. Für junge Spieler ist es sicher auch cool, zu sehen, dass ein Spieler wie ich auch nur mit Wasser kocht. Wenn ich mit Tipps helfen kann, sehr gerne. Aber ich möchte nicht nur helfen, sondern auch zeigen, dass ich noch ein bisschen Fussball spielen kann.
Wie sieht der Plan mit Ihnen aus? Und wo wollen Sie spielen?
Ich spiele dort, wo mich der Chef aufstellt. Das spielt keine Rolle, das war schon immer so.
Winterthur war für Sie die einzige, ernsthafte Option, über die Sie sich Gedanken gemacht haben, oder?
Ja, weil es aber auch nicht wirklich ernsthafte, andere Optionen gegeben hat. Es macht für mich auch einfach als einziges Sinn. Man hätte noch über St.Gallen diskutieren können, wenn die heiss gewesen wären, aber sonst hätte ich mir nichts mehr vorstellen können. Ausser Saudi-Arabien natürlich, da wäre ich sofort weg gewesen! (lacht)
Wie viele Erinnerungen hatten Sie noch an Winterthur?
Jetzt wieder mehr, es ist wirklich alles noch gleich. Sogar die gleichen Wimpel hängen noch in den Gängen! So kam alles wieder hoch. Ich freue mich auch, wenn ich das erste Mal mit dem Zug komme, und den Weg gehe, den ich früher immer genommen habe. Ich habe nur gute Gefühle.
Wie sehr mussten Sie Winterthur finanziell entgegenkommen? Hat der FCB Sie komplett ausgezahlt?
Was hat der FCB kommuniziert?
Dass der Vertrag in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst wurde.
Also, dann wurde in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst.
So, dass es für Sie auch finanziell zufriedenstellend ist?
Es kann immer besser sein (lacht). Aber es passt, ja, sonst hätte ich es nicht gemacht.
Sie wohnen jetzt viel näher an Ihrem Zuhause, an der Familie mit den drei Kindern. Was bedeutet Ihnen das? Können Sie sogar Ihre Kinder selbst in die Schule bringen?
Ja, tatsächlich. Die Grosse schicke ich selbst, aber die Mittlere habe ich in den Kindergarten gebracht und mit dem Kleinen konnte ich im Coop Frühstücken gehen. Ich weiss nicht, wann das das letzte Mal der Fall war. Das ist natürlich ein grosser Pluspunkt. Von 8 bis 9 Uhr war mir dann schon fast langweilig, am ersten Tag schon! Ich hoffe auch, dass ich meiner Frau dann nicht allzu sehr auf den Sack gehe, wenn ich so viel zu Hause bin (lacht). Sonst gehe ich einfach noch mal ins Gym nach dem Training, wie man mich kennt. Nein, im Ernst, ich glaube, meine Frau realisiert noch gar nicht, dass sie am Morgen einfach mal liegen bleiben kann, weil ich Dinge übernehmen kann. Da wird sie wahrscheinlich noch dankbarer sein als jetzt schon.
Eine letzte Frage noch: Sie haben beim Abschiedsvideo noch ein Tränchen verdrückt, oder?
Haben Sie es gesehen? Shit. Ja. Vor dem Video habe ich noch gesagt, dass ich nicht weinen wolle, aber es ist dann doch anders, wenn man darüber redet und einem bewusst wird, dass Schluss ist.
Danke und alles Gute!
Wirkt wie ein toller Mensch.