Wie waren Ihre ersten Wochen als Trainerin des Schweizer Frauen-Nationalteams?
Pia Sundhage: Es ist sehr aufregend, denn wir haben die Reise erst begonnen und ich versuche das Beste daraus zu machen. Wir haben ein Ziel, aber für mich macht die Reise den Unterschied aus. Ich war schon an so vielen Orten und versuche, die Unterschiede zu nutzen. Ich habe zum Beispiel das Auf und Ab in Brasilien erlebt oder die Art und Weise, wie die Menschen in den USA unter Druck gesetzt wurden.
Wie würden Sie die Schweizer Spielerinnen beschreiben?
Wenn ich eine typische deutsche oder schwedische Spielerin beschreiben müsste, könnte ich das. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das bei einer Schweizer Spielerin richtig machen kann. Ich kann noch nicht einmal alle Namen des Teams aussprechen. (Lacht.)
Hatten Sie bereits Kontakt mit den Spielerinnen?
Während des Camps werde ich Einzelgespräche führen. Mit Lia, Ramona und Ana Maria habe ich bereits gesprochen. Sie sind sehr erfahren und wir hatten nur ein kurzes Gespräch. Ich erwarte von ihnen, dass sie ihr Bestes geben und weiterhin Teamplayer sind. Wenn sie viel Verantwortung tragen und ihr Wissen weitergeben, wird es das Team besser und mein Leben einfacher machen.
Was ist Ihnen im Team wichtig?
Wir haben die Europameisterschaft, aber für mich geht es um Respekt. Meine Schwester hat immer gesagt, dass man sich den Respekt verdienen muss. Ich muss einen Weg finden, damit sie mir tatsächlich folgen. Wir alle spielen eine Rolle bei der Schaffung dieses Umfelds. Unsere Leistungen und Beziehungen sind entscheidend. Wenn wir das zusammenbringen können, wird die Reise sehr interessant werden.
Wie verhindern Sie fehlende Harmonie?
Die Spielerinnen spielen in verschiedenen Vereinen, und meine Aufgabe ist es, sie für zehn Tage zu integrieren. Nicht für zwei Jahre. Zehn Tage lang werden wir zusammenbleiben und vertreten dabei die Schweiz. Sie dürfen nichts als selbstverständlich ansehen. Natürlich wird es einige geben, die kritisieren werden. Aber deshalb haben wir Spiele und Einberufungen.
Verglichen mit Ihren bisherigen Stationen: Wo steht die Schweiz?
Es ist eine Herausforderung. Ich habe gesehen, dass wir nicht so viele Tore schiessen. Und ich habe gesehen, dass wir Tore bei Standards kassiert haben. Wenn man die Spielerinnen einzeln anschaut, sind die Top-Nationen besser aufgestellt. Daher bin ich aber ein grosser Fan von Teamspielerinnen.
Was ist bis zur Europameisterschaft trotzdem möglich?
Es ist vieles möglich, solange wir gesunde Spielerinnen haben, sie diese Herausforderung und Veränderung annehmen. Es ist möglich, die Gruppenphase an der EM zu überstehen. Wenn man die Gruppe gewinnt und dann das Viertelfinale erreicht, kann alles passieren.
Welche Änderungen planen Sie im Team?
Wenn man eine neue Trainerin bekommt, gibt es eine neue Art der Kommunikation. Und damit meine ich nicht mein Englisch und Deutsch, sondern Körpersprache und Feedbacks. Ich habe meine Assistenztrainer, also wird das bereits eine Veränderung sein. Auch die Erwartungen werden sich ändern. Die Rolle, die jede Spielerin hat, wird ein bisschen anders sein.
Was können Sie zum Coachingteam sagen?
Mein Mentor hat Folgendes gesagt: «Such dir keine Leute aus, mit denen du zu leicht zurechtkommst.» Du brauchst jemanden, der dich wirklich herausfordert, sonst wirst du zu schnell zu einer Lösung kommen. Lilie Persson ist für den Angriff und Anders Johansson für die Verteidigung zuständig.
Wie haben Sie den Fussball in anderen Ländern erlebt?
Als ich nach Brasilien kam, traf ich einen Mann. Er sagte, es gäbe dort keine Organisation, sondern nur Leidenschaft. Beim zweiten Spiel mit Brasilien sollten wir gegen Kolumbien spielen und ich wollte mich vorbereiten. Eineinhalb Wochen vorher hiess es, dass der Gegner nun doch nicht Kolumbien, sondern Mexiko ist. Ich habe mich geärgert und das passiert nur etwa einmal im Jahr. Aber dann habe ich gelernt, damit umzugehen. Wenn man alles kontrollieren will, sollte man nicht nach Brasilien gehen.
Verdienen Sie in der Schweiz so viel wie in diesen Ländern?
Nein. Ich habe von einer Frau gehört, die sagte: «Geh nicht dorthin, wo das Geld ist, geh dorthin, wo die Leidenschaft ist.» Für mich ist das einfacher. Ich habe keine Kinder und ich bin frei zu tun, was ich will. Ich hatte die Chance, mit der Leidenschaft und der EM hierhin zu kommen. Das war der ausschlaggebende Punkt.
Wann können wir das erste Interview auf Deutsch erwarten?
Schauen wir mal. Ich habe nur zwei Jahre Zeit, ich weiss es nicht. Mein Lieblingswort ist: Zum Beispiel und vielleicht. Als ich in der Schule war, habe ich zwei Jahre lang Deutsch gelernt. Ich möchte zuerst den Fussball weiterentwickeln. Aber ich verstehe ein bisschen etwas und freue mich, eines Tages viel zu verstehen. Wenn ich den EM-Titel hole, gebe ich ein Interview auf Deutsch. (aargauerzeitung.ch)