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Interview

Andy Murray über Granit Xhaka und eine fiese Nachricht an Roger Federer

Mandatory Credit: Photo by Ella Ling/Shutterstock 13414643c Roger Federer and Andy Murray of Team Europe chat Laver Cup, Tennis Tournament, Day Two, 02 Arena, London, UK - 24 Sep 2022 Laver Cup, Tenni ...
Murray (rechts) bei Federers Abschied vom Tennis am Laver Cup.Bild: www.imago-images.de
Interview

Andy Murray über Granit Xhaka und eine fiese Nachricht an Roger Federer

Während Andy Murray in Basel spielt, feiern zwei seiner vier Kinder Geburtstag. Es ist der Preis, den seine Familie und er für seinen Beruf zahlen. Ein Gespräch über Opfer, Fussball und Roger Federer.
25.10.2022, 09:0425.10.2022, 15:09
Simon häring, isabel langer / CH Media
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Willkommen zurück in Basel, Andy Murray. Können Sie sich daran erinnern, wann Sie das letzte Mal hier gewesen sind?
Andy Murray:
Tatsächlich, ja. Das war 2011, spielen konnte ich aber nicht, weil ich mir am Tag vor dem Turnier eine ziemlich schräge Verletzung zugezogen habe: eine Muskelzerrung im Hintern – und das erst noch nachts. Als ich morgens im Hotelzimmer aufgewacht bin, hatte ich Schmerzen. Bis heute weiss ich nicht, wie das möglich war.

Im Jahr darauf mussten Sie wegen einer Rückenverletzung absagen. In Basel gespielt haben Sie nur einmal: 2005, als Sie den Viertelfinal erreichten. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Sehr viele sogar, obwohl es schon so lange her ist. Ich hatte eine Wildcard erhalten und spielte zum ersten Mal gegen Tim Henman (damalige Nummer 1 Grossbritanniens, d. Red.), was sehr speziell für mich war, weil ich früher als Kind vor dem Fernseher mit ihm mitgefiebert hatte und zu ihm aufschaute. Nach dem Spiel hatte ich eine Sprachnachricht, eine Gratulation von Sean Connery auf dem Handy. Ich war 18-jährig, diese Welt war für mich noch völlig neu. Auch privat war es eine ziemlich spezielle Woche für mich.

Bildnummer: 01773363 Datum: 26.10.2005 Copyright: imago/Sportnah
Andrew Murray (Gro
Jüngling mit Dächlikappe: Murray 2005 in Basel.bild: imago

Erzählen Sie.
Meine heutige Frau (Kim Sears, d. Red.) und ich waren ab dieser Woche offiziell ein Paar. Wir hatten uns bei den US Open ein paar Monate zuvor getroffen, aber erst ab Basel galten wir als Paar.

Inzwischen sind Sie ja Eltern von vier Kindern im Alter zwischen 1 und 6 Jahren. Zu den Turnieren reisen Sie aber allein. Wie gehen Sie mit der Trennung von den Kindern und Ihrer Frau um?
Meine zweitälteste Tochter und mein Sohn haben beide während dieser Woche Geburtstag – und das ist etwas, das ich nicht verpassen möchte. Denn ich möchte so viel wie möglich für sie da sein. Es fällt mir sehr schwer. Im Sommer war ich zum Beispiel während fünf Wochen in den USA. Das ist mir zu lange. Unsere Kinder sind jetzt in einem Alter, in dem sie realisieren, dass ich weg bin. Ich fühle mich schlecht, wenn ich für längere Zeit weg bin. Es bricht mir das Herz. Andererseits ist es mein Beruf. Meine Frau, meine Familie und ich haben darüber gesprochen, wie ich im nächsten Jahr spielen will. Denn ich will nicht, dass das noch einmal passiert. Es ist schwierig, das zu balancieren. Ich werde Dinge tun, die fürs Tennis nicht das Beste sind, aber meine erste Priorität wird auch die Familie sein.

. 02/07/2021. London, United Kingdom. Kim Sears watching husband Andy Murray playing his third round match on day five of the Wimbledon Tennis Championships in London. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxO ...
Gattin Kim Sears fiebert auf der Tribüne in Wimbledon mit.Bild: www.imago-images.de

Dennoch spielen Sie in Basel Ihr 18. Turnier in diesem Jahr. Hätten Sie das für möglich gehalten, als Sie sich Anfang 2019 eine Metallkappe in die Hüfte haben einsetzen lassen und zurückgetreten waren?
Ich wusste es nicht, ich war im Ungewissen. Ich hatte keine Ahnung, was zu erwarten war. Vor der Operation und als ich wieder begann, Einzel zu spielen, hatte ich gedacht, dass es vorbei ist. Dass ich nie mehr so viele Turniere werde spielen können. Dann spielte ich vier Wochen in Folge und gewann Matches. Da wusste ich: Es ist möglich. Aber ich muss sehr vorsichtig sein, anders trainieren. Es ist fordernd.

Sie gehören wieder zu den Top 50 der Welt, standen in Sydney und Stuttgart im Final, haben dort einen Sieg gegen einen Top-Ten-Spieler (Tsitsipas) feiern können. Welches Fazit ziehen Sie zu diesem Jahr?
Das Positive ist, dass ich von Verletzungen verschont geblieben bin. Dass ich im Sommer, direkt vor Wimbledon, ein Problem mit der Bauchmuskulatur hatte, war ein unglücklicher Zufall. Ich hätte mir aber schon gewünscht, dass mein Tennis besser gewesen wäre.

Sie waren die Nummer 1 der Welt und haben drei Grand-Slam-Turniere gewonnen, warten aber seit 2019 auf einen Titel. Trauen Sie sich zu, noch einmal um grosse Titel mitspielen zu können?
Ich hatte in den letzten zwei Jahren gute Resultate, habe zum Beispiel gegen Carlos Alcaraz gewonnen, gegen Hubert Hurkacz, gegen Matteo Berrettini, Stefanos Tsitsipas und Nick Kyrgios. Aber über mehrere Turniere verteilt. Die Konstanz fehlt mir. Das muss ich ändern. Und wenn mir das nicht gelingt, werde ich mich nicht verbessern. Dieses Jahr war ein Schritt in die richtige Richtung. Wie weit ich noch nach vorne komme, weiss ich nicht. Aber ich muss zurück in die Setzlisten, damit ich nicht immer so früh gegen diese Topspieler antreten muss. Deshalb ist diese Woche in Basel sehr wichtig für mich.

Das ist Andy Murray
Der Schotte kam 1987 in Glasgow zur Welt und wuchs mit seinem um ein Jahr älteren Bruder Jamie, der im Doppel die Nummer 1 der Welt war, in Dunblane auf. Murray besuchte die örtliche Grundschule, wo er im März 1996 ein Schulmassaker miterlebte, bei dem ein 43-jähriger Mann 16 Erstklässer und eine Lehrerin erschoss. Er habe mehrere Jahre gebraucht, so Murray, um das Ereignis zu verarbeiten.

Murray gewann drei Grand-Slam-Turniere (US Open 2012 und Wimbledon 2013 und 2016), ist zweifacher Olympiasieger im Einzel (2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro), gewann 46 Turniere und führte während 41 Wochen die Weltrangliste an. 2019 musste Murray sich eine Metallplatte an der Hüfte einsetzen lassen und kündigte vor den Australian Open sein Karriereende an. Ein halbes Jahr später kehrte er zurück. 2017 wurde Murray wegen seiner Verdienste um den Tennissport als Knight Bachelor in den Adelsstand erhoben. Murray ist mit Kim Sears verheiratet. Die beiden haben drei Töchter und einen Sohn.

Sie waren 2017 in Zürich, als Sie mit Roger Federer das Match for Africa bestritten haben, dazu 2011 in Basel, als Sie dann doch nicht antreten konnten. Was kennen Sie sonst noch von der Schweiz?
Einer meiner besten Freunde, Dani Vallverdu, der Stan Wawrinka coacht, heiratete in Gstaad. Dort war ich dabei. Ein wunderschöner Ort. Ansonsten kenne ich das Land leider nicht so gut. Aber ich weiss natürlich, dass Granit Xhaka von hier ist, ich bin ja ein glühender Arsenal-Fan. Granit ist Captain und spielt eine sehr gute Saison. Er hat am Sonntag schon wieder ein wunderbares Tor erzielt. Gleich als ich in Basel angekommen bin, habe ich Roger Federer eine Nachricht mit folgendem Inhalt geschrieben: «Hey Roger, ich bin gerade in der Stadt eines der grössten Athleten aller Zeiten gelandet: Granit Xhaka.»

Sie waren auch bei Federers Abschied vor einem Monat beim Laver Cup in London dabei. Wie haben Sie diese Woche mit ihm erlebt?
Es war eine unglaubliche, einmalige Erfahrung für mich, eine Woche um diese Jungs herum zu sein, in diesem Stadion und mit so vielen ehemaligen Spielern. Rogers Abschied war wie im Märchen, nicht nur dieser Abend, sondern auch die Tage davor. Ich bin glücklich, konnte ich Teil davon sein und so viel Zeit mit Roger verbringen.

Sie kennen Roger Federer schon seit zwei Jahrzehnten. Gab es etwas, das Ihnen vom Laver Cup speziell in Erinnerung bleiben wird?
Zwar kenne ich Roger schon lange, aber so viel Zeit habe ich noch nie mit ihm verbracht. Ich war erstaunt, wie viel Energie er hat. Trainings, Interviews, dann Treffen mit Sponsoren. Die meisten Spieler, auch ich, empfinden das als ermüdend und finden es schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. Roger hingegen mag es, beschäftigt zu sein. Das hat mich schon überrascht und beeindruckt. Vor allem, wenn man bedenkt, wie lange er das alles schon getan hat.

Als Sie 2010 den Australian-Open-Final gegen Federer verloren hatten, sagten Sie: «Ich kann heulen wie Roger, es ist eine Schande, dass ich nicht so Tennis spielen kann.» Mussten Sie in London weinen?
Ja, es war unheimlich emotional. Es war schon schwierig, als Roger auf dem Platz gesprochen hat und die Familie neben dem Platz auf ihn wartete. Als sie ihn umarmten, sind sämtliche Dämme gebrochen. Roger hat das brillant gemacht. Es war der perfekte Weg, die Karriere zu beenden. Auf dem Platz, mit seinem wichtigsten Rivalen, Rafael Nadal. Mit so vielen grossen Spielern an der Seitenlinie – mit Björn Borg, John McEnroe, mit Nadal, Novak Djokovic, Stefan Edberg, Rod Laver und John Newcombe. Das war einmalig, perfekt und stimmig.

«I can cry like Roger, it's just a shame I can't play like him.» (Ab 2:10 Min.)Video: YouTube/dhamodharan

Sie wollen Ihre Karriere hingegen weiter fortsetzen und planen, auch im nächsten Jahr zu spielen. In der letzten Woche haben Sie auf eine Teilnahme beim Turnier in Antwerpen verzichtet. Weshalb?
Ich hatte ein paar kleinere Blessuren. Aber in der Woche vor dem Turnier im spanischen Gijón war ich ziemlich krank und für drei bis vier Tage im Bett. Es ging mir wirklich sehr schlecht. Deshalb hatte ich wenig trainiert und mit dem Gedanken gespielt, gar nicht anzutreten. Ich tat es dann doch und spielte drei Matches in vier Tagen und die beiden letzten Spiele waren beide fast drei Stunden lang. Ich fühlte mich einfach ausgelaugt und müde. Deshalb war es besser, dass ich verzichtet, meinem Körper Ruhe gegönnt und mich erholt habe. In meinem Alter muss ich aufpassen. Und natürlich war es schön, ein paar Tage zu Hause mit meiner Familie verbringen zu können.

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quelle: keystone / thibault camus
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5 Kommentare
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Molson
25.10.2022 09:56registriert Juni 2014
Gleich als ich in Basel angekommen bin, habe ich Roger Federer eine Nachricht mit folgendem Inhalt geschrieben: «Hey Roger, ich bin gerade in der Stadt eines der grössten Athleten aller Zeiten gelandet: Granit Xhaka.»

HAMMER 🤣🤣🤣 Schön zu lesen das Sportstars auch nur Menschen sind welche ihre Kollegen gerne mal auf Korn nehmen 💪🏻
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trichie
25.10.2022 09:59registriert Mai 2017
Was man bei Murray nicht vergessen darf... er ist nicht nur wegen seiner Hüfte ein Pechvogel. hätte er in einer anderen Ära gespielt hätte er wohl massiv mehr gewonnen. er hat zwar "nur" 3 Grand Slams geholt, stand aber in 11 Finals und hat da nur gegen ND (5x) und RF (3x) verloren. Insgesamt hat er gegen ND, RF und RN fast 30 Siege geholt (niemand sonst hat das auch nur annähernd) und gegen RF sogar nach 25 Matches mit 11:14 eine fast ausgeglichene Bilanz.
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