Beim 4:1 gegen den SCB stürmten beide in der gleichen Linie. Sandro Schmid buchte das 1:0, Julien Sprunger ging für einmal statistisch leer aus. Noch ist Sprunger diese Saison mit 18 Punkten erfolgreicher. Aber Schmid ist auch schon bei 12 Punkten angelangt. Der Captain und sein möglicher Nachfolger im Doppelinterview.
Sehen wir hier den aktuellen und den künftigen Captain von Fribourg-Gottéron?
Julien Sprunger: Wer weiss? Sandro ist jetzt Assistent. Es ist nicht einfach, Captain zu sein. Ich hatte dieses Amt erstmals mit 23 und es war nicht einfach, mit dieser Verantwortung umzugehen.
Ist Sandro mit 20 jetzt weiter als Sie damals mit 23?
Julien Sprunger: Wir haben nicht die gleiche Vergangenheit. Sandro ist als Junior nach Schweden gegangen und nun zurückgekehrt. Ich kam bereits als Junior in die 1. Mannschaft und habe immer für Gottéron gespielt.
Nicht ganz: ein Spiel auch für La Chaux-de-Fonds in der NLB.
Julien Sprunger: Stimmt, das war 2005/06 und ich war noch ein Junior.
Sandro Schmid, sehen Sie sich als künftigen Captain?
Sandro Schmid: Es ist für mich zu früh, um an so etwas überhaupt zu denken. Natürlich wäre es schön, als Captain eine Identifikationsfigur für Gottéron zu sein wie Julien. Aber ich habe noch so viel vor mir und ich muss noch so viel lernen. Es macht keinen Sinn, weiter als über meine Vertragsdauer hinaus zu denken.
War es Ihr Ziel, einmal Captain bei Gottéron zu werden?
Julien Sprunger: Nein, bei mir war es ähnlich wie bei Sandro. Als ich im Alter von Sandro war, habe ich mich auch nicht festgelegt. Ich hatte Träume, ich wollte in die NHL und bekam 2009 tatsächlich einen Vertrag von den New York Rangers für die Saison 2009/10. Aber dann kam die schwere Verletzung im letzten Spiel der WM 2009 in Bern gegen die Amerikaner und ich musste meine NHL-Träume begraben. Dass ich bei Gottéron geblieben bin, hat sich so ergeben.
Haben Sie dann bei Gottéron mehr verdient, als im Vertrag mit den Rangers vorgesehen war?
Julien Sprunger: Ein wenig mehr. Ich hätte nur den NHL-Minimallohn bekommen und im Farmteam bloss 40'000 Dollar brutto verdient.
Als Julien bei der WM 2009 in Bern spielte, waren Sie elf Jahre alt.
Sandro Schmid: Ja, Julien war schon ein Idol für mich, als ich ein Fan auf der Tribüne war. Ich habe mich damals gefragt, wie es wohl wäre, eines Tages mit ihm in der gleichen Mannschaft spielen zu dürfen.
Das ist nun der Fall. Entspricht Julien nun ihren Vorstellungen?
Sandro Schmid: Das ist sehr schwierig zu sagen. Wenn man jemanden nicht kennt, macht man sich idealistische Vorstellungen. Damals war er für mich ein Vorbild, ein Held, aber eine fremde Person.
Nun ist aus dem Helden ein Teamkollege geworden.
Sandro Schmid: Das haben Sie schön gesagt. So ist es.
Wann haben Sie Sandro Schmid zum ersten Mal wahrgenommen?
Julien Sprunger: Wann genau das war, kann ich nicht mehr sagen. Aber bei ihm war schon im Sommertraining zu erkennen, dass er seinen Weg nach oben machen wird. So etwas sieht man sofort.
Woran?
Julien Sprunger: An der Art und Weise, wie sich jemand im Training verhält. Sandro weiss, dass er noch besser werden muss. Diese Einstellung ist sehr wichtig. Und auf dem Eis habe ich gleich gesehen, dass er ein Naturtalent ist. So etwas erkennt man sofort an der Art und Weise, wie einer läuft und die Scheibe führt.
Wie kommt es eigentlich, dass Sie den Weg über Schweden gewählt haben?
Sandro Schmid:Ich wollte so früh wie möglich etwas Neues kennen lernen und meine Eltern haben mich bei diesem Vorhaben unterstützt. Meine Tante lebt in Schweden, ich war zu Besuch und hatte mich dort schon immer wohl gefühlt.
Nun sind Sie nach drei Jahren zurück bei Gottéron. Haben Sie Julien bei der Gestaltung des Vertrages um Rat gefragt?
Sandro Schmid: Nein, diese Angelegenheit hat mein Agent (Georges Müller – die Red.) erledigt. Für mich geht es jetzt sowieso nicht ums Geld. Für mich geht es darum, dass ich mich weiterentwickeln und viel lernen kann. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Situation und freue mich auf die Zukunft.
Sie haben im September 2019 bis 2023 verlängert. Für weniger als der vorherige Vertrag?
Julien Sprunger: Ja, ja natürlich. Ich werde ja bald 35 und meine Karriere neigt sich dem Ende zu.
Also schon etwa 30 Prozent weniger als vorher?
Julien Sprunger: Sagen wir es so: Es ist une bonne baisse.
Wird eigentlich in der Kabine über die Löhne diskutiert? Weiss jeder vom anderen, was er verdient?
Julien Sprunger: Nein, Löhne sind tabu, gerade in der Kabine. Aber man kennt den Marktwert.
Wir schreiben Freiburg und Fribourg. Ist Gottéron eigentlich ein welscher oder ein Deutschschweizer Klub?
Julien Sprunger: Die Aussenwahrnehmung von uns ist mehrheitlich welsch. Aber die Deutschschweizer Mentalität ist ein wichtiger Teil unserer Kultur, wir hatten beispielsweise mit Christian Hofstetter (von 1989 bis 1997 – die Red.) und Mario Rottaris (von 1997 bis 2003) auch jahrelang Captains aus der Deutschschweiz. Das Vorurteil, dass die welschen Spieler alles ein bisschen leichter nehmen, stimmt bei uns nicht. Die französischsprachigen Spieler arbeiten mindestens so hart wie die Deutschschweizer.
Also hat Gottéron eine ganz besondere Mentalität: weder welsch noch deutsch.
Julien Sprunger: So können wir es sagen.
Welche Sprache wird in der Kabine gesprochen?
Julien Sprunger: Mehrheitlich Englisch. Sandro hat da einen Vorteil. Er spricht Deutsch, Französisch, Englisch und Schwedisch. Er versteht jedes Wort und kann sich mit allen in der Muttersprache unterhalten.
Sie haben drei Jahre lang in Schweden gespielt. Ist die Mentalität dort eine andere als bei uns?
Sandro Schmid: Eishockey hat in Schweden einen noch höheren Stellenwert und die Konkurrenz ist schon bei den Junioren viel grösser. Es reicht nicht, wenn du viel Talent hast. Du musst in jedem Training alles geben, du darfst nicht einen Tag nachlassen, sonst ist dein Platz im Team sofort weg. Nicht nur jedes Spiel, jedes Training ist geprägt von diesem Konkurrenzkampf.
Hat Sie das geprägt?
Sandro Schmid: Diese Erfahrung hat mir geholfen. Ich denke, dass ich diese Erfahrung so intensiv in der Schweiz nicht hätte machen können. Deshalb kann ich einen Auslandaufenthalt nur empfehlen. Wenn es nicht klappt, ist nichts verloren. Eine Rückkehr in die Schweiz ist ja problemlos möglich.
Für Sie war der Weg nach oben einfacher?
Julien Sprunger: Nicht unbedingt. Ich war als Junior nie der Beste meiner Mannschaft. Ich musste mich auch im Konkurrenzkampf durchsetzen, weil ich meistens mit den älteren Jahrgängen gespielt habe. Aber es stimmt: wenn Du bei uns als Talent erkannt bist und mal deinen Platz hast in der Mannschaft hattest, dann hast Du ihn und musstest nicht jeden Tag darum kämpfen. Bei uns dreht sich sehr vieles um einen guten jungen Spieler und alles wird unternommen, dass er sich wohl fühlt.
Nun haben wir schwierige Zeiten. Haben Sie auf Lohn verzichtet?
Julien Sprunger: So viel ich weiss, waren wir bei Gottéron die ersten, die auf Lohn verzichtet haben. Aber wir sind gegen andere Massnahmen: Es kann nicht sein, dass versucht wird, durch eine höhere Anzahl Ausländer das Lohnniveau zu drücken. Könnten sechs oder sieben Ausländer eingesetzt werden, dann sässe Sandro jetzt nicht hier. Leider gibt es in der Schweiz die Tendenz, lieber auf einen ausländischen Spieler oder einen grossen Namen zu setzen, als einem jungen Spieler eine Chance zu geben.
Aber die Löhne sind zu hoch?
Julien Sprunger: Nicht wir Spieler machen den Markt und die Löhne. Es sind die Klubs. Es ist nicht so, dass wir ständig mehr fordern. Es sind die Klubs, die in den letzten Jahren immer wieder höhere Saläre offeriert haben.
Sie haben früher auch mit den ZSC Lions verhandelt. Haben die Zürcher mehr geboten als Gottéron?
Julien Sprunger: Ja.
Viel mehr?
Julien Sprunger: Recht viel mehr. Aber das Leben ist in Zürich ja auch viel teurer als in Fribourg.
Hatten Sie im Laufe der Jahre auch von anderen Klubs Offerten?
Julien Sprunger: Ja, von allen Grossen: vom SCB, von Lugano und auch von Servette.
Warum sind Sie bei Gottéron geblieben?
Julien Sprunger: In erster Linie aus familiären Gründen.
Können Sie sich vorstellen, wie Julien Ihre ganze Karriere bei Gottéron zu verbringen?
Sandro Schmid: Ich habe hier einen Vertrag bis 2023. Was dann sein wird, ist unmöglich zu sagen. Darum kann ich diese Frage gar nicht beantworten.
Immerhin sind Sie schon Assistenz-Captain.
Sandro Schmid: Aber das ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig. Ich bin sehr glücklich, dass ich die Chance bekomme, auch in dieser Rolle zu lernen. Aber das «A» auf dem Dress spielt keine Rolle. Ich bleibe, wie ich bin, ich spiele mein Spiel weiter wie bisher und ich freue mich, wenn der Trainer sagt, es gefalle ihm, wie ich arbeite.
Ergreifen Sie in der Kabine auch mal das Wort?
Sandro Schmid: In unserer Kabine sitzen Spieler, die so viel mehr erlebt und erreicht haben als ich und die schon Stanley Cup-Sieger waren. Da ist es nicht an mir, das grosse Wort zu führen.
Julien Sprunger: Sandro versteht sehr gut, dass es eine Hierarchie gibt. Auf dem Eis und in der Kabine.
Sind die jungen Spieler heute anders, als Sie damals waren?
Julien Sprunger: Ja, sie treten selbstsicherer auf und haben nicht mehr den gleichen Respekt vor arrivierten Spielern, den wir damals hatten.
Sandro auch nicht?
Julien Sprunger: Er hat ein gesundes Selbstvertrauen und respektiert auch die Werte, die wir damals hatten. Mir gefällt seine Einstellung sehr.
Sie haben in den letzten 15 Jahren bei Gottéron schon einige Krisen erlebt.
Julien Sprunger: Aber das, was wir jetzt durchmachen, ist völlig neu, das hat noch niemand erlebt.
Bleiben wir bei den sportlichen Krisen. Sind Sie eigentlich bei den zahlreichen Trainerentlassungen als Captain jeweils konsultiert worden?
Julien Sprunger: Sie haben recht, bei uns hat es tatsächlich hin und wieder eine Trainerentlassung gegeben. Aber es sind nie die Spieler, die einen Trainerwechsel verlangen. Das ist undenkbar. Im Laufe der Zeit entwickelt man durch die Zusammenarbeit, aber auch durch Gespräche und fachliche Diskussionen eine persönliche Beziehung zu jedem Trainer und keinem Spieler kommt es in den Sinn, seine Entlassung zu verlangen. Aber es ist so, dass die Verantwortlichen nach den Gründen fragen, warum es nicht funktioniert.
Sie heben oder senken also nicht den Daumen?
Julien Sprunger: Nein, das ist etwas aus Gladiatoren-Filmen.
Sie kennen Krisen noch nicht.
Sandro Schmid: Ich habe zwar auch schon einen Trainerwechsel erlebt. Aber es ging ziemlich schnell. Ich war neu in der Mannschaft und nach sechs Spielen war Mark French schon weg. Ich hatte den Trainer nicht lange und somit auch nicht ein Verhältnis mit ihm wie die anderen Spieler.
Keine Krise, nur eine Episode.
Sandro Schmid: Sie sagen es.
Was war die grösste sportliche Krise bei Gottéron?
Julien Sprunger: Die Liga-Qualifikation gegen Biel im Frühjahr 2006. So schwierig war es vorher und nachher nie. Ich erinnere mich noch genau: In dieser Saison kamen bei uns 17 verschiedene Ausländer zum Einsatz.
Was? 17 Ausländer?
Julien Sprunger: Ja, so war es. (Anmerkung der Red: Wir haben nachgeschaut, es stimmt tatsächlich. Damals kamen bei Gottéron Torhüter Tom Askey, die Verteidiger Tommi Kovanen, Richard Lintner, Cory Murphy, Mark Murphy, Lukas Pozivil sowie die Stürmer Frank Banham, Andrei Baschkirow, Josh Holden, Hannes Hyvönen, Thomas Kurka, Toni Mäkiaho, Stéphane Roy, Rob Sherarer, Ville Snellman und Alex Tremblay zum Zuge.)
Aber Gottéron ist nicht untergegangen.
Julien Sprunger: Nein, wir haben auch das überstanden.
Warum hat Gottéron seit dem Aufstieg von 1980 jede Krise, die sportlichen und die finanziellen, gemeistert?
Julien Sprunger: Wir haben eine Tradition, wir haben eine Kultur, wir haben eine Identität. Es ist den Menschen nie gleichgültig, wie es um uns steht. Sie leben Gottéron, ich kenne viele, die den Herbst geradezu herbeisehnen, weil im Sommer ohne Hockey alles so leer ist.
Haben Sie das auch schon so erlebt?
Sandro Schmid: Ja. Meine Grosseltern und sogar noch meine Mutter haben Gottéron noch in der alten Eishalle «Les Augustins» in der Unterstadt gesehen. Ich bin mit Gottéron aufgewachsen. Es braucht nicht einmal eine Krise. Schon nach zwei oder drei Niederlagen merkt man es an den Leuten.
Julien Sprunger: Bei anderen Klubs gehst Du nach Hause und Du hast im Sommer Ruhe. Bei uns kannst Du nicht fliehen. Du musst den ganzen Sommer über mit der vergangenen Saison leben. Manchmal ist das gut, manchmal ein bisschen weniger angenehm. Die Leute sehen dich immer als Hockeyspieler und die Fans denken, man gehört ihnen ein wenig. Das ist die Verantwortung, die wir bei Gottéron tragen.
Sandro Schmid: So intensiv habe ich das bisher noch nicht erlebt. Aber die Leute kennen mich ja noch nicht so gut wie Julien.
Wenn Sie jetzt noch einmal dort beginnen könnten, wo Sandro jetzt steht – würden Sie etwas anders machen?
Julien Sprunger: Nein. Je ne regrette rien und würde alles noch einmal genau so machen. Ich bin glücklich und dankbar, wie meine Karriere bisher verlaufen ist. Ich bedaure höchstens, dass ich zu spät gekommen bin, um noch mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow zu spielen.
Aber Meister sind Sie noch nie geworden.
Julien Sprunger: Es gibt auch andere Werte als Titel. Wenn ich unbedingt hätte Meister werden wollen, dann hätte ich bei den ZSC Lions unterschrieben. Die Wahrscheinlichkeit wäre ja gross gewesen, dort in vier oder fünf Jahren einmal Meister zu werden.
Fehlt Ihnen dieser Titel?
Julien Sprunger: Ein Titel mit Fribourg, ja, davon träume ich immer noch und wenn dieser Traum nicht in Erfüllung gehen sollte, dann ist das eine kleine Enttäuschung. Aber der Traum ist noch nicht vorbei. Wir haben eine neue Arena und ich spüre frische Energie.
Sonst wird es Ihre Aufgabe sein, einmal Gottéron zum ersten Titel zu führen.
Sandro Schmid: Es ist ein Traum von mir, diesen Titel noch als Mitspieler von Julien zu feiern.
Erstmals publiziert im Fachmagazin Slapshot.
Mann kann Chronisten aus dem Emmental nehmen aber nicht das Emmental aus dem Chronisten 😉