Zwei Mal trennte Belinda Bencic nur ein einziger Punkt vom erstmaligen Einzug in den Wimbledon-Viertelfinal. Nach 3:03 Stunden Spielzeit hat sie gegen Iga Swiatek (22, WTA 1) beim 7:6 (7:4), 6:7 (2:7), 3:6 das Nachsehen. Deshalb schwang bei Bencic nach der Niederlage nicht nur Enttäuschung, sondern auch schon Stolz mit, wie sie in der Medienkonferenz sagte.
Belinda Bencic, Sie hatten gegen Iga Swiatek zwei Matchbälle, mit welchem Gefühl verlassen Sie Wimbledon nach dieser Niederlage?
Sie können sich vorstellen, dass es im Moment sehr schmerzt. Es tut verdammt weh und ist nicht einfach. Man sagt sich: Ich hoffe, es ist alles nur ein schlechter Film und ich wache auf. Ich weiss nicht, ob es mehr oder weniger schmerzt, weil ich das Gefühl habe, dass ich nichts hätte anders machen können. Aber ich bin dennoch sehr stolz auf mich. Heute gibt es wirklich nichts, das ich bereuen würde. Es war ein unglaubliches Match. Sie ist die Nummer 1 der Welt und schenkt dir nichts. Ich habe sie an ihre Grenzen gebracht, darauf bin ich stolz.
Sie haben elf Doppelfehler geschlagen. Wie sehr hat das mit ihrer Verletzung an der rechten Schulter zu tun?
Ich habe viele Doppelfehler gemacht, einverstanden. Beim zweiten Aufschlag bin ich mehr Risiko eingegangen als gewöhnlich, weil ich wollte, dass sie sich beim Return unwohl fühlt. Das Opfer, das ich dafür erbracht habe, waren ein paar Doppelfehler mehr.
War die Verletzung dafür mitverantwortlich?
Ich habe gespielt. Das heisst, mit der Schulter war alles in Ordnung.
Sie haben im ganzen Turnier gesagt, Sie müssten sich daran erinnern, es zu geniessen. Sie haben nun zum zweiten Mal nach 2016 in Wimbledon auf dem Centre Court gespielt. Wie haben Sie das erlebt?
Ich habe es von Anfang bis zum Ende genossen. Es beginnt schon mit dem Lauf an den Centre Court, wenn die Türe aufgeht. Da hatte ich das erste Mal Gänsehaut. Auch während des Matches stand ich beim Aufschlag dort und habe mir immer wieder gesagt: Wow, besser wird es nicht mehr. Auch als ich vom Platz gegangen bin, ging mir durch den Kopf, dass es eine Erinnerung sein würde, die für immer bleibt. Und natürlich hoffe ich, dass ich wieder einmal hier spielen werde.
Stan Wawrinka hat 2013 in Melbourne im Achtelfinal gegen Novak Djokovic ein enges Spiel verloren und im Jahr darauf das Turnier gewonnen. Heute sagt er, diese Niederlage sei ein Schlüsselspiel für ihn gewesen. Denken Sie, dass dieses Spiel bei Ihnen ähnlich sein könnte?
Es gibt solche Momente. 2021 verlor ich hier in Wimbledon in der ersten Runde und war mental am Tiefpunkt angelangt. Und wenige Wochen später war ich Olympiasiegerin. Ja, es gibt solche Momente. Ich glaube daran, dass ich beim nächsten Mal gewinnen kann. Es wird nicht der erste und letzte Match sein, den ich nach Matchball verliere. So ist es im Tennis. Ich bin inzwischen genug erfahren und reif, um das einordnen zu können. Vielleicht werde ich irgendwann belohnt.
Wie verarbeiten Sie eine solche Niederlage?
Pimm's trinken (lacht). Wenn man gewinnt, ist man in einem Tunnel, hat ein Ziel: Trainieren, gut schlafen und essen. Das Schlimmste ist, wenn man am Tag danach aufwacht, weil man sich ein neues Ziel setzen muss. Die ersten Tage nach einer Niederlage fühle ich mich leer. Irgendwann habe ich es verdaut. Ein Geheimrezept gibt es nicht.
Sie haben in den letzten drei Monaten wegen Verletzungen nur zwei Turniere gespielt. Wo stehen Sie nach Wimbledon?
Ich bin mega froh, dass ich diese vier Spiele auf hohem Niveau hatte und dass ich mit der Form weiterfahren konnte wie zu Beginn dieser Saison. Für mich war das ein Test, wo ich stehe. Ich bin vorbereitet für Amerika, werde angreifen und habe ein Ziel: Ich möchte zu den Top 8 der Welt gehören und beim Masters dabei sein. Dafür tue ich alles. (aargauerzeitung.ch)