Manuel Akanji, eigentlich dachten wir, mit einem Verteidiger ein Gespräch zu führen. Haben wir uns getäuscht? Sie schiessen ständig Tore! Mit der Nati gegen Weissrussland, gegen YB in der Champions League, und nun am Wochenende auch noch in der Premier League gegen Bournemouth ...
Manuel Akanji: Ich bin ja nicht der typische Torjäger und nicht dafür bekannt, allzu viele Tore zu schiessen (lacht). Ich würde mal sagen, in letzter Zeit hatte ich wohl einiges Glück.
Und nun legen Sie am Dienstag gegen YB gleich nochmals nach und schiessen den Schweizer Meister erneut ab?
Ich hoffe es! Aber ich mache mir jetzt nicht allzu grossen Druck. Schauen wir, was noch kommt.
Sie haben in diesem Jahr mit Manchester City gleich drei Titel gewonnen – Champions League, Liga und Cup. Mit ein bisschen Abstand: Was hat das Triple für Sie für eine Bedeutung?
Es ist schlicht und einfach unglaublich. Ich glaube, viel besser geht es gar nicht. All diese Titel gleich in der ersten Saison …
Können Sie beschreiben, was dieses Triple in der Wahrnehmung von City innerhalb der Stadt und in ganz England ausgelöst hat?
Schon ziemlich viel. Vor allem natürlich wegen des Triumphs in der Champions League. Es war der erste in der Geschichte von Manchester City. Der Final gegen Inter Mailand war das letzte Spiel der Saison, es war klar, dass diese Partie unsere Saison definiert. Entsprechend ausgelassen war die Freude auf den Strassen der Stadt.
Welcher Moment der Feierlichkeiten blieb Ihnen besonders in Erinnerung?
Die Parade durch die Stadt. Es hat geregnet, aber es hat niemanden interessiert, es wollten einfach alle nur feiern. Irgendwann sind wir Spieler auf dem Bus gestanden, haben die Shirts ausgezogen, das war dann wärmer als mit wegen der Nässe (lacht).
Wie ist das Leben als Familie in Manchester?
Uns geht es super, wir sind sehr glücklich in Manchester. Wir wohnen etwas ausserhalb von der Stadt, darum sind wir auch nur ab und zu in der City.
Als Sie eingezogen sind ins Haus, haben Sie mir von einem Fussballzimmer für Ihre beiden Kinder erzählt – gibt es das noch?
Nein, jetzt wird draussen Fussball gespielt! Aayden hat mittlerweile einen etwas schärferen Schuss, da wollen wir nicht riskieren, dass etwas kaputt geht … Wenn wir schon die Möglichkeit haben, draussen auf Gras zu spielen, finde ich, sollten wir das auch wahrnehmen. Sein kleiner Bruder Keeyan hat vor ein paar Wochen begonnen zu laufen. Es kommt Schritt für Schritt, er will sicher auch bald anfangen zu kicken.
Vor zwei Wochen in der Schweiz hat Trainer Pep Guardiola gewarnt, dass die Saison der Bestätigung umso schwieriger wird. Wie hält er den Hunger nach weiteren Erfolgen hoch?
Also es ist jetzt nicht so, dass er mit uns jede Woche darüber spricht. Er hat das ein- oder zweimal erwähnt in der Vorbereitung und vielleicht vor dem ersten oder zweiten Spiel. Wir wissen, dass wir in jedem Spiel unsere Leistung bringen müssen und dass es nur ums Gewinnen geht. Und ich denke auch nicht, dass wir Spieler im Kopf haben «Achtung, wir haben das Triple gewonnen, wir müssen jetzt aufpassen wegen dem oder diesem.»
Wie ist das bei Ihnen selbst?
Ich brauche keine zusätzliche Motivation, es ist eine neue Saison und ich will einfach alles gewinnen, was wir gewinnen können. So einfach ist das.
Ende September verlor Manchester City auf englischem Boden drei Mal hintereinander, gegen Wolverhampton und Arsenal in der Premier League und gegen Newcastle im Carabao-Cup. Gilt das dann schon als grosse Krise?
Wir haben nicht gerade von Krise gesprochen. Aber klar ist: Nach jedem Spiel, das wir nicht gewinnen, herrscht keine gute Stimmung in der Kabine. Wenn das dann drei Mal in Serie passiert, ist die Enttäuschung gross, klar. Das Gute war, dass wir zwischendrin in der Champions League auswärts in Leipzig eine gute Leistung zeigten. Das hat das Selbstvertrauen nochmals erhöht. Arsenal ist ein starker Gegner, da kann es auch passieren, dass man einmal verliert, auch wenn das nicht unser Anspruch ist. Aber die Reaktion darauf war gut, mit zwei Siegen in der Liga und bei YB.
Welche Entwicklung haben Sie persönlich bei Manchester City durchgemacht in den 14 Monaten, in denen Sie mittlerweile beim Klub sind?
Eine sehr positive. In dieser Mannschaft, mit diesem Trainer-Staff, da kann jeder so viel lernen. Ich habe das an mir selbst gemerkt in diesem Jahr, ich habe gelernt, auf so vielen verschiedenen Positionen zu spielen, wo ich es mir vorher nicht gewohnt war. Zu Saisonende habe ich in fast jedem Spiel wieder auf einer anderen Position gespielt – ich habe mich trotzdem wohl gefühlt und ich habe auch eine gewisse Konstanz hingebracht, um über längere Zeit gute Leistungen zu bringen. Ein weiterer Punkt: Je älter man wird, desto besser lernt man seinen Körper kennen. Ich habe das letzte Jahr ohne eine Verletzung durchleben dürfen. Ich hoffe, dass es so weitergeht und mache vieles dafür. Und schliesslich zum Fussballerischen: Wenn du jeden Tag so gefordert wirst im Training, von den Mitspielern, vom Trainer, dann macht das automatisch etwas mit dir. Du willst dich jeden Tag verbessern und du lernst von den Mitspielern.
Was macht Pep Guardiola im täglichen Training aus?
Er ist sehr … mir fehlt gerade das deutsche Wort, «demanding» …
… fordernd?
Genau! Ich bin mittlerweile fast mehr im Englisch drin (lacht). Er ist sehr fordernd mit uns. Er weiss, was wir können. Und darum erwartet er diese Dinge auch von uns. Sobald etwas nicht passt, spricht er das direkt mit uns an. Dazu analysiert er unsere Gegner sehr gut und bereitet uns bestmöglich auf die Herausforderungen vor.
Das ist dann auch gegen YB so? Ist ein Spiel gegen YB für ihn dasselbe wie eines gegen Manchester United?
So ein Derby gegen United ist schon noch einmal etwas anderes. Du gehst dahin, es ist eine andere Stimmung. Aber ein Spiel gegen YB wird nicht anders vorbereitet als gegen beispielsweise Brighton. Aber er geht nie in ein Spiel und unterschätzt den Gegner oder denkt schon nur: Wir gewinnen locker. Er nimmt jedes Spiel ernst.
In dieser Saison haben Sie auch schon die Position innegehabt, auf der Sie bei Ballbesitz ins Mittelfeld aufrücken. Sehen wir das nun öfter?
Das werden wir sehen! Ich kann es Ihnen nicht verraten, auch wenn ich wollte. Das sind taktische Dinge, die wir von Spiel zu Spiel anschauen. Ich weiss es selber nicht immer (lacht), was er mit mir plant.
So hält man einen Spieler auf Trab!
Definitiv.
Kommen wir noch einmal auf Ihre Tore zurück. Zumindest in der Nati waren Ihre Tore zuletzt mit Enttäuschungen verbunden. Beim 1:6 gegen Portugal im WM-Achtelfinal war das so. Und beim 3:3 gegen Weissrussland in der EM-Qualifikation auch. Muss die Schweiz hoffen, dass Sie in der Nati nicht mehr treffen?
Sie vergessen da natürlich mein erstes Nati-Tor! Das war ein «gutes», auswärts gegen Spanien in der Nations League, da gelang mir überdies auch noch ein Assist und wir siegten 2:1. Klar, gegen Portugal hat das Tor nicht mehr viel bewirkt. Aber gegen Weissrussland hat mein Treffer noch etwas ausgelöst, das Comeback eingeleitet, sodass wir dank Amdounis Tor am Schluss noch zu einem 3:3 kamen. Dieser Punkt könnte noch wichtig werden für uns. Aber klar, dieses letzte Spiel haben wir uns nicht so vorgestellt.
Wie sehen Sie die Entwicklung bei der Nationalmannschaft? Es gab zuletzt ein paar Enttäuschungen einzustecken.
Das gibt es manchmal. Manchmal hat man eine schlechtere Phase. Aber wir hatten zuvor ja auch einige gute Spiele. Das Wichtigste ist, dass wir uns nun auf die drei Spiele konzentrieren, die wir noch haben im November. Das, was in der Vergangenheit passierte, können wir nicht mehr ändern. Wir können nur aus unseren Fehlern lernen. Wir haben definitiv zu viele Tore bekommen, etwas, das wir uns nicht gewohnt sind. Wir müssen als Mannschaft wieder besser verteidigen. Wir hinten sind dafür da, das auszubügeln, wenn vorne mal ein Fehler passiert. Das war sicher nicht gut genug in den letzten Spielen. Das werden wir brauchen, wenn wir gegen Israel, den Kosovo und Rumänien spielen, weil das die drei stärksten Gegner in unserer Gruppe sind.
Sie haben kürzlich gesagt: «Ich mag mich erinnern an eine Zeit, da war es schwierig, gegen uns Tore zu erzielen.» Diese Stärke ist abhandengekommen. Dazu kam die unglückliche Aussage von Trainer Murat Yakin, gegen einen Gegner wie Weissrussland müsse man die Defensive nicht vorbereiten. Wie nehmen Sie das alles wahr?
Wir gehen in so ein Spiel und bereiten uns darauf vor, dass wir kein Gegentor erhalten. Es ist immer unser Ziel, dass wir die Null halten können. Und hoffentlich vorne früh ein Tor schiessen, was es ein bisschen einfacher macht, und dann die Führung ausbauen. Wir sind ja tatsächlich in Führung gegangen, haben aber dann drei Tore bekommen. Und es ist nicht so, dass alle drei auf die gleiche Art und Weise gefallen wären, sondern alle anders. Ein Gegentor kann man immer mal kassieren. Aber zu Hause drei Gegentore gegen Weissrussland, 1:3 in Rückstand geraten, das darf man so nicht akzeptieren. Daraus müssen wir lernen für die nächsten Spiele.
Verstehen Sie, dass nach drei Zusammenzügen, in denen es jeweils eine grosse Enttäuschung gab – 2:2 gegen Rumänien, 2:2 im Kosovo mit Gegentoren in der Nachspielzeit und eben dieses 3:3 gegen Weissrussland – der Trainer infrage gestellt wird?
Es ist nicht mein Job, mich um Diskussionen in den Medien zu kümmern. Mein Job ist es, dass ich das nächste Mal auf dem Platz meine bestmögliche Leistung zeige. Was in der Trainerdiskussion passiert, kann ich nur mit meiner Leistung beeinflussen. Ich versuche, auf dem Spielfeld immer mein Bestes zu geben.