Das Wichtigste vorneweg: Wann waren Sie zum letzten Mal nüchtern?
Puh, das ist eine Weile her. Seit die Saison begonnen hat, definitiv nie mehr. Bei der Taufe meines Neffen durfte ich wohl kurzzeitig wieder Auto fahren.
Was sagt Ihr Arbeitgeber dazu?
Weil derzeit eine Reorganisation ansteht, werden bei uns regelmässig Leute entlassen. Als ich die Kündigung auf dem Tisch hatte, habe ich meinem Chef die HCD-Saisonkarte gezeigt. Er begann vor lauter Schuldgefühlen zu weinen und schluchzte, dass er nicht so barbarisch sein könne – und entliess stattdessen die schwangere Gaby. Anschliessend hat er mich minutenlang umarmt.
Klingt unangenehm …
Normalerweise ja. Aber diesen Herbst war ich noch nie so lange am Stück glücklich wie während dieser Umarmung.
Gibt es denn keinen Hoffnungsschimmer? Ein Licht am Ende des Horizonts?
Die SCRJ Lakers sind noch ein wenig schlechter als wir. Ich kann mich langsam aber sicher in die Situation der Rappi-Fans hineinversetzen. Und das ist eigentlich das Schlimmste an der ganzen Sache. Wir sind in der Tabelle so knapp über ihnen, dass wir uns praktisch schon berühren.
Wie reagieren die Leute im Alltag auf Ihre Situation?
Das mit anderen Leuten ist derzeit gerade etwas schwierig. Mit meinem Panikattacken-Tourette habe ich mir einen eremitenhaften Lebensstil angeeignet. Ich wage mich kaum mehr raus.
Panikattacken-Tourette?
Vor meinem geistigen Auge sehe ich immer wieder diese Bilder, wie der HC Davos versucht zu verteidigen. Es kommt wieder und immer wieder. Dann kann ich mich kaum noch kontrollieren und beginne wahllos zu fluchen. Das geht von «Scheisse» bis «Fuck you».
Konnten Ihre Freunde nichts für Sie tun?
Die haben lediglich den Tipp gegeben: «Nümä Fuck you säge».
Was tut Ihre Familie?
Meine Mutter hat mir ihr Beileid ausgesprochen und versucht, mich zu trösten. Ich könne mich doch dafür bald wieder auf Derbys gegen den EHC Arosa freuen. Ich bin derzeit auf der Suche nach einer neuen Mutter.
Und Ihre Frau?
Die hat mich verlassen. Sie konnte noch akzeptieren, dass ich diverse Affären habe, mir keine Zeit für sie nehme und jähzornig bin. Dass sich ihr Mann als HCD-Fan so demütigen lässt – mit dieser fehlenden Würde konnte sie nicht mehr leben. Trost finde ich im Moment bei den ADT.
ADT? Anonyme Dauer-Trinker?
Aargauer Davos-Tröster. Ein paar HCD-Fans hier haben sich zu einer Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen. Viele sind jetzt einfach Fan des SC Bern.
Und trotz der Misere gehen Sie noch regelmässig an die Spiele?
Klar! Die zwei Stunden Hinfahrt jedes Wochenende, sind die einzigen Momente in denen – ich will es nicht Hoffnung nennen – aber in denen ich meinen Zustand als stabil bezeichnen würde.
Darf man das Wort Playouts in Ihrer Nähe überhaupt in den Mund nehmen?
Natürlich. Der Arno hat ja bisher jede Saison immer davon gesprochen. Nur fühlt es sich diesmal irgendwie anders an. Aber ich kann mir darunter ehrlich gesagt gar nichts vorstellen.
Apropos Arno Del Curto: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie sehen was über ihn und den Verein geschrieben wird?
Langsam aber sicher verstehe ich, was GC-Legende Ricci Cabanas bei seinem Ausraster gemeint hat. Etwas mehr Respekt vor dem Rekordmeister wäre schon angebracht. Aber wenn der Arno sagt, wir müssen jetzt unser Erstgeborenes opfern, damit der HCD wieder gewinnt – ich würde es tun.
Du liebe Güte. Haben Sie irgendwelche Tipps für andere Davos-Anhänger in derselben Situation?
In der Ex-Bar braucht es neu Gummistiefel. Die Tränen stehen dort Knöchelhoch. Aber das tut ihr euch besser nicht an. Deshalb: Rennt. Rennt so schnell ihr könnt und kehrt euch nicht um.