Belinda Bencic: «Ein zweites Mutterschafts-Comeback wird es nicht geben»
Nach zwei Wochen Ferien auf den Malediven ist Belinda Bencic schon wieder voll im Schuss. Soeben kommt sie vom Training in Monaco zurück in die Heimat. Ein Treffen am Flughafen bietet sich da am besten an. Im weissen Pullover, mit einem vierblättrigen Kleeblatt als Anhänger, macht sie es sich im Café der Ankunftshalle gemütlich. Glücklich ist die 28-jährige Ostschweizerin definitiv mit der ersten Saison nach der Geburt von Tochter Bella im April 2024. Sie gewann zwei Turniere, erreichte in Wimbledon die Halbfinals und ist bereits wieder die Nummer 11 der Welt.
Belinda Bencic, willkommen zurück in der Schweiz. Bei dem Wetter wären Sie wohl lieber im Süden geblieben?
Belinda Bencic: (lacht) Nein, gar nicht. An gewissen Orten schneit es ja ziemlich heftig, und ich sehe gerne Schnee.
Wie ist das eigentlich, wenn Sie reisen? Werden Sie oft von Leuten angesprochen?
Ab und zu mal, aber wenn ich nicht in den Tenniskleidern bin, eher nicht. Dann kommt das den Leuten gar nicht so in den Sinn. In der Schweiz schauen die Leute sowieso eher, als dass sie einen ansprechen.
Nach dem Gespräch mit Keystone-SDA wird Bencic im Café dann doch noch um ein paar Fotos gebeten. Eine Bitte, der sie gerne nachkommt.
Macht es einen Unterschied, ob Sie mit Ihrer Tochter unterwegs sind?
Ich weiss gar nicht. (überlegt) Ich bin dann so auf mein Kind konzentriert, dass ich gar nicht gross auf die Leute achte. Ich habe aber kein Problem damit, wenn jemand kommt und etwas fragt. Am schlimmsten ist es, wenn du gerade etwas abgebissen und im Mund hast. Das passierte zuletzt oft in China und Japan. Da waren am Frühstücksbuffet oft Fans dabei, die sind definitiv weniger zurückhaltend und machen einfach ihre Videos und so weiter. Die Leute dort sind sowieso sehr tennisbegeistert.
Wenn Sie dann bei der Siegerehrung in Tokio Ihre Tochter Bella mit auf den Platz nehmen, ist das ein bewusster Entscheid oder kommt das eher spontan?
Es war ein spezieller Moment. Ich merkte, wie alle stolz auf mich sind und wie wir das alles machen. Es ist eine Dankbarkeit, die wir als Familie verspüren, dass wir so eine gute Situation haben, dass alles klappt.
Alle Turniersiege von Belinda Bencic
Mit Kindern ist das ja nicht immer einfach.
Am Anfang dachte ich auch, das sei jetzt privat und ich würde nicht überall Bilder zeigen. Aber ich glaube, das ist nun mal das, was wir machen. Wir leben einfach unser Leben, und da hat es halt viele Medien und Fotografen. Es ist ein Leben in der Öffentlichkeit, da gibt es Plus und Minus. Aber wenn Martin (Hromkovic, ihr Ehemann) und Bella sowieso neben dem Platz sind, wäre es komisch für mich, nicht zu ihnen hinzugehen. Und irgendwann sagst du dir dann, wir können sie nicht verstecken. Wir haben keinen Plan oder so etwas, wir machen das einfach im Flow.
Wie viel bekommt Bella schon mit, zum Beispiel von den vielen Reisen?
Ich glaube, ein Kind, das eineinhalb Jahre alt ist, braucht eigentlich nicht mehr als seine Eltern. Es ist ihr ziemlich egal, wo sie jetzt aufwacht, ob in New York, Tokio oder wo auch immer. Das Wichtigste ist eigentlich, dass sie gut reist und es mit dem Fliegen gut geht.
Sie fliegen bestimmt ab und zu auch in der Business-Klasse. Manche sagen, das sollte mit Kindern nicht erlaubt sein. Hatten Sie schon negative Reaktionen?
Nein, und ich finde das auch nicht problematisch. Fliegen gehört nun mal zum öffentlichen Verkehr, wenn man keine Kinder dabei haben will, muss man den Privatflieger nehmen. Natürlich muss man schauen, dass Kinder die anderen Fluggäste nicht zu sehr stören, aber ich hatte noch nie ein schlechtes Gewissen. Ich muss aber auch sagen, dass es mit Bella sehr gut geht.
Im Herbst hatten Sie ein Mammutprogramm und gönnten sich danach mit Ihrem Ehemann zehn Tage Ferien auf den Malediven – ohne Töchterchen. Können Sie da komplett abschalten oder müssen Sie auch da immer ein bisschen trainieren?
Ich brauche immer drei Tage, um auch mental abzuschalten. Um das Handy wegzulegen, um nichts zu tun, um ein Buch zu lesen. Ich mache auch in den Ferien immer ein bisschen Konditionstraining, das ist so eine Gewohnheit des Berufs, würde ich sagen.
Sonst würde der Wiedereinstieg zu brutal.
Genau. Aber das ist eher ein Joggen am Morgen oder Übungen mit dem eigenen Gewicht. Das bin ich mir schon mein ganzes Leben gewöhnt, das brauche ich auch irgendwie, um gut in den Tag starten zu können.
Wie sehr haben Sie Ihre Tochter vermisst?
Ich glaube, das ist für jedes Mami gleich. Jedes Mami vermisst sein Kind jede Sekunde, wenn es nicht bei ihm ist. Aber die Ferien haben uns extrem gut getan. Auch, dass wir ein bisschen Zweisamkeit hatten und eben ein bisschen Pause vor dem nächsten Jahr, weil es natürlich genauso weitergeht und wir überall zusammen hinreisen werden. Dann gibt es die Ausnahme, dass ich auch einmal eine Woche alleine unterwegs bin. Das ist einfach mein Beruf, da muss ich professionell sein.
Dennoch sehen Sie Ihre Tochter an Tagen mit drei Stunden Training mehr als Mütter mit einem normalen Beruf.
(lacht) Es sind eher sechs Stunden Training. Aber das ist natürlich ein riesiges Privileg. Ich kann sie mitnehmen auf den Tennisplatz, ins Gym, unser Setup ist wirklich perfekt. Auch die riesige Unterstützung der ganzen Familie, vor allem von Omas und Opas, ist Gold wert.
Könnten Sie sich vorstellen, nochmal Mutter zu werden und danach ein zweites Comeback zu starten?
Nein.
Aber nach dem Ende der Karriere?
Sicher, das auf jeden Fall.
Nun stehen die ersten Weihnachten bevor, die Bella vielleicht schon ein wenig bewusst erlebt.
(lacht) «Ja, im Flieger. Wir fliegen am 24. Dezember ab, sind am 25. in China, wo es eine Exhibition mit Swiatek, Rybakina und ein paar Männern gibt. Und dann gehen wir für den United Cup (Bencic spielt im Mixed-Wettkampf mit Stan Wawrinka) nach Perth in Australien.
Die vergangene Saison war sehr erfolgreich. Aber gab es auch schwierige Momente?
Ich habe das Gefühl, es ist alles sehr, sehr glatt gelaufen. Natürlich verlief das US Open nicht so, wie ich mir das erhofft hatte (Niederlage in der 2. Runde). Aber das passiert in unserem Sport und wird auch im nächsten Jahr wieder passieren. Auch wenn du in Topform an ein Turnier gehst, kann an diesem Tag einfach jemand besser sein.
Was ist das Ziel für die kommende Saison?
Es geht immer weiter hoch. Das erste Ziel ist sicher der Angriff auf die Top Ten. Es braucht nicht mehr viel, aber trotzdem ist es nochmals ein Schritt.
Und der Welt noch einmal zeigen, wie erfolgreich eine Mutter sein kann?
Ich glaube, darum geht es nicht einmal. Im privaten Leben ist das sehr schön, aber auf dem Platz zählt das nicht, ob man Mami ist oder nicht. Als Tennisspielerin möchte jede einfach so erfolgreich sein wie möglich. (abu/sda)
