Horben, eine 1200-Seelen-Gemeinde im tiefen Schwarzwald. Hierhin hat sich die Schweizer Nationalmannschaft zur Einstimmung auf den Start in die WM-Qualifikation zurückgezogen. Und hier im Bürgersaal, zwischen dem Feuerlöscher an der Wand und ein paar Stapeln Stühlen, nimmt Manuel Akanji Platz. Zwei Tage nach dem Kurz-Abstecher ins mondäne Mailand, wo der 30-Jährige wenige Stunden vor Schliessung des Transferfensters den Leihwechsel von Manchester City zu Inter abwickelte.
Manuel Akanji, Sie müssen Nerven aus Stahl haben. Vor drei Jahren wechselten Sie auf den letzten Drücker von Dortmund nach Manchester, jetzt das gleiche Szenario beim Transfer nach Mailand.
Manuel Akanji: Ich vertraue gerne meinem Instinkt (lacht). Klar waren es hektische Wochen, aber ich blieb immer ruhig und vertraute darauf, dass doch noch die richtige Türe aufgehen wird. Schwierig war es eher für meinen Berater, der mir viele Angebote von Klubs vorlegte, ohne damit bei mir auf Begeisterung zu stossen.
Am Montagvormittag sind Sie erst nach Basel zur Nationalmannschaft gefahren. Heisst das, Sie rechneten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einem City-Abgang?
Als ich mich in Manchester von meiner Familie verabschiedete, ging ich tatsächlich davon aus, nach den Länderspielen dort wieder ins Training einzusteigen. Kurz nach der Ankunft bei der Nati rief mich mein Berater Francesco Moretti an, dass bei Inter Bewegung hereinkommt und etwas für mich gehen könnte. Ich war am Montag nur eine Stunde zum Mittagessen in Basel, dann ab nach Mailand zum Medizincheck und am Abend die Vertragsunterschrift. Ein Hin und Her.
Haben sich die Italiener am Montag das erste Mal gemeldet?
Nein, das Interesse war schon länger deponiert. Ich war sofort offen dafür, aber um mich zu verpflichten, mussten sie erst noch einen Verteidiger loswerden (Benjamin Pavard zu Marseille; d. Red.). Übrigens wäre ich wohl schon vor drei Jahren zu Inter gegangen, wenn nicht plötzlich Manchester City angerufen hätte. Und kein Witz: Mein erstes Fussballtrikot war jenes von Christian Vieri, der damals bei Inter Mailand gespielt hat.
«Inter oder kein Wechsel» – war das die Devise?
Oberste Priorität hatte, dass ich auf europäischem Toplevel weiterspielen kann. Also in einer Topliga und in der Champions League. Es gab viele Anfragen, Inter konnte meine Vorstellungen erfüllen. Ich bin da sehr klar und lasse mich nicht von meinen Vorstellungen abbringen, nur um einen Transfer durchzuboxen.
Bei einem Verbleib in Manchester hätten Sie vorerst wohl mit der Reservistenrolle vorliebnehmen müssen.
Mag sein, aber ich hätte mich der Herausforderung gestellt, um wieder auf dem Platz zu stehen. Der Konkurrenzkampf gehört auf diesem Level dazu, auch in Mailand werde ich keine Spielminuten geschenkt bekommen.
Hat ihr Ex-Nati-Kollege Yann Sommer Werbung für Inter gemacht?
Wir hatten Kontakt und freuen uns sehr, wieder zusammenzuspielen. Aber für Inter muss man keine Werbung machen: Der Klub stand in den vergangenen drei Saisons zwei Mal im Champions-League-Final, 2023 haben sie zu meinem Vorteil gegen City verloren (lacht). Sie sind regelmässig Meister, kommen im Cup weit – da musste ich nicht zweimal überlegen.
Im italienischen Fussball geniesst das Verteidigen seit je her einen hohen Stellenwert. Hat das auch für Inter gesprochen?
Ich freue mich primär, nach der Bundesliga und der Premier League eine dritte Topliga kennenzulernen. Obwohl ich 30 bin und viel gesehen habe, werde ich in Italien einiges dazulernen und mich hoffentlich nochmals verbessern.
Wie hat Ihre Familie auf den Wechsel reagiert?
Erst überrascht, aber dann waren sie schnell Feuer und Flamme. Am Montag ist meine Frau kurzfristig nach Mailand geflogen und meine Eltern sowie meine Schwester haben sich in Winterthur in den Zug nach Mailand gesetzt, um bei der Vertragsunterzeichnung dabei zu sein. Es war von daher nicht nur ein hektischer, sondern auch ein sehr schöner Tag für uns alle. Als Familie sind wir in Mailand wieder näher bei unseren Verwandten in der Schweiz, das ist das i-Tüpfelchen. Und nicht zuletzt hat der Verlobte meiner Schwester grosse Freude am Wechsel, er ist ein riesiger Inter-Fan.
Sie waren drei Jahre lang Stammspieler bei City, Trainer Pep Guardiola hat Sie stets in den höchsten Tönen gelobt. Und dann sitzen Sie plötzlich nur noch auf der Bank. Wie irritiert waren Sie?
Das ist Fussball, morgen kann alles anders sein als heute. Vor allem auf dem höchsten Level. In der Vorbereitung waren sechs Innenverteidiger im Kader, in Guardiolas Spielsystem sind nur zwei vorgesehen. Und weil auf dieser Position während eines Spiels nur im Notfall gewechselt wird, waren es letztlich zu viele.
Hat Guardiola Sie persönlich über Ihre Perspektiven informiert?
Er hat uns sechs Innenverteidigern klargemacht, dass zwei spielen und zwei auf die Bank kommen. Und dass es für den Rest schwierig wird. Das zu hören, war nicht schön, weil ich schon den Anspruch habe, immer auf dem Platz zu stehen.
Und warum setzt Guardiola auf andere und nicht mehr auf Sie?
Das müssen Sie ihn fragen.
Wie enttäuscht sind Sie über das abrupte Ende der dreijährigen Erfolgsstory mit Champions-League-Sieg, Meistertitel und so viel Spielminuten wie praktisch kein anderer Feldspieler?
Was heisst enttäuscht? Es ist im Moment noch schwierig zu realisieren, dass ich jetzt plötzlich nicht mehr ein Teil der City-Familie bin, gefühlt bin ich es ja irgendwie immer noch. Auch, weil ich am Montag in Mailand noch keinen der neuen Teamkollegen angetroffen habe, da alles so schnell ging und trainingsfrei war. Meine Familie und ich haben uns sehr wohlgefühlt in Manchester, wir werden das Leben dort schon vermissen. Und ich muss mich nach drei Jahren an neue Abläufe im Verein, an einen neuen Trainer, an die Teamkollegen und das neue System gewöhnen. Ich will mich aber unbedingt noch von den Mitspielern in Manchester verabschieden, vielleicht mit einem gemeinsamen Abendessen. In den nächsten Wochen wird das wegen des engen Spielplans schwierig zu realisieren sein, aber nochmals alle zu sehen ist mir ein grosses Anliegen.
Sie rechnen also nicht damit, nach Ablauf der einjährigen Leihe zu City zurückzukehren?
Das ist Zukunftsmusik, ich denke nur an die Gegenwart. Fakt ist: Ich bin an Inter ausgeliehen, theoretisch ist eine Rückkehr nach Manchester also möglich.
Apropos Gegenwart: Am Freitag geht es los mit der WM-Qualifikation. Wie wichtig ist das Startspiel gegen Kosovo?
Es sind insgesamt nur sechs Spiele, Ausrutscher können wir uns wohl keine erlauben. Ich erwarte sechs Punkte gegen Kosovo und Slowenien, das muss das Ziel sein. (riz/aargauerzeitung.ch)
Alles richtig gemacht wie schon bei seinem Abgang aus Dortmund 👍👍