144 Millionen Euro bezahlt der FC Liverpool für Alexander Isak und macht den Schweden mit eritreischen Wurzeln damit zum viertteuersten Transfer überhaupt und zum teuersten Premier-League-Einkauf der Geschichte. Newcastle rechnet gar mit Einnahmen in Höhe von knapp 149,5 Millionen Euro, weil es sich eine Bonuszahlung an den Mittelstürmer, der seit Juli streikte und weder an der Vorbereitungstour noch an den ersten drei Pflichtspielen teilnahm, spart.
Es sind schwindelerregende Summen und Kritiker, die finden, kein Mensch sei so viel Geld wert, haben wohl nicht Unrecht. Gerade, wenn man die Löhne der Fussballer mit jenen von Normalsterblichen vergleicht. Doch die Realität ist eben eine andere: Fussball ist längst ein Milliardengeschäft.
Um zu verstehen, weshalb Isak dem amtierenden englischen Meister, der in diesem Sommer nun 481,9 Millionen Euro ausgegeben hat, so viel Geld wert ist, gilt es zwei Aspekte zu beachten: Einerseits die Summen, die auf dem Transfermarkt mittlerweile bezahlt werden. Andererseits die überragenden Qualitäten, über die Isak verfügt.
Alleine in diesem Sommer investierten die 20 Premier-League-Klubs fast 3,59 Milliarden (!) Euro in die Ablösesummen für neue Spieler. Auch vermeintlich weniger bekannte Spieler wie Anthony Elanga, Martin Zubimendi oder Bryan Mbeumo kosten mittlerweile über 60 Millionen Euro. Für Nick Woltemade bezahlte Newcastle 85 Millionen Euro. 2009 bekam Real Madrid für diesen Betrag fast Cristiano Ronaldo. Doch sind die Einnahmen der Klubs gerade in England in den letzten 16 Jahren vor allem aufgrund der Fernsehgelder explodiert.
«The Athletic» analysierte im Frühling 2022 gemeinsam mit Fussball-Finanzexperte Kieran Maguire, wie viel Geld die früheren Transfers der Premier League im modernen Fussball kosten würden. Demnach hätte Newcastle im Jahr 1996 nicht 15 Millionen, sondern 222 Millionen Pfund für Blackburns Alan Shearer bezahlen müssen. Nach heutigem Kurs wären das 255 Millionen Euro – also nochmal deutlich mehr als bei Isak. Shearer, Rekordtorschütze des englischen Oberhauses, sei der teuerste Transfer in der Premier-League-Geschichte nach dieser Rechnung. Isak wäre am ehesten mit Rio Ferdinand, der 2000 für 26 Millionen Euro von West Ham nach Leeds gewechselt ist, vergleichbar.
Durch den Einbezug der Inflation des finanziellen Volumens im Fussball, wird die Ablösesumme für Liverpools neuen Rekordeinkauf, der ausserdem noch drei Jahre Vertrag hatte, etwas in Relation gesetzt. Doch das erklärt noch nicht, weshalb die Reds ausgerechnet für Alexander Isak so viel Geld bezahlen.
Kurz gesagt: Der bald 26-Jährige verfügt über alle Qualitäten, die ein moderner Stürmer mitbringen sollte. Oder wie Newcastle-Legende Alan Shearer bei der BBC auf den Punkt bringt:
Isak erzielte in den letzten beiden Saisons 44 Ligatore, was nur von Erling Haaland (49) und seinem neuen Teamkollegen Mohamed Salah (47) übertroffen wird. Der 52-fache Nationalspieler stellte seine Torgefahr also bereits auf höchstem Niveau unter Beweis. So wie seine Vielseitigkeit.
Denn der schmächtige 1,92-Meter-Mann erzielte seit seiner Ankunft im Sommer 2022 so viele Tore aus dem Spiel von ausserhalb des Strafraums wie kein anderer Premier-League-Spieler. Zudem trifft er per Kopf und erzielt auch die «hässlicheren Tore», wie Newcastle-Coach Eddie Howe sie nennt. Isak erklärte im letzten Sommer:
Von seinen wettbewerbsübergreifend 27 Treffern im letzten Jahr schoss er acht im Fünfmeterraum und 19 mit der ersten Ballberührung. «Er ist zu jeder Zeit eine konstante Bedrohung», sagte Shearer einmal bei BBC über seinen Nachfolger im Newcastle-Sturmzentrum, «seine Abschlüsse sind exzellent und er ist selbstbewusst.»
Gleichzeitig ist der Schwede ein spielstarker Stürmer, der ins Passspiel eingebunden werden und sich Chancen dank Dribblings auch selbst herausspielen kann. In der letzten Saison hatte in der Premier League kein Mittelstürmer gemäss fbref.com mehr Aktionen, die zu einem Schuss oder zu einem Tor führten, als Isak. Die Fussballdatenbank zeigt auch auf, in wie vielen Belangen der neue Liverpool-Star zu den besten Stürmern der Welt gehört. Lediglich in der Defensivarbeit fällt er etwas ab.
Seine Stärke am Ball hat Isak auch Jugendklub AIK Stockholm zu verdanken. Dort liess man ihn auch mal im Mittelfeld agieren. «Wir wollten, dass er ein 360-Grad-Bewusstsein hat», erklärte Nachwuchschef Peter Wennberg. Isak sollte nicht zu stark von seiner Geschwindigkeit abhängig sein. «Er war danach stärker ins Spiel involviert, musste seine Ballannahme verbessern und auf engerem Raum agieren», berichtet Wennberg. Dies sind nun alles Stärken des Stürmers, der auch mit Läufen abseits des Balls und dem Erkennen von Räumen glänzt.
Dass sich Isak mit seinem Verhalten vor dem Wechsel zu Liverpool nicht überall Freunde gemacht hat, ist klar und verständlich. Doch den Reds um Trainer Arne Slot und Sportdirektor Richard Hughes scheint dies keine Sorgen zu machen. Auch Newcastle bewies durch die Verpflichtung des bei Brentford ebenfalls streikenden Yoane Wissa, dass sie dieses Vorgehen wohl nicht ganz so kritisch sehen.
Isak zeigte sich am Montagabend schlicht glücklich, dass das lange Warten auf einen Wechsel, den er sich schon länger wünschte, ein Ende hat:
Der Stürmer wechselte im Januar 2017 als 17-Jähriger zu Borussia Dortmund, wo er sich aber nicht durchsetzen konnte. Nach einer Leihe bei Willem II in der Niederlande wechselte er zu Real Sociedad. Dort gelang ihm der Durchbruch. Vor drei Jahren überwies Newcastle dann 77,5 Millionen Euro ins Baskenland.
Bei den Magpies war Isak einer der grossen Leistungsträger und Hauptgründe auf dem Weg zur ersten Champions-League-Teilnahme seit 2002/03 und dem ersten Titel seit 70 Jahren. Beim 2:1-Finaltriumph im Ligacup im vergangenen Februar gegen Liverpool erzielte Isak ein Tor. Das reicht dem ehrgeizigen Jungstar aber noch lange nicht. «Ich will alles gewinnen», sagte er bei seiner Vorstellung in Liverpool.
An der Anfield Road verstärkt Isak eine ohnehin schon überragend besetzte Offensive. Auch für Florian Wirtz (125 Millionen Euro) und Hugo Ekitiké (95 Mio.) investierte Liverpool, das durch Verkäufe auch über 200 Millionen Euro einnahm und auf tragischste Weise zudem Diogo Jota verlor, eine Menge Geld. Dazu kommen Superstar Mohamed Salah und Flügelspieler Cody Gakpo. Alle fünf Offensivspieler gleichzeitig werden wohl nur selten auf dem Feld stehen. Besonders Ekitiké und Isak scheinen auf den ersten Blick nicht besonders gut zusammenzupassen, da sie beide Mittelstürmer sind.
Doch einerseits war Ekitiké zuvor der einzige nominelle Mittelstürmer im Kader und andererseits weichen sowohl der Ex-Frankfurter als auch der Rekordtransfer gerne mal auf die Flügel aus, bieten sich auch dort an. Dies kann Salah, Wirtz oder Gakpo dabei helfen, ihre Torgefahr im Zentrum auszuspielen. Ekitiké spielte schon in der Bundesliga neben Omar Marmoush. Für Trainer Slot eröffnen sich durch seine neuen Stars also ganz neue Möglichkeiten, nachdem er bisher fast immer auf eine 4-2-3-1-Formation gesetzt hat.
Diese 455-Millionen-Offensive wird für die Gegner kaum noch auszurechnen sein, da jeder einzelne Spieler für geniale Momente sorgen kann. Damit soll dem Premier-League-Leader nicht nur die Titelverteidigung gelingen, sondern auch der siebte Champions-League-Triumph. Und das kostet im modernen Fussball nun mal sein Geld.