Armon Orlik lädt zwei Tage nach seinem Triumph zur Audienz in die Schwinghalle Rüfeli in Untervaz. Die neue Trainingsanlage seines Schwingklubs Unterlandquart ist der ideale Ort, um über seinen grössten Erfolg zu reden. Der Holzbauingenieur nahm als Teil des Planungsteams und Helfer eine wichtige Rolle bei deren Bau ein.
Schwingerkönig Armon Orlik, haben Sie sich schon an diese Bezeichnung gewöhnt?
Armon Orlik: Nein, aber es tönt sehr schön. Schwingerkönig zu werden, ist der grösste Erfolg, den es in unserem Sport gibt. Deshalb bin ich überglücklich, auch weil dies mein lange gehegter Traum war.
König bleibt man ein Leben lang.
Genau. Zudem ist das Eidgenössische das einzige Schwingfest, das zwei Tage dauert. Diese zwei Tage entscheiden über Sein oder Nichtsein. Es muss alles zusammenpassen, damit einem der Königstitel verliehen wird. Danach interessiert es niemanden mehr, wer wo wie viele Punkte verschenkt hat.
Muni Max, die riesige Holzkonstruktion dürfte Ihnen als Holzbauingenieur besonders ins Auge gestochen sein.
Ich fand das Objekt schon vorher toll. Jetzt als König habe ich einen ganz anderen Bezug zu Max. Leider erfuhr ich erst spät vom Projekt, auch wenn ich als Holzbauingenieur wohl eher nicht gefragt gewesen wäre in der Mitgestaltung. Ich werde Max’ Weg sicher weiterverfolgen.
Sie wurden als Schlussgangteilnehmer übergangen. Ihre Verbandskollegen Werner Schlegel und Samuel Giger erhielten den Vorzug. Haben Sie das verstanden?
Mir wurde erklärt, dass Werner Schlegel das beste Notenblatt habe. Zwischen mir und Samuel Giger gab es einen Stichentscheid, der für Samuel ausfiel. Das konnte ich nachvollziehen. Aber im Nachhinein fand ich meine Nichtberücksichtigung nicht mehr so schlimm. (lacht)
Weil sie Ihnen indirekt zum Titel verhalf.
Genau. Weil der Schlussgang gestellt endete.
Damit haben Sie nicht gerechnet, oder?
Nein, ich dachte sogar, dass es schnell eine Entscheidung gebe. Aber umso schöner für mich.
Wussten Sie Bescheid, dass Sie auch ohne Schlussgangteilnahme König werden könnten?
Ja. Man hat mir gesagt, dass der alleinige Punktbeste zum König erklärt wird. Damit wusste ich, dass ich immer noch König werden konnte, wenn ich mit der Maximalnote zehn gewinne.
Wie steckten Sie Ihre Enttäuschung vor dem letzten Gang weg?
Im Moment, als uns der Schlussgang genannt wurde, brach für mich innerlich eine Welt zusammen. Äusserlich behielt ich jedoch die Fassung und gratulierte meinen Kollegen. Weil ich wusste, dass mir eine Minimalchance bleibt, konzentrierte ich mich voll auf den Gang gegen Pirmin Reichmuth.
Mit Erfolg, womit Sie einmal mehr Ihre mentale Stärke bewiesen. Wie arbeiten Sie in diesem Bereich?
Mir wurde nach den zwei Schlussgang-Niederlagen an Eidgenössischen Anlässen (Jubiläumsfest 2024, ESAF 2016, d. Red.) auch schon vorgeworfen, ich habe mental versagt. Ich fragte mich: Soll ich mit einem Mentalcoach zusammenarbeiten? Ich kam zum Schluss, dass ich das selber machen will. Das ist mein Weg.
Wie haben Sie das angestellt? Sie sind ja nicht vom Fach.
In erster Linie setzte ich mich mit jenen Situationen auseinander, in denen ich scheiterte. Ich schreibe dann meine Überlegungen und Erfahrungen in ein Notizbuch. Auch, was ich in einer solchen Situation besser machen will, wenn sie wieder kommen.
Sie formulierten schon vergangenes Jahr das Ziel «Schwingerkönig».
So wusste mein Umfeld, worum es mir geht. Zudem half mir dieses geäusserte Ziel als Motivation und Ansporn in den Trainings.
Mehrmals hoben Sie das Team der Nordostschweizer hervor. Weshalb ist die Mannschaft so wichtig, um König zu werden?
Man braucht starke Trainingskameraden, um besser zu werden. Und das Teamziel, den König zu stellen, gab allen Topathleten einen zusätzlichen Schub. Denn wenn der König aus den eigenen Reihen kommt, ist auch die Chance grösser, dass man selbst König wird.
Am Samstagmorgen liefen Sie neben Samuel Giger, Werner Schlegel und Damian Ott ein.
Das war ein sehr gutes Bild. Das war nicht meine Idee, aber ich fand das Zeichen toll. Wir wollten vorangehen, die Chefs sein und Einigkeit ausstrahlen. Ich denke das ist uns gelungen.
Dazu passte das Schlussbild, als die Schlussgangteilnehmer Werner Schlegel und Samuel Giger Sie schulterten.
Was für ein Moment, was für ein Bild! Wir waren die ganzen zwei Tage über nie alleine. Das hilft enorm. Der Zusammenhalt macht uns besser. Man möchte auch für das Team stark sein.
Welche Gänge in Mollis forderten Ihnen am meisten ab?
Den ersten Gang (Sieg gegen Matthias Aeschbacher, d. Red.) möchte ich erwähnen, weil dieser immer speziell ist. Einerseits konnte ich mir gegen einen Topmann einen kleinen Vorsprung für den weiteren Festverlauf verschaffen, andererseits ist man noch nicht richtig im Fest drin. Mental ist das sehr aufwühlend.
Welcher noch?
Im letzten Gang war besonders viel Druck vorhanden. Ich wusste, dass ich gegen Pirmin Reichmuth mit der Zehn gewinnen musste. Gegen so einen grossen und schweren Athleten ist die wahrscheinlichste Siegchance ein Konter. Rasch merkte ich aber, dass Pirmin nicht zieht. Ich musste also voll ins Risiko gehen. Dies erforderte viel Mut und Überwindung.
Nach dem Fest wurden Sie mit Gratulationen überschüttet. Welche Geste ist Ihnen geblieben?
Besonders berührt hat mich, dass mich meine Schulkollegen aus der Zeit am Gymnasium in Schiers im Festzelt in Mollis überraschten. Uns verbindet eine gute und lange Freundschaft.
Sie verlegten Ihren Lebensmittelpunkt vor drei Jahren nach Jona. Weshalb?
Ich wollte weg aus meiner Heimat, um neue Reize zu setzen. In Jona liegt nun alles in Velodistanz. Athletiktrainer Robin Städler, das Holzbauingenieurbüro, wo ich arbeite, sowie meine Wohnung. Zudem habe ich es nicht weit in die Schwingtrainings.
Sind Sie ein passionierter Velofahrer?
Ja, ich fahre täglich Velo. Meist zur Arbeit und ins Training, selbst bei schlechtem Wetter. Auch in der Freizeit bin ich gerne auf zwei Rädern unterwegs.
Sie sind Mitglied im Verein Pro Velo in Rapperswil-Jona.
Ja, mich interessiert dieses Thema und ich finde es wichtig, dass sich Städte wie Rapperswil-Jona für die Belange von Velofahrenden starkmacht. Das möchte ich mit meiner Mitgliedschaft unterstützen.
Weshalb fahren Sie nicht gerne Auto?
Es macht mir nichts aus, mit dem Auto zu fahren. Ich finde einfach, dass es für mich keinen Mehrwert hat. Wenn es nicht zwingend ist, verzichte ich lieber auf das Auto.
Auch in Mollis waren Sie mit dem Velo unterwegs.
Ich hatte die perfekten Bedingungen mit einem Appartement in Glarus. Dort genoss ich meine Ruhe. Ein willkommener Nebeneffekt war, dass ich mit dem Velo auf das Festgelände fahren konnte.
Es braucht viele Leute, um Erfolg zu haben. Wer gehört zu Ihren wichtigsten Bezugspersonen?
Ein gutes Umfeld ist entscheidend. Ich behaupte, dass ich das perfekte Umfeld habe. Es fängt bei Athletiktrainer Robin Städler an, der alles im Griff hat. Dann kommen die angesprochenen Trainingskameraden, die einen anspornen. Zudem durften wir in den Schwingtrainings von der Expertise Jörg Abderhaldens und Beat Schläpfers profitieren. Nicht zu vergessen sind natürlich die Sponsoren und mein Arbeitgeber und nicht zuletzt meine Familie und Freunde.
(bzbasel.ch)