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Dominik Paris im Interview: Bin ich noch schnell genug für die Jungen?

epa11032530 Winner Dominik Paris of Italy reacts in the finish area during the Men's Downhill race at the FIS Alpine Skiing World Cup in Val Gardena, Italy, 16 December 2023. EPA/LUCIANO SOLERO
In dieser Saison gehört Dominik Paris wieder zu den schnellsten Abfahrern.Bild: keystone
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Ski-Star Dominik Paris fragt sich: «Bin ich noch schnell genug für die jungen Burschen?»

In Kitzbühel gehört Dominik Paris zu den Favoriten. Im Interview spricht der Italiener über Risiko, Heavy Metal und seine Rolle als Vorbild. Und er verrät, warum Marco Odermatt ein so guter Skifahrer ist.
18.01.2024, 20:16
Martin Probst / ch media
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Fast könnte man meinen, es sei arrangiert. Gerade als Dominik Paris über seine Vorbildfunktion spricht, kommen zwei Kinder an den Tisch und fragen nach einem Autogramm. Paris nimmt sich gerne Zeit. Er sagt: «Ich suche das Rampenlicht nicht. Aber Begegnungen mit Kindern sind schön.»

Wenn Sie am Freitag in Kitzbühel die Abfahrt bestreiten, wird Beat Feuz Ihre Fahrt als Experte im Fernsehen kommentieren. Sie beide sind befreundet. Haben Sie sich einmal angehört, was er über Sie zu sagen hat?
Dominik Paris:
Ja, einmal, nach meinem Sieg in Gröden. Ich muss sagen: Er macht das gut.

Beat Feuz hat in der vergangenen Saison seine Karriere beendet. Gab es einen Moment, als Sie dachten, ich mache es wie er? Schliesslich hatten Sie einen schwierigen Winter und quälten sich mit Selbstzweifeln.
Nein, das nicht. Aber es war schon speziell, dass mit Feuz, Matthias Mayer und Mauro Caviezel mehrere Athleten aufgehört haben, mit denen ich mich jahrelang gemessen habe. Es kamen viele Sachen zusammen.​

War es wirklich so schlimm? Die Resultate waren nicht durchs Band schlecht.
Sagen wir es so: Wenn man in seiner Karriere schon grosse Erfolge gefeiert hat, beurteilt man die eigene Leistung vermutlich negativer als sie ist. Mich haben aber nicht meine Platzierungen genervt. Es waren die zeitlichen Abstände zu den Besten, die mir zugesetzt haben. Ich habe mich gefragt: «Bin ich noch schnell genug für die jungen Burschen?»​

In dieser Saison haben Sie erstmals Ihr Heimrennen in Gröden gewonnen und waren in der Lauberhorn-Abfahrt Dritter. Es zeigt, Sie können noch mithalten. Wie haben Sie aus dem Leistungstief gefunden?
Indem ich mich selbst hinterfragte. Es bringt nichts, den Fehler bei anderen zu suchen oder zu jammern, dass einer schneller ist. Das Formtief hat einen Hintergrund und den muss man herausfinden. Und das macht es spannend. Weil es Details sind, die viel bewirken. Im Sommer habe ich alles ein bisschen umgestellt. Ich wollte neue Impulse setzen, ein wenig anders trainieren und schauen, was dabei herauskommt.

Sie haben die Abfahrt in Kitzbühel schon dreimal gewonnen. Nirgendwo sonst ist das Risikomanagement wichtiger als auf der Streif. Wie machen Sie das?
Das geht alles über das Vertrauen. Nehmen wir Marco Odermatt. Er hat momentan das Vertrauen, dass alles, was er macht, passt. Das Vertrauen lässt es zu, die Grenzen auch einmal auszureizen. Wenn das Vertrauen nicht vorhanden ist, wird es gefährlich, wenn man das Limit sucht.​

«Feuz sagte vor einigen Jahren zu mir über Odermatt: ‹Da kommt ein Junger, der ist richtig, richtig gut.›»

Kann man das lernen?
Ich denke schon. Als junger Athlet gibst du einfach Gas. Irgendwann bist du schnell und weisst eigentlich nicht wirklich, wieso. Mit den Jahren entwickelt man eine Technik, die man richtig gut beherrscht. Das gibt Vertrauen. Mittlerweile bin ich auch schnell, wenn ich normal fahre.

Sie haben Marco Odermatt erwähnt. Wann wurde Ihnen klar, wie gut er ist?
Beat Feuz kam vor einigen Jahren zu mir und sagte: «Da kommt ein Junger, der ist richtig, richtig gut.» Ich habe Odi dann beim nächsten Rennen beobachtet. Mir wurde schnell klar, wie intelligent er als Skifahrer ist. Er kann nicht nur schnell skifahren, sondern auch sehr schnell lernen.

The winner Marco Odermatt of Switzerland reacts with third placed Dominik Paris of Italy during the Awards ceremony of the men's downhill race at the Alpine Skiing FIS Ski World Cup in Wengen, Sw ...
In Wengen standen Marco Odermatt und Dominik Paris gemeinsam auf dem Podest.Bild: keystone

Sie waren als Jugendlicher ein wilder Kerl. Sie haben gerne getrunken, waren oft im Ausgang und hatten einmal grosses Glück, als Sie einen Unfall mit einer Vespa überlebten. War das der Schlüsselmoment, der Sie veränderte?
Nein, da war ich 14 und konnte schon nach drei Monaten wieder auf die Ski. Der Schlüsselmoment war, dass mich plötzlich Athleten überholten, die schlechter waren als ich. Ich wollte immer Skiprofi werden. Aber manchmal ging mein Fokus nach links und rechts. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich etwas verändern muss. Ich sagte mir: Entweder du setzt jetzt einen Schlusspunkt hinter das Leben voller Ablenkungen oder du musst dir einen normalen Job suchen. Also habe ich mich mit 18 entschieden, in die Schweiz zu gehen.​

Sie verbrachten einen Sommer auf einer Alp am Splügenpass. Was ist dort mit Ihnen passiert?
Ich bin vom Jugendlichen zum Erwachsenen geworden. Ich hatte ein Ziel vor Augen. Ich wusste, ich muss alles tun, um fit zu werden. Ich habe 14 Kilogramm abgenommen. Dass ich das durchgezogen habe, hat mich verändert. Als ich zurückkam, war ich reif genug, um zu meinen Kollegen zu sagen: «Schaut, ich bleibe heute zu Hause, ich muss morgen fit sein.»​

Wieso gerade die Schweiz?
Wäre ich bei mir zu Hause im Südtirol auf eine Alp, hätte ich einfach zu meinen Kollegen runterfahren können. Ich brauchte die Distanz, um nicht in Versuchung zu kommen.​

«Meine Mutter hat geschaut, dass ich die Schule nicht zu sehr vernachlässige. Damals hat mich das genervt. Heute bin ich sehr dankbar dafür.»

Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, auf eine Alp zu gehen?
Ich war schon als Bub, also mit zwölf oder dreizehn, auf einer Alp in Italien und das hat mir sehr gut gefallen. Es ist der ideale Ort, um fit zu werden. Man hat ein tägliches Programm, aber man hat auch Zeit, zu trainieren. In der Früh kümmerte ich mich um das Vieh, dann hatte ich Zeit für mich. Und am Nachmittag kümmerte ich mich wieder um die Tiere.​

Haben Sie rückblickend die verrückte Jugend gebraucht, um Skiprofi zu werden?
Es war ein Lebensabschnitt, den ich nie vergessen werde. Einer, in dem viel passiert ist und eine Zeit, in der ich sehr viele Dinge gelernt habe.​

Heute sind Sie selbst Vater von zwei Buben. Jetzt könnten Sie doch allen Eltern den ultimativen einen Tipp geben, wie man es schafft, dass die Kinder nach der Pubertät vernünftig werden.
(Lacht.) Schwierig, echt schwierig. Ich glaube, wichtig ist, dass man sich bewusst ist, was in den Kindern vorgeht und wie sie sich fühlen. Und wenn sie einmal vom Weg abkommen, kann man sie darin bestärken, dass es auch eine andere Richtung gibt. Mein Vater hat mir immer wieder bewusst gemacht, was mir der Skisport bedeutet. Und meine Mutter hat geschaut, dass ich die Schule nicht zu sehr vernachlässige. Damals hat mich das genervt. Heute bin ich sehr dankbar dafür.

Wenn Sie daran denken, wie verrückt Sie waren, macht Sie das zu einem ängstlichen Vater?
Ängstlich würde ich nicht sagen. Aber logisch: Wenn ich so drüber nachdenke, wie ich als Bub unterwegs war, wie viel Blödsinn ich gemacht habe, ist das schon ein spezielles Gefühl. Aber ich will meinen Kindern Freiheiten lassen. Ich versuche in solchen Momenten, zweimal leer zu schlucken. Ich will nicht ständig sagen: «Passt hier auf und dort!» Aber natürlich: Wenn es richtig gefährlich wird, greife ich ein.

Dominik Paris ITA out Audi FIS Alpine Ski World Cup, Men�& x80& x99s SuperG race on Bormio, December 29, 2023, Valtellina, Italy. during AUDI FIS Ski World Cup - Men s SuperG, Alpine Ski race  ...
Dominik Paris ist Vater zweier Kinder.Bild: www.imago-images.de

Ihr Bruder starb bei einem Motorradunfall. Hat sich damit Ihr Blick auf die eigene Sterblichkeit verändert? Sie betreiben als Abfahrer einen Hochrisikosport.
Nein, gar nicht. Das kann man nicht vergleichen. Wir fahren auf einer abgesperrten Piste. Beim Motorradfahren gibt es Verkehr und es kann etwas passieren, ohne dass man selbst schuld daran ist. Ich würde mir nie ein Motorrad kaufen. Mir hat es damals nicht gefallen, als sich mein Bruder eines kaufte.​

Sie sind Sänger in einer Heavy-Metal-Band. Hilft das Schreiben bei der Verarbeitung?
Natürlich fliessen in meine Texte Dinge ein, die ich erlebt habe. Auch die Tiefpunkte. Aber ob es mir hilft, diese besser zu verarbeiten, würde ich bezweifeln. Die Musik hilft mir, den Kopf freizukriegen. Mit Musik kann ich aus der Welt des Skisports ausbrechen und in eine andere eintauchen.​

«Bei der Musik und beim Skifahren gebe ich Vollgas. Privat bin ich aber eine ruhige Person.»

Ist es ein vergleichbares Gefühl, wenn Sie als Musiker auf die Bühne gehen, wie wenn Sie in Wengen von Tausenden Menschen gefeiert werden?
Nein, es ist total etwas anderes. Als Musiker bin ich dem Publikum näher. Ich will die Energie unserer Musik auf die Leute übertragen. Sie sollen spüren, was wir machen und im besten Fall eine Reaktion zeigen. Diese Auftritte machen mich ziemlich nervös. Aber sie sind nicht zu vergleichen mit der Anspannung, wenn man am Start einer Abfahrt steht.​

Geniessen Sie das Rampenlicht?
Ich suche es nicht, aber ich schätze die Aufmerksamkeit. Wenn die Leute auf mich zukommen und mich kennen, ist es ein Zeichen dafür, was ich geleistet habe. Am liebsten sind mir die Begegnungen mit Kindern. Wenn ich ihre Begeisterung sehe und spüre, dass ich ihr Vorbild bin, macht mich das sehr stolz. Aber generell habe ich es lieber ruhig.​

Das kann man sich fast nicht vorstellen, wenn man Sie singen hört. Sie schreien mehr, als dass Sie singen. Gibt es eigentlich jemand, der Sie versteht?
Wenn man die Texte liest und dann zuhört, schon. Bei der Musik und beim Skifahren gebe ich Vollgas. Privat bin ich aber eine ruhige Person.

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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stanislav.petrov
18.01.2024 20:36registriert März 2019
Schon immer einer der Sympahtischsten. Legende.
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Etzsegiglichöpis
18.01.2024 20:56registriert September 2020
Den muss man einfach gerne haben, wenn man ihm zuhört. Früher möchte ich nicht weil er auch öfters Mal schneller als die Schweizer war😉
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