Ihm reichten fünf Worte. Als Jürgen Klopp im Herbst 2015 den FC Liverpool übernahm, gab er sich einen Spitznamen. In Anlehnung an den über Gebühr selbstbewussten José Mourinho, der sich in England als «The Special One» vorstellte, meinte Klopp ganz bescheiden: «I am the Normal One.»
Der Deutsche hatte die Lacher auf seiner Seite und mit dem Spruch hatte er sich auf der Insel auch gleich positioniert. Er kam von Borussia Dortmund, einem Klub, der mehr als viele andere Vereine besonders nahe bei seinen Fans scheint. Und er ging zu Liverpool, einem anderen unbestrittenen «Klub des Volkes».
Klopp war ein Mann der Emotionen und ein Mann der Menschlichkeit. Er stand immer auf der richtigen Seite und war Everybody's Darling. Ziemlich sicher wünschten sich auch Fans der grössten Rivalen seiner Klubs, dass er einmal bei ihnen das Ruder übernehmen würde.
Als Menschenfänger begeisterte er Anhänger und sorgte bei seinen Spielern für Höchstleistung. Mit dem BVB wie auch mit Liverpool feierte er grosse Erfolge. Bei den «Reds» ist er ein Heiliger, weil er den Klub nach 30 langen Jahren des Wartens erlöste und ihn 2020 endlich wieder zum englischen Meister machte.
Aber es waren nicht nur die Trophäen, die Jürgen Klopp zum Fan-Liebling machten. Schon in Dortmund spielte er mit seinem Image als Normalo, etwa indem er eine Kappe mit dem Wort «Pöhler» trug. Der Ausdruck bezeichnet einen mässig begabten Kicker, mehr Haudrauf als Filigrantechniker. So einer war Klopp einst als Verteidiger und nun zeigte er mit Selbstironie, dass ihm das Urteil anderer egal war. Die Dächlikappe wurde zum Verkaufsschlager.
Fast schien es manchmal, dass Jürgen Klopp einer der letzten «Guten» im Fussballgeschäft ist, dieser Schlangengrube voller geldgieriger Menschen, bei der es nur darum geht, immer noch mehr Kohle zu machen.
Gut, Klopp war da keine Ausnahme. Er verdiente bei seinen Klubs bestimmt so viel Geld, dass mein Kollege Klaus Zaugg den 57-Jährigen gefahrlos als einen «Mann mit abgeschlossener Vermögensbildung» bezeichnen könnte. Dazu kamen unzählige Werbeverträge, die dazu führten, dass Klopp manchmal in einem Werbeblock mit sieben Spots in vieren davon zu sehen war.
Das hätte uns eine Warnung sein müssen. Aber wir liessen uns alle von seinem Wesen blenden. Das ist keine Anspielung auf Klopps gemachte Zähne, die für grosse Verwechslungsgefahr mit einem mit allen Wassern gewaschenen Occasions-Verkäufer sorgen. Vielleicht ist es das doch, denn so wie dieser uns eine alte Blechkiste als rasanten Sportwagen andrehen will, zog Klopp uns alle über den Tisch.
Er ist gar kein Besonderer! Er verlässt das Gute und wechselt zu den Bösen, fast wie wenn Mutter Teresa Türsteherin bei den Hells Angels geworden wäre. Er lässt sich von Red Bull kaufen, dem ultimativen Bad Guy der Szene. Er springt dem Geld hinterher, von dem er doch schon genug haben sollte.
Jürgen Klopp macht damit das, was ganz viele auch machen würden, bekämen sie die Möglichkeit. Er ist … also tatsächlich nur ein «Normal One».
Man kann es bedauern, dass damit ein weiteres Stück Fussballromantik gestorben ist. Und wie um dem die Krone aufzusetzen, wird in der Jobbezeichnung das US-Wort für Fussball verwendet: «Global Head of Soccer». Aus Sicht von Red Bull ist das Engagement jedenfalls ein Coup, Klopp hätte wohl jede Mannschaft der Welt übernehmen können, hätte er es gewollt. Nach einem Vierteljahrhundert als Trainer suchte er aber noch einmal eine neue Betätigung.
Arbeitet er so erfolgreich wie in seinem bisherigen Metier, muss sich die Konkurrenz warm anziehen. Geld ist schliesslich kein Thema beim Energydrink-Hersteller, der im letzten Jahr rund 2,4 Milliarden Gewinn erwirtschaftet hat und der Fussballklubs zum Zweck gegründet hat, seine Marke noch bekannter zu machen. Und viel Geld gepaart mit viel Know-how ist die Grundvoraussetzung für Erfolg auf höchster Ebene. Ob es gelingt, durch einen so populären Mann auch als Konstrukt an Beliebtheit zu gewinnen, steht auf einem anderen Blatt.
If only there was a drink for that… pic.twitter.com/FgZvvBEU9X
— Ronan Murphy (@swearimnotpaul) October 9, 2024
Romantikern bleibt nur die Hoffnung. Dass Deutschlands Nationalelf in die Krise rutscht, der DFB bei Jürgen Klopp vorstellig wird und dieser die angeblich im Vertrag vereinbarte Ausstiegsklausel nutzt und als Bundestrainer an die Seitenlinie zurückkehrt. Klar ist aber auch: Selbst in diesem Fall würden Klopp nicht mehr einfach so alle Herzen zufliegen. Seinen bislang fast tadellosen Ruf hat er sich fürs Erste gründlich ruiniert.
Nö, liess ich mich nicht. Weiss nicht, wie man auf diese Annahme kommt.
100x lieber Leipzig mit ihrem sensationellen Scouting als die Verbrecher von Man City.
RB mag keine Tradition haben, aber sie haben mehr Konzept wie die meisten Konkurenten. Mich überrascht nicht, dass die Leitung aller RB-Fussballfilialen ein spannender Job ist, wo es eben um mehr geht, wie das nächste Spiel.