Wie das SRF aus Mollis berichtet, verdient nur eine Wertung 👑
Das ESAF ist ein Sportanlass der Superlative. Im grössten Stadion des Landes kämpfen die stärksten Männer des Landes um den Königstitel in einem Land ohne Monarchie. Wer in Mollis in der riesigen Arena dabei ist, erlebt eine Atmosphäre, die er oder sie nicht so rasch vergessen wird.
Wer keines der begehrten Tickets ergattern konnte, ist vor dem Fernseher allerbestens aufgehoben. Und sieht erst noch viel mehr als die Besucher im Glarnerland. Denn das Schweizer Fernsehen SRF zieht alle Register und präsentiert während Stunden, wozu es in der Lage ist, wenn der Tag lang und die Vorbereitungszeit noch länger ist.
Das fängt beim Kommentator an. Stefan Hofmänner fiebert mit, freut sich mit, leidet mit – stets im der Situation angemessenen Ton. Der Berner brilliert mit Fachkenntnis, ohne lehrmeisterlich zu klingen. Und er schafft es dabei, auch jene Zuschauerinnen und Zuschauer mitzunehmen, die nicht Sonntag für Sonntag an einem Schwingfest zuschauen. Das ist hohe Kunst.
Hofmänner steht als Co-Kommentator einer zur Seite, der die allerhöchste Kompetenz im Schwingen ist. Jörg Abderhalden ist als dreifacher Schwingerkönig, Unspunnen- und Kilchberger-Sieger der erfolgreichste Schwinger der Neuzeit. Würde die katholische Kirche ein Eidgenössisches Vaterunser- und Hostienfest organisieren, müsste sie den Papst aufbieten, um so eine Kompetenz ans Mikrofon zu kriegen.
Hofmänner und Abderhalden kennen von jedem Schwinger Resultate, Schwingstil, Schuhgrösse und Verwandtschaft. Sie harmonieren hervorragend und dass sie – für Sportübertragungen im SRF untypisch – beide auf Schweizerdeutsch kommentieren, verleiht dem Erlebnis Authentizität. Beim urschweizerischen Schwingen ist der Dialekt die passende Sprache. Da kann einer auch mal salopp «eis an Näggel öbercho», wenn der Gegner ihn am Kopf trifft. Abderhalden spricht frei von der Leber weg.
Der Toggenburger hat im Sägemehl jede Situation, die er im Ring in Mollis kommentiert, selbst erlebt. Der König von 1998, 2004 und 2007 kennt die Situation als Jäger und noch viel mehr als Gejagter, der Druck aushalten muss. Anschaulich schildert Abderhalden, was einem Schwinger alles durch den Kopf geht, was er nun machen sollte und was für ein unangenehmes Gefühl es ist, beim Einatmen eine Ladung Sägemehl zu verschlucken. Obwohl: Das kann man sich auch vorstellen, ohne in seinem Leben einmal ein König gewesen zu sein.
Doch Fernsehen ist bekanntlich nicht nur Wort, sondern vor allem auch Bild. Und in dieser Disziplin überzeugt das SRF ebenfalls auf ganzer Linie. Die Schwinger werden perfekt in Szene gesetzt. Viele Zeitlupen zeigen die Wucht und die Dynamik dieses Sports besonders gut. Ein Schwinger, den Mund weit aufgerissen, fällt ins Verderben. Sägemehl spritzt in die Höhe, sodass man jeden Span einzeln sehen kann. Und im Hintergrund hört man Alphornbläser oder Jodler.
Das Urchige kommt natürlich nicht zu kurz. Hier eine Zuschauerin, die auf einem Holzbrettli auf den Knie Speck schneidet. Dort ein Fan, der sogar einen Käsehobel für Tête de Moine mitgenommen hat. Und die Kameraleute von Regisseur Beni Giger fangen zahlreiche kreative Konstruktionen von Feldstecher-Halterungen ein, die die Arme entlasten.
Ist ein Gang fertig, ordnen mit Christian Stucki und Matthias Sempach zwei weitere Schwingerkönige das Geschehen ein. Auch hier: Kompetenter geht es nicht. Es ist, wie wenn Paul McCartney und Ed Sheeran in der Jury einer Musik-Castingshow sitzen würden.
Als TV-Zuschauer ist das ESAF der pure Genuss. Note 10,0 – oder eben: königlich. Das Schweizer Fernsehen liefert Leidenschaft, Kompetenz und Bilder, die man so schnell nicht vergisst, in die Stube. Und so hat diese königliche Übertragung auch eine Dimension jenseits des Sports: Bessere Werbung gegen die Halbierungsinitiative der SVP kann das SRF kaum machen.
