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Wem gehört der Fussball und wie soll er sich in Zukunft organisieren?

Camp Nou FC Barcelona
Das Camp Nou des FC Barcelona – bald Heimat einer neuen Super League?Bild: Shutterstock
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Vergiss den Kuchen: Real, Barça und Co. wollen die ganze Bäckerei

Die Topklubs wollen eine Liga der Superlative schaffen. Ein Gerichtsurteil stärkt ihnen den Rücken. Vieles ist unklar – sicher ist eines: Der Fussball wird sich verändern.
21.12.2023, 16:1521.12.2023, 17:30
Ralf Meile
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Dem populärsten Sport der Welt könnten einschneidende Änderungen bevorstehen. Je nachdem, wem man glaubt.

Nachdem der Europäische Gerichtshof in einem Prozess gegen den europäischen Fussballverband UEFA geurteilt hat, feiern die Initianten einer europäischen Super League dies als grossen Erfolg. Umgehend stellen sie ihre Pläne vor.

Die UEFA teilt mit, sie nehme das Urteil zur Kenntnis. Der Verband schreibt, er sei davon überzeugt, sich im Rahmen aller relevanten europäischen Gesetze zu bewegen.

Wem gehört denn eigentlich der Fussball?

Eine neue Super League steht also nicht unmittelbar vor der Tür. Aber zweifelsohne werden die Initianten um Real Madrid und den FC Barcelona versuchen, die Besitzer anderer Grossklubs ins Boot zu holen.

Die Debatte über eine neue Superliga wird Fragen aufwerfen. Etwa jene, wem der Fussball denn eigentlich gehört. Den Klubs? Doch wer sind überhaupt «die Klubs»? Sind es ihre Besitzer?

Oder gehört der Fussball den Verbänden, weil sie ihn organisieren? Den Spielern, weil sie ihn ausüben? Den Fans? Schliesslich wird für sie gespielt und Fussball ohne Zuschauer ist unerträglich, wie wir während der Corona-Pandemie feststellen mussten.

Wolfsburg goalkeeper Max Gruen standing in front of the southern tribune called the "yellow wall" during the semifinal match of the German soccer cup between Borussia Dortmund and VfL Wolfsb ...
Was wäre Borussia Dortmund ohne seine berühmte «Gelbe Wand»?Bild: AP

Und falls der Fussball den Fans gehört, stellt sich die Frage: Welchen Fans? Jenen in der Kurve, die für die Stimmung sorgen? Oder jenen auf der Haupttribüne, die gerade in der Schweiz oft auch als Sponsoren das Überleben sichern? Oder gehört der Fussball nicht nur diesen paar zehntausend Menschen im Stadion, sondern den Abermillionen vor dem Fernseher, der grossen Masse?

Born in the USA

Über Jahrzehnte schien mehr oder weniger alles klar: Nationale Verbände organisierten eine Meisterschaft und einen Cup, die UEFA organisierte europäische Klubwettbewerbe.

Aus dem ehemaligen Meistercup wurde eine Champions League, deren Gesicht sich in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens regelmässig änderte.

Auch deshalb, weil die UEFA auf Drohungen von Topklubs reagierte, die mal leise und mal lauter darüber nachdachten, eine eigene Liga zu gründen. Die UEFA reagierte aber auch deshalb, weil sie selbst die Chance sah, mit mehr Spielen höhere Einnahmen zu generieren.

Nun wollen die Klubs nicht einen noch grösseren Anteil vom Kuchen, sondern die ganze Bäckerei. So wie es die Sportligen in den USA vormachen, die den einzelnen Teams gehören.

Vielleicht ist das eine Zukunft für den Fussball: dass er amerikanisiert wird. Mit einem Salary Cap und mit einem Draft. Es wäre eine radikale Abkehr vom Fussball, wie wir ihn kennen.

Trikots von Al-Nassr auf Schweizer Pausenplätzen

Die Topklubs, die schon jetzt über allen anderen schweben, würden eine eigene Kaste bilden. Die neue wäre die ultimative Liga, die beste der Welt. Und der logische Schritt wird sein, dass sie bald auch weltumspannend ist. Mit Mannschaften aus klassischen Fussballländern wie Argentinien und Brasilien, aber auch aus aufstrebenden Märkten wie Saudi-Arabien oder Indien.

People buy grocery from a shop next to a garlanded photograph of Portugal's Cristiano Ronaldo put up by fans to mark the ongoing soccer World Cup in Kolkata, India, Thursday, Dec. 8, 2022. (AP Ph ...
Weltweiter Superstar: Cristiano Ronaldo ist auch im indischen Kalkutta präsent.Bild: keystone

Auch in der Schweiz sieht man bereits heute Kinder mit einem Trikot von Al-Nassr herumlaufen, dem Klub von Cristiano Ronaldo. Hält der saudische Boom an, wird es in zehn Jahren vielleicht schon normal sein, dass diese Klubs zu den grossen gehören.

Schweizer, die den 30. Geburtstag noch vor sich haben, fragen sich bestimmt, weshalb GC denn eigentlich ein grosser Klub sein soll. In Deutschland halten Junge Wolfsburg für einen «Traditionsklub», der schon immer Bundesligist war. Und der Widerstand gegen «Retortenklubs» wie RB Leipzig oder Hoffenheim schwindet – nicht in den Fankurven, aber bei der breiten Masse.

Das weisse Blatt Papier

Es ist paradox: Während gleichzeitig beklagt wird, wie furchtbar der moderne Fussball sei, steigen die Zuschauerzahlen. Nicht der einzige Widerspruch. EM- und WM-Turniere sind unbestritten die grossen Highlights, selbst wenn deren Ausrichter im heftigen Gegenwind stehen.

Wohl nur wenige Institutionen haben einen derart schlechten Ruf wie die UEFA und die FIFA. Dass deren Macht womöglich beschnitten wird, kommt vielerorts gut an. Dabei müssen herbeigesehnte Wechsel nicht nur positive Folgen haben, wie manch einer feststellte, als Sepp Blatter als FIFA-Präsident von Gianni Infantino abgelöst wurde.

Die Frage, die man sich stellen sollte, lautet: Wenn wir auf einem weissen Blatt Papier skizzieren müssten, wie wir den Fussball strukturieren würden – was skizzieren wir?

Was meinst du?

Wie soll der Fussball der Zukunft organisiert sein? Von den bestehenden Verbänden? Sollen die Klubs selber die Macht übernehmen? Soll es eine alles dominierende Liga geben wie im Eishockey die NHL und daneben nationale Meisterschaften? Würden diese unter der Absenz von Topteams leiden oder, im Gegenteil, wieder spannender werden? Oder soll einfach alles so bleiben, wie es «schon immer» war (obwohl sich der Fussball ständig änderte).

Viele Fragen – die Kommentarspalte steht dir offen für eigene Vorschläge und Visionen. Danke, dass du sachlich bleibst und konstruktiv diskutierst.

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32 Kommentare
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Tsherish De Love aka Flachzange
21.12.2023 16:29registriert September 2020
Da lob ich mir die Challenge League mit Wurst und Bier. Das Niveau ist zwar nicht vergleichbar wie bei den europäischen Topclubs, aber immerhin steht der Fussball noch im Vordergrund.
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Erwin Apfeltee
21.12.2023 16:20registriert August 2023
Wenn 15x pro Jahr ein Classico gespielt wird, ist er irgendwann der Aburrido
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Drunken Master
21.12.2023 17:59registriert Juli 2018
"Trikots von Al-Nassr auf Schweizer Pausenplätzen" ... alles eine Frage der Erziehung.
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