Gleich vorneweg: Qualifiziert für das Schreiben dieser Anti-Messi-Tirade habe ich mich durch unzählige Diskussionen am Mittagstisch. Da sitze ich oft mit den Kollegen unserer Sport-Redaktion zusammen und ebenso oft habe ich ihnen schon meine Abneigung gegen Lionel Messi kundgetan. Und weil ich offen ausspreche, dass ich Messi als Fussballer hasse weil ich meine Argumente so leidenschaftlich vortrug, wurde ich gebeten, sie doch mit dem Rest der Welt zu teilen. Noch so gerne!
Ich liebe Fussball und bin der Meinung, dass ich mit unseren Sportredaktoren einigermassen gut mitdiskutieren kann, meine Meinung ist dann aber doch eher was für den Stammtisch. Spiele schaue ich mir nicht nur während grossen Turnieren an, sondern während des ganzen Jahres, wenn es in einem von 38 Ligaspielen nur um drei von noch ganz vielen Punkten geht. Besonders die spanische Liga hat es mir seit Jahren angetan.
Somit ist schon klar, dass auch ich nicht um die Diskussion «Messi oder Ronaldo?» herumkam. Und ja, ich bin pro Ronaldo. Und ja, das ist natürlich der Hauptgrund, warum ich Messi den Weltmeistertitel mit keiner einzigen meiner Körperzellen gönnen würde.
Die Frage «Messi oder Ronaldo?» prägt schon seit Jahren sehr viele Fussballfans rund um den Globus. Für beide Spieler war bereits vor dem Turnier klar, dass es ihre jeweils letzte Weltmeisterschaft sein würde. Beide Spieler haben auf Klubebene praktisch alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Auch mit der Nationalmannschaft durften beide schon kontinentale Trophäen hochstemmen. Messi gewann 2021 die Copa America, Ronaldo wurde 2016 mit Portugal Europameister. Relativ naheliegend also, dass die beiden mit dem Weltmeistertitel ihre Karriere vollenden wollten. Ein Traum, der für Ronaldo bereits geplatzt ist. Obwohl ich mir bei dessen Ehrgeiz gut vorstellen kann, dass wir ihn in vier Jahren nochmals sehen, aber das ist ein anderes Thema.
Nun würde dieser WM-Titel im sandigen Katar also die Frage beantworten, welche uns Fussballfans und Experten bereits etliche Stunden hat diskutieren lassen. Die Frage, die schon für die Beendigung von Freundschaften verantwortlich war. Die Frage, welche die ganze (Fussball-)Menschheit spaltet.
Nein, so darf es nicht enden. Die Frage nach dem wahren GOAT, dem Grössten aller Zeiten, darf nicht über den WM-Titel definiert werden.
Meine Meinung dazu steht ja schon lange fest. Während den letzten Jahren spielte Messi noch bei Barcelona, wo man alles um ihn herumgebaut hatte, damit sich der sensible Zauberfloh auch ja wohlfühlt. Spieler wurden gemäss seiner Spielentwicklung eingekauft, das Spielsystem an ihn angepasst.
Anders als Ronaldo, der sein eigenes Spielsystem stets dem Alter entsprechend verändert hat, um mit den Besten mitzuhalten. Danach zog Messi weiter nach Paris, um dort mit einer zusammengekauften Millionärs-Clique in der französischen Liga Titel um Titel zu gewinnen. Bravo, wirklich unglaublich mutig, sich dieser Herausforderung zu stellen. Immerhin reicht das Geld der PSG-Besitzer nur für nationale und nicht für internationale Titel.
Unvergessen wie Messi als kleines Häufchen (Redundanz beabsichtigt) Elend weinend sagte, dass er Barcelona liebe und nicht verlassen wolle. Ein paar Tage später ist die Hand am PSG-Wappen, auf dem T-Shirt steht «We are Paris» und darin steckt ein breit grinsender Messi. Geld hilft anscheinend schnell über Schmerz hinweg. Nach dieser Transfergeschichte wundern sich manche doch tatsächlich, dass ich Messi verachte.
Ronaldo wechselte zu Juventus Turin in die Serie A, was wohl eine weitaus grössere Herausforderung ist. Er wurde Torschützenkönig und hat sich somit auch in Italien bewiesen. Er war in Italien, England und Spanien Torschützenkönig. Der «grosse» Messi bisher nur in Spanien.
Während der Zauberfloh sich also wie gewohnt auf sein Talent verlassen konnte, schuftete Ronaldo weiter für seinen Erfolg. Was Messi schon bei der Geburt an Talent in die Wiege gelegt wurde, hat sich Ronaldo immer durch seinen Ehrgeiz hart erarbeitet. Für mich sind (oder besser gesagt waren) beide Spieler eigentlich nie vergleichbar. Beide sind fussballerisch auf ihre Weise nicht von dieser Welt. Was mir bei Messi immer als eine Art Inselbegabung erschien, war bei Ronaldo aus meiner Sicht aber immer Fleiss und harte Arbeit. Er hat alles dafür getan, um dort zu sein, wo er war und sich stets neuen, richtigen Herausforderungen gestellt. Das macht ihn für mich zum beeindruckenderen Spieler.
Auch, dass Messi in den Medien immer viel besser wegkam, als «der arrogante Ronaldo, der sich nur für sich und sein Aussehen interessiert», liess meine Sympathien ins Lager von Ronaldo wandern. Wer von beiden hat denn seinen kompletten Arm und sein Bein tätowiert? Zudem sitzt Messis Frisur bei jedem Spiel mindestens genauso gut wie die von Ronaldo. Der Argentinier hat den Scheinwerfer mindestens genau so gerne auf sich gerichtet wie CR7. Das hat man auch an dieser WM wieder gesehen.
Ein Beispiel? Im Halbfinal gegen die Kroaten bereitete Messi mit einem magistralen Dribbling das 3:0 vor. Nach dem Pass drehte sich Messi mit ausgestreckten Armen allein vor die mit Argentinien-Fans gefüllte Tribüne und liess sich feiern. Erst dann wandte er sich Torschütze Julian Alvarez zu, um mit ihm zu jubeln. Was sagt euch das über seinen Charakter? Messi wird wegen des Dribblings mit Lob überschüttet, während Ronaldo bei so einer Selbstinszenierung wohl medial zerrissen worden wäre.
Ronaldo wird zerrissen, wenn er nach Spielen wütend direkt den Platz verlässt und seine Captain-Binde wegwirft. Der arrogante, mit Siegen verwöhnte Ronaldo eben. Dass er davor aber mit jeder Faser seines Körpers den Sieg anstrebt und alles für den Sieg tut, wird vergessen. Regt er sich wiedermal darüber auf, dass ein Pass nicht wie gewünscht zu ihm kommt, nennt man ihn arrogant oder egoistisch und nicht leidenschaftlich oder ehrgeizig.
Bei Messi ist es gerade umgekehrt. Läuft es nicht für seine Mannschaft, so ist Messi nicht der Spieler, der seine Kameraden mit Ehrgeiz wieder antreiben kann. Natürlich hat Messi unglaubliche Einzelaktionen, die ein Spiel verändern können. Wenn diese aber nicht wie gewohnt ankommen, sieht man ihn noch weniger laufen als sonst schon. Aber er ist eben der introvertierte, ruhige und stillere Messi, der nicht so egozentrisch ist wie Ronaldo und darum auch verschont wird. Messi bietet durch seine Art vielleicht weniger Angriffsfläche für die Medien, ist aber charakterlich auch nicht gerade ein Vorzeigeprofi.
Klar, Messi steht unter enormem Druck, was wir auch während und besonders nach dem Spiel gegen die Niederlande gesehen haben. Das ist nachvollziehbar, schliesslich erwartet ein ganzes Land nichts Geringeres als die höchste Fussballtrophäe der Welt von ihm. Er muss quasi in Maradonas Fussstapfen treten.
Dennoch zeigen Szenen wie diejenige aus dem Niederlande-Spiel auch denjenigen Fussballinteressierten, die nur alle zwei Jahre Fussballspiele schauen, was wir anderen schon lange wissen: Messi ist charakterlich auf dem Fussballplatz genau so ein narzisstischer, arroganter und aufgeblasener Fussballspieler wie viele andere auch.
Immer wieder hat er bewiesen, dass auch er, gleich wie Ronaldo, sehr für seinen eigenen Namen und nicht nur für den des Teams spielt. Egal ob bei Barça, Argentinien oder PSG. Dass ein Messi also sympathischer und deswegen der bessere von beiden sein soll, ist mir völlig schleierhaft. Ronaldo ist der Spieler von beiden, der in den jeweiligen Karrieren unter schwierigeren Bedingungen mehr geleistet hat.
Bestimmt werden viele meine Meinung nicht nachvollziehen können, was ich, wie eingangs erwähnt, auch nie ändern werden kann. Da es aber umgekehrt auch nicht anders ist, habe ich keine Lust, die nächsten 20 Jahre zu hören: «Messi ist der bessere, weil er Weltmeister wurde.» Das Gewinnen des Weltmeistertitels definiert für mich nicht den besseren Abschluss der jeweiligen Karrieren, die davor immerhin über 15 Jahre gedauert haben.
Ja, Messi hätte nach den unzähligen Toren, Assists und Rekorden den WM-Titel verdient. Aber eben genau so sehr hätte ihn Ronaldo verdient. Daher kann ich mir für den Final nichts Schlimmeres vorstellen, als dass Messi am Ende jubelt und zum «Vollendeten» wird. Messi soll weinend den Platz verlassen, so wie es auch Ronaldo tun musste.