An hiesigen Online-Stammtischen unterhalten sich Sportfans darüber, ob Christian Constantin für seine Ohrfeigen mit der Todesstrafe oder nur mit lebenslänglichem Stadionverbot bestraft werden müsste. Dabei könnte beinahe der Eindruck entstehen, neben der Ohrfeigenaffäre gebe es im Fussballsport gegenwärtig gar keine Probleme.
Leicht könnte dabei vergessen gehen, dass gegen Scheich Nasser Al-Khelaifï, Geschäftsmann aus Katar, Präsident von Paris Saint-Germain und Initiant des Neymar-Transfers, eine Strafuntersuchung wegen Bestechung läuft. Schon am Donnerstag berichteten Medien wie die britische «BBC» oder die spanische Sportzeitung «Marca» über den bösen Verdacht, unter den der schwerreiche Scheich geraten ist.
Al-Khelaifï soll Bestechungsgelder für die Fernsehrechte der Fussballweltmeisterschaften 2026 und 2030 bezahlt haben. Und obwohl der Mann aus dem Wüstenstaat in dieser Sache von der Schweizer Staatsanwaltschaft durchleuchtet wird, scheint die Nachricht hierzulande keine grossen Wellen zu werfen. Auf den Scheich sei die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Untersuchungen gegen den ehemaligen FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke gekommen. Die Strafbehörden vermuten, der Krösus aus Katar habe den FIFA-Mann gut bezahlt, um an die TV-Rechte zu kommen.
Dass in oberen Fussballkreisen möglicherweise im ganz grossen Stil betrogen, geschoben, bestochen und beschissen wird, nehmen wir Fussballfans mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Was kümmern uns millionenschwere Kriminalfälle, wenn wir uns an den Ohrfeigen von Constantin so wunderbar ergötzen können.
Vielleicht ist ja dann am Ende sowieso alles gar nicht wahr und der FIFA-Generalsekretär ist unschuldig und der Scheich ist unschuldig und die Erde ist eine Scheibe und der Ball ist ein Würfel und Christian Constantin engagiert Rolf Fringer als Sion-Sportchef.
Wahrscheinlich hat das hiesige Desinteresse am Scheich damit zu tun, dass finanzielle Delikte so furchtbar kompliziert und schwer nachzuvollziehen sind, während ein paar Ohrfeigen doch ein allgemein leicht verständliches Delikt darstellen. Wir lassen das alles mal einfach so stehen und freuen uns, dass endlich wieder in der heimischen Fussball-Meisterschaft gespielt wird.