«Justice for George Floyd», stand auf dem Unterleibchen von BVB-Youngster Jadon Sancho. Der Engländer präsentierte es nach dem ersten seiner drei Tore gegen Paderborn – er sah dafür die gelbe Karte.
Der 19-Jährige wurde allerdings nicht für seine Botschaft, sondern für das Ausziehen des Trikots bestraft – vorerst. Es drohen ihm nämlich weitere Sanktionen, so wie auch Teamkollege Achraf Hakim, Schalkes Weston McKennie oder Gladbachs Marcus Thuram. Sie alle zeigten Solidarität mit den Protesten in den USA nach der Tötung des Schwarzen George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz.
Hakimi zeigte wie Sancho ein beschriftetes Unterleibchen, McKennie trug die Botschaft auf einer Armbinde und Thuram solidarisierte sich mit einem Kniefall und nahm damit Bezug auf Football-Profi Colin Kaepernick und die «Take a knee»-Bewegung.
Nun droht den Spielern aber Ungemach, denn ihre Aktionen sind nach den Statuten des Deutschen Fussball-Bundes (DFB) untersagt. So heisst es unter Paragraph 36 in der Spielkleidungsrichtlinie: «Politische und/oder andere Mitteilungen auf den Ausrüstungsgegenständen sind keinesfalls erlaubt.» Der Kontrollausschuss befasst sich bereits mit den Fällen.
«Ob es in den vorliegenden Fällen zu Sanktionen kommen muss, bleibt abzuwarten», sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch am Montagabend. Bei der Überprüfung durch den Kontrollausschuss gehe es darum, «festzustellen, ob das Spiel und das Spielfeld der richtige Ort für diese Handlungen sind.»
Der DFB gerät damit in eine Zwickmühle. Einerseits sollte er seine eigenen Regeln durchsetzen, sonst drohen bald regelmässig Botschaften von Spielern, die dann gleich geahndet werden müssten, egal ob diese moralisch gut oder schlecht sind. Andererseits würde der DFB mit allfälligen Sanktionen seine Bemühungen, den Rassismus zu bekämpfen, gleich selbst verdrängen.
Die betroffenen Spieler haben zwar ein politisches Statement zum Ausdruck gebracht, jedoch muss hierbei auch festgehalten werden, dass Rassismus keine Politik oder Meinung ist, sondern Menschenverachtung. Deshalb wäre es fatal, sollte der DFB nach diesen Solidaritätsbekundungen Sanktionen aussprechen. Es gibt derzeit Wichtigeres als Paragraphen im Regelbuch, der Fussballverband muss Fingerspitzengefühl zeigen und auf eine Bestrafung verzichten.
Immer wieder wird gefordert, dass Fussballer vermehrt als Vorbilder agieren sollen. Nun haben einige ganz klar Haltung, Solidarität und Stärke gezeigt und ihre Stimme erhoben. Durch ihren Status als Profis nutzen sie eine Plattform und erhalten die Aufmerksamkeit, welche der Kampf gegen den Rassismus dringend braucht.
Selbst die FIFA, die sich «No to Racism» gross auf die Flagge geschrieben hat, dies aber selten konsequent umsetzt, hat sich überraschend deutlich positioniert. In einer Stellungnahme bittet der Weltfussballverband, dass der «gesunde Menschenverstand» genutzt werde und die Umstände berücksichtigt werden sollen. Zudem schrieb die FIFA, dass sie «die Tiefe der Gefühle und Bedenken, die viele Fussballer angesichts der tragischen Umstände des Falles George Floyd zum Ausdruck bringen», verstehe.
Unterstützung gibt es auch vom Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann. Er forderte am Dienstagmorgen im ZDF-«Morgenmagazin» Augenmass in der Bewertung von Protesten.
Der Kontrollausschuss des DFB kann bei seiner Entscheidung auf einen Präzedenz-Fall aus dem Jahr 2014 zurückgreifen. Damals äusserte sich Kölns Anthony Ujah ähnlich politisch, indem er ein T-Shirt mit der Aufschrift «Eric Garner #cantbreathe #justice» präsentierte. Damals wurde Garner auf ähnliche Weise getötet wie Floyd.
Damals beliess es der DFB bei einer Ermahnung und einer Erinnerung an das Verbot von politischen Statements. Diesmal muss ebenfalls eine solch diplomatisch Entscheidung her, sonst gibt der DFB selbst ein bedenkliches Statement ab. Der Kampf gegen Rassismus darf nicht von Spielkleidungsrichtlinien gebremst werden.
Das Problem ist, wer bestimmt, was ein „gutes“ oder „schlechtes“ Statement ist? Es werden in Zukunft Statements kommen, wo sich die Menschen weniger einig sind, ob sie jetzt unterstützenswürdig sind oder nicht.
Deshalb gibt es nur eins: Keine politischen Statements auf dem Spielfeld. Die Spieler können sich privat äussern.
Aber wenn ein Spieler sich gegen Rassismus äussert, soll es plötzlich nicht ok sein?
Sich gegen Rassismus einzusetzen ist immer ok, egal wo und wann.
Ausser man verdient damit viel Geld.