Warum Schadenfreude über die Weltcup-Absage in Zermatt fehl am Platz ist
Es ist, als würden die Wettergötter Zermatt verspotten. Die Sonne scheint oben auf dem Klein Matterhorn, die Weltcup-Strecke «Gran Becca» erstrahlt im besten Licht. Auf den ersten Blick herrschen beste Skibedingungen – und trotzdem kann die Weltcup-Premiere in Zermatt und Cervinia nicht stattfinden. Die Kombination von Wind und Schneefall durch die ganze Nacht haben dafür gesorgt, dass die Abfahrt vom Samstag wegen Sicherheitsbedenken abgesagt werden muss.
Schnell kamen hämische Reaktionen. Die Organisatoren hätten bekommen, was sie verdienten, hiess es auch in der Kommentarspalte von watson. Wieder wurde die Falschinformation verbreitet, dass der Theodulgletscher «mit Baggern zerstört» oder die Weltcupstrecke «in den Gletscher gefräst» worden sei. Beides stimmt nicht. Die Bagger füllen in Zermatt und Cervinia jedes Jahr die Gletscherspalten mit Schnee und Eis, um die Sicherheit der Skifahrer zu garantieren. Selbst Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, gab Entwarnung: Die Gletscherschmelze werde durch Skipisten weder beschleunigt noch gebremst.
Natürlich darf und soll man hinterfragen, ob eine Weltcup-Abfahrt in dieser Lage Sinn ergibt. Der organisatorische und logistische Aufwand, um auf dieser Höhe eine Weltcupstrecke herzurichten, ist enorm. Und auch wenn die Organisatoren nachhaltige Rennen versprechen, sind sie trotzdem eine Belastung für die Umwelt.
Und dann ist da noch das Wetter. Die Skirennfahrer sind das ganze Jahr den Witterungen ausgesetzt. Aber im hochalpinen Gelände auf 3800 Metern über Meer ist das noch extremer. Die Walliser rühmen sich gerne damit, wie oft bei ihnen die Sonne scheint. Aber im November gibt es selbst in Zermatt häufig Niederschlag und schlechtes Wetter. Zu glauben, dass über zwei Wochen (Rennen der Männer und Frauen) beste Rennbedingungen herrschen, grenzt an Naivität.
Dennoch ist Schadenfreude derzeit fehl am Platz. Das wäre nicht fair gegenüber den zahlreichen Helferinnen und Helfern, die in den letzten Tagen und Wochen Stunden ihrer Freizeit investiert und teilweise unbezahlten Urlaub genommen haben. Sie haben teils unter garstigen Wetterbedingungen Sicherheitsnetze aufgestellt, Schnee von der Piste geschaufelt und dafür gesorgt, dass es den Athleten und Trainern an nichts fehlt.
Es ist auch schade ums Spektakel. Denn wie die Trainingsbilder vom Mittwoch gezeigt haben, wäre dieses Rennen bei besten Bedingungen durchaus eines gewesen. Nun fällt das aus, und damit werden auch Marco Odermatt und Co. der Chance beraubt, in der Königsdisziplin der Skirennfahrer zu punkten. Morgen stünde nochmals eine Abfahrt auf dem Programm, doch aufgrund der Wetterprognosen stehen die Chancen schlecht, dass diese stattfinden kann. Und auch Nachholtermine sind im dichten FIS-Kalender schwierig zu finden.
So klammert man sich in Zermatt und Cervinia an die Hoffnung, dass wenigstens die Rennen der Frauen in einer Woche über die Bühne gehen können. Es wäre nur schon den vielen freiwilligen Helfern zu gönnen.
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