Ein Weltrekord wird heute 30 Jahre alt – für seinen Besitzer «ein schlechtes Zeichen»
Rednex war die Nummer 1 der Schweizer Hitparade, Moritz Leuenberger wurde in den Bundesrat gewählt und die Eishockey-Nati stieg in die B-WM ab. All das geschah 1995. Es war das Jahr, in dem Jonathan Edwards in Göteborg seinen Fabel-Weltrekord aufstellte.
Der Londoner war als Favorit zum WM-Bewerb angetreten. Kurz zuvor hatte er den Weltrekord schon verbessert, zwei Zentimeter fehlten ihm in Salamanca noch zur Schallmauer. In Schweden dagegen ging an diesem Tag alles auf.
Gleich im ersten Versuch verbesserte Edwards den Weltrekord auf 18,16 m. Und im zweiten setzte er gar noch einen drauf. Mit 18,29 m wurde der streng gläubige Christ, der lange auf Wettkämpfe am Sonntag verzichtet hatte, Weltmeister.
In anderen Sportarten gibt es mehr zu verdienen
Seither schaffte es kein Dreispringer, diese Marke vom 7. August 1995 zu knacken. Vor zehn Jahren kam ihm der Amerikaner Christian Taylor am nächsten, ihm fehlten acht Zentimeter auf Edwards.
«Das ist kein gutes Zeichen für die Leichtathletik», sagte Jonathan Edwards zum Jubiläum bei der BBC. «Wenn man an die vielen Entwicklungen in der Sportwissenschaft, bei der Ernährung, bei Trainingsmethoden und all diesen Dingen denkt, dann glaube ich nicht, dass dies unbedingt für einen wirklich gesunden und florierenden Sport spricht, wenn ich ehrlich bin.»
Die Leichtathletik, so das Urteil des Olympiasiegers von Sydney, habe mit der Professionalisierung des Sports nicht Schritt gehalten. Es gebe schlicht nicht gleich viel zu verdienen wie anderswo, weshalb sich talentierte Athleten für andere Sportarten entscheiden würden. «Und man würde schon gar nicht eine technische Disziplin wählen, bei denen es noch weniger zu holen gibt als bei den Laufdisziplinen.» Was er meint: Sprinter, die lieber auf Football setzen als auf die Tartanbahn. Sprungtalente, die ihre Zukunft im Basketball sehen. Dort winken mehr Ruhm und Geld.
Auch neue Schuhe helfen nicht
Sogar noch älter als der Dreisprung-Weltrekord sind jene im Weitsprung und Hochsprung. Mike Powells Satz von 8,95 m datiert aus dem Jahr 1991, Javier Sotomayors Sprung über 2,45 m war 1993.
Selbst die Entwicklung neuer Schuhe, die Läufer schneller machen und dank Karbonplatten wie kleine Katapulte wirken, verschaffte Springern keinen entscheidenden Vorteil. «Die Kräfte, die beim Absprung im Hoch-, Weit- und Dreisprung wirken, sind so extrem, dass ich mir nicht sicher bin, ob dieser Trampolineffekt die gleiche Wirkung haben kann», meint Edwards. Ein von der BBC befragter Sportwissenschaftler teilte diese Meinung.
Jonathan Edwards ist mittlerweile 59 Jahre alt – und wo er hinkommt, wird er nach wie vor als Weltrekord-Inhaber vorgestellt. Deshalb sagt er, dass es «eigentlich ganz schön wäre», wenn der Rekord von 18,29 m bestehen bliebe, so lange er noch lebe. Mit britischem Humor hält Edwards fest: «Das gäbe dann eine ziemlich gute Beerdigung.»