Von der Tartanbahn in den Eiskanal: Salomé Koras Traum von Olympischen Winterspielen
Salomé Kora steht die Freude ins Gesicht geschrieben, als sie über ihre Pläne als Bob-Anschieberin erzählt – und das, obwohl ihr alles wehtut. Als eine von nur drei Schweizerinnen, die die 100 m unter elf Sekunden gelaufen sind (10.95). versucht sich die 31-Jährige in dieser Saison erstmals in einer anderen Sportart als den Kurzsprints über 100- und 200-Meter. Am vergangenen Dienstag fuhr die Ostschweizerin erstmals als Anschieberin die Eisbahn in Cortina hinunter. «Vor allem der Nacken tut mir jetzt weh», sagt sie lachend.
Ein langer Prozess
Besonders neu sind für sie die G-Kräfte, die im Bob wirken. «Die ersten Meter gehen noch, dann drückt es einen immer mehr zusammen. Ich bin leider nicht ganz so beweglich, das war deshalb schon sehr speziell», erzählt Kora, deren erste Bobfahrt bereits zwei Jahre zurückliegt. «Das war aber lediglich eine Taxifahrt, da konnte ich mit dem Kopf oben rausschauen.»
Zwei Jahre ist auch ungefähr die Zeitspanne, in der Kora damit spielte, sich als Anschieberin zu versuchen. Sie hatte mit Beat Hefti, dem Olympiasieger von 2014, Kontakt und einige Probeläufe als Anschieberin gemacht. Nach den Olympischen Spielen 2024 habe sie sich dann aber noch nicht fit und mental genug bereit gefühlt. «Deswegen starte ich ‘leider’ erst jetzt.»
Gemeinsam mit ihrer Pilotin Inola Blatty wird sie den Weltcupauftakt in Cortina und das folgende Rennen in Innsbruck bestreiten, im Dezember zieht es sie dann aber nach Südafrika in ein Trainingslager. «Ich sehe mich immer noch als Leichtathletin, deswegen ist es mir wichtig, nochmals zu trainieren», sagt Kora.
Während die Weltcuprennen im Dezember eine von Blattys anderen Anschieberinnen bestreiten wird, steht am 28. Dezember der wichtigste Tag für Kora an. Denn dann wird entschieden, wer an die Olympischen Spiele darf.
«Grundsätzlich haben wir zwei Quotenplätze. Wenn wir im Weltcup aber in der Wertung vor Kanada liegen, dann erhalten wir einen dritten. Das sollte, so wie ich gehört habe, grundsätzlich möglich sein.» Die besten drei Nationen erhalten drei Startplätze, Deutschland und die USA dürften dafür gesetzt sein. Dennoch ist die Mission eine schwierige.
Denn mit Debora Annen und Melanie Hasler hat die Schweiz bereits zwei erfolgreiche Pilotinnen, die anders als Blatty auch schon Weltcup-Erfahrung haben. Auch mit Annen und Hasler ist Kora in Kontakt gestanden, mit der 27-jährigen Luzernerin hat es für sie aber am besten gepasst. «Vor allem, weil sie ihr Team für den Weltcup, im Vergleich zum Europacup, verstärken wollte.»
«Das hat mich mega gereut»
Für Olympia sind jedoch keine Duos gesetzt. Es qualifizieren sich die besten Pilotinnen und die besten Anschieberinnen – unabhängig voneinander. Hat die Schweiz zwei Plätze an Olympia, qualifizieren sich drei Anschieberinnen, bei drei Pilotinnen sind es fünf.
Doch weil Kora wegen einer Zerrung, die sie sich an der Leichtathletik-WM in Tokio zuzog, nicht an den Schweizer Anschiebe-Meisterschaften starten konnte, hat sie momentan keinen Anhaltspunkt, wie sie im Vergleich mit den anderen Anschieberinnen abschneidet.
«Ich bin wieder fit, nach der WM habe ich gleich zwei Wochen Ferien gehabt und danach ging es nochmals zwei, drei Wochen, bis ich voll parat war. Aber es hat mich mega gereut, diese erste Standortbestimmung zu verpassen. Ich werde nun erst im Dezember, wenn es wirklich zählt, sehen, wie ich im Vergleich abschneide und ob es für Olympia reicht», sagt Kora.
Sollte es ihr gelingen, tatsächlich in Cortina an den Start zu gehen, würde sie Teil eines elitären Kreises werden. Weniger als zehn Schweizer Sportler haben das bisher erreicht, Kora wäre die erste Frau. Ein Vorbild von ihr könnte Rolf Strittmatter sein. Der heute 70-Jährige war in Moskau 1980 Teil der 4x-400-Meter-Staffel und ging vier Jahre später in Sarajevo mit dem Bob an den Start.
«Wir haben als Leichtathleten diese sehr besondere Möglichkeit, in zwei unterschiedlichen Sportarten an beiden Olympischen Spielen teilzunehmen und auf hohem Niveau in eine komplett andere Welt hineinzuschauen», sagt Kora. Sie wolle das unbedingt nutzen und schauen, wie es läuft. Ob sie dem Anschieben nach der startenden Saison treu bleibt, lässt sie hingegen offen. «Ich könnte mir vorstellen, einige Weltcuprennen pro Winter zu bestreiten. Aber da müsste ich erst schauen, ob das überhaupt eine Pilotin möchte.»
Eigentlich will Kora aber noch nicht zu weit denken, sondern erst einmal in Cortina ein gutes Rennen abliefern. «Es soll, so habe ich gehört, eine verhältnismässig einfache Bahn sein», erzählt sie. Das spiele ihr sicher in die Karten. Und vielleicht kehrt Kora im Februar dann ja tatsächlich wieder auf dieselbe Eisbahn in Italien zurück, um an den Olympischen Spielen zu starten. Es wäre eine schöne Geschichte – die Rückkehr auf die Bahn ihres ersten Weltcuprennens. (riz/sda)
