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Aegerter und Lüthi: Zu alt, wenig reich und zu wenig schnell für die «Königsklasse»
Wenn Tom Lüthi und Dominique Aegerter jetzt  nicht in die «Königsklasse» aufsteigen können – wann   dann? Alle Jahre wieder beleben zwei Gerüchte   unsere Sportszene: Arno Del Curto verlässt den HC   Davos und Tom Lüthi oder Dominique Aegerter   werden im nächsten Jahr die MotoGP-WM fahren.
Seit Wochen wird wieder eifrig diskutiert, ob Tom Lüthi oder Dominique Aegerter nächste Saison in die «Königsklasse» aufsteigen werden. Noch selten waren die Chancen so gut: Bei Yamaha, Honda, Suzuki, Ducati und KTM werden für 2017 Werkspiloten gesucht. Von den Titanen haben erst Valentino Rossi (bei Yamaha) und Jorge Lorenzo (bei Ducati) einen Vertrag für die Saison 2017. KTM steigt 2017 neu ins Geschäft ein. Als MotoGP-Testfahrer hat Tom Lüthi bei KTM sozusagen einen Fuss in der Türe. Zudem hat sein Teamchef Fred Corminboeuf einen Platz in der MotoGP-WM 2017 beantragt.
Optionen waren da
Trotzdem werden Tom Lüthi und Dominique  Aegerter wahrscheinlich auch 2017 die Moto2-  WM fahren. Warum ist das so? Warum hat im 21.   Jahrhundert noch nie ein Schweizer ein Rennen   der wichtigsten Töff-WM bestritten?
Tom Lüthis Manager Daniel M. Epp sagt, es habe   bis heute zwei ernsthafte Aufstiegs-Optionen   gegeben. «2008 waren wir mit Suzuki einig. Aber   dann haben sich die Japaner überraschend aus der   MotoGP-Klasse zurückgezogen. 2009 hatten wir   das Geld und von Honda die Maschine. Aber Tom   hatte eine so schwache Saison (7. 250 ccm – die   Red) dass wir das Projekt im Herbst 2009 wieder   eingestellt haben.» Seither habe es keine echte   Aufstiegschance mehr gegeben.
Dominique Aegerters Manager Robert Siegrist sagt, er habe erst einmal ernsthaft verhandelt. «Wir hätten 2014 im Pramac-Team eine Ducati fahren können. Aber die sportliche Perspektiven waren zu wenig gut und wir haben verzichtet.»
Talent oder Geld
Es gibt zwei Wege in die MotoGP-Klasse: Entweder bringt der Fahrer Geld mit (so kommt man zu einem Platz in einem Hinterbänkler-Team) oder er ist so gut, dass ihn die grossen Teams unbedingt wollen und ihm ein siebenstelliges Salär bezahlen.
Tom Lüthi und Dominique Aegerter haben nicht genug Geld, um sich in einem einigermassen konkurrenzfähigen Team einzukaufen (das kostet mehr als zwei Millionen) und sie sind nicht gut genug, um von einem Werksteam angestellt zu werden. Ein Fahrer ist nur dann unabhängig von seinem Pass und dem Geld, das er mitbringt, wenn er in der Moto2-Klasse eine Saison lang dominiert, den Titel gewinnt und fünf, sechs Rennen gewinnt. So wie zuletzt Stefan Bradl, Marc Marquez oder Tito Rabatt. So gut sind Dominique Aegerter und Tom Lüthi nicht.
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Also lieber ein König in der Moto2-WM als ein Bettler in der «Königsklasse». Daniel M. Epp sagt: «Wir hätten durch einen Wechsel viel Medienpräsenz. Aber dann ginge im Laufe der Saison das Interesse bei Klassierungen um Platz 20 herum stark zurück. In der Moto2-WM sind hingegen jederzeit Spitzenplätze möglich und wir haben eine sehr gute Medienpräsenz. Es macht für uns nur Sinn, in die MotoGP-Klasse zu wechseln, wenn wir etwas Besseres bekommen. Bis heute war es besser, in der Moto2-WM zu bleiben.» In der Köngisklasse wäre für die Schweizer der Vorstoss unter die besten 20 ungefähr gleich schwierig wie ein Podestplatz in der Moto2-WM.
Die Schweizer bleiben stehen
So kommt es, dass Tom Lüthi (29) und Dominique Aegerter (25) zu den sieben Piloten gehören, die seit der ersten Moto2-WM 2010 in dieser Klasse geblieben sind. Die anderen fünf: Julian Simon, Axel Pons (Sp), Simone Corsi (It), Mattia Pasini (It) und Ratthapark Wilairot (Tha).
Fahrer kommen und gehen, die Schweizer bleiben stehen. Wenn einer der Titanen in die MotoGP-Klasse aufsteigt, kommen Piloten aus der nächsten Generation, die unseren zwei Helden wieder vor der Sonne stehen.
Beide sind inzwischen zwar überaus routiniert –  aber schon fast zu alt. Aktuell gibt es einen   «Jugendwahn». Die MotoGP-Manager wollen   möglichst wilde, junge, unverbrauchte Fahrer.   Teilweise hat das zu absurden Fehlentscheiden   geführt. Jack Miller ist vor einem Jahr im Alter von   19 Jahren direkt aus der Moto3-WM in die   MotoGP-Klasse aufgestiegen – und nun völlig   überfordert. Er hat diese Saison wegen   Sturzverletzungen zwei von vier Rennen verpasst. 
Auf einen Punkt gebracht: Tom Lüthi und Dominique Aegerter sind zu alt, zu wenig reich und zu wenig schnell, um die erste Wahl für die «Königsklasse» zu sein. Aber die Hoffnung lebt weiter. Daniel Epp sagt: «Wir hören uns um und wir prüfen weiterhin alle Optionen.» Dominique Aegerter sagt: «Ich werde mir irgendwann einen MotoGP-Platz holen».
Treu wie Arno Del Curto
Es ist, wie es ist: Arno Del Curto bleibt beim HCD   und Dominique Aegerter und Tom Lüthi bleiben in   der Moto2-WM. Zumal Teamchef Fred   Corminboeuf für die MotoGP-WM 2017 keinen   Platz bekommen wird (Entscheid am 29. April). Er   sagt selber: «Ich rechne nicht damit». Die   Hoffnung auf einen MotoGP-Platz ist gut fürs   Geschäft, sorgt immer mal wieder für schöne   Medienpräsenz und allen ist es durchaus recht so   wie es ist.
Bevor Tom Lüthi oder Dominique Aegerter auf einer konkurrenzfähigen Höllenmaschine in der «Königsklasse» sitzen, wird Arno Del Curto Cheftrainer in der NHL.
P.S. der letzte Schweizer auf einer Werksmaschine in der «Königsklasse» war Sergio Pellandini auf einer Suzui in der Saison 1984 (WM-12). Eskil Suter hat 1998 als letzter Schweizer ein Rennen der «Königsklasse» bestritten (auf einer MUZ).


