Gross war der Aufruhr um den neuen Silberpfeil vor den letzten Testtagen an diesem Wochenende in Bahrain: Mercedes präsentierte einen superschlanken Boliden, der keine Seitenkästen mehr zu haben scheint. Stattdessen sind auf den Flanken des W13 lediglich Kühlerschlitze zu sehen, die Rückspiegel sind auf den zu einem Zusatzflügel umgewandelten Seitenaufprallelementen befestigt.
Die Konkurrenz war geschockt und fragte sich bereits laut, ob das radikale Design auch legal sei. Gemäss «Sport1» hatte Ferrari am Freitag sogar eine offizielle Anfrage bei der FIA platziert. Doch diese winkte schnell ab und machte klar, dass Mercedes tatsächlich ein Schlupfloch im etwas ungenau formulierten Reglement gefunden hatte.
Mittlerweile hat sich der Rauch etwas gelegt, denn Mercedes konnte bei den letzten Tests nicht mit den schnellsten Teams mithalten. Auf der heissen und welligen Strecke von Bahrain hüpfte der Wagen noch stark und so verloren Lewis Hamilton und George Russell teils viel Zeit auf Red Bull und Ferrari. «Wir liegen nach unserer Rechnung etwa eine halbe Sekunde hinter ihnen», erklärte ein Mercedes-Ingenieur gegenüber «Auto, Motor und Sport».
Lewis Hamilton schlug deshalb bereits Alarm. «Im Moment glaube ich nicht, dass wir um Siege kämpfen werden», sagte der siebenfache Weltmeister nach dem letzten Testtag im Wüstenstaat. Sein Mercedes-Team spulte mit 384 Runde zwar die meisten Einheiten ab, doch seine Eindrücke waren durchwachsen.
«Dass wir nicht die Schnellsten sind, ist sicher jedem klar», sagte Hamilton, der in diesem Jahr als erster Fahrer zum achten Mal Weltmeister werden möchte. «Ferrari scheint am schnellsten zu sein, und vielleicht Red Bull und dann wir oder McLaren. Wir sind derzeit nicht an der Spitze», so der einstige Dauersieger.
Die aktuelle Situation fühle sich «ganz anders an als letztes Jahr», sagte Hamilton: «Es sieht nicht so gut aus.» Er sieht Mercedes vor grossen Herausforderungen, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. «Mir wurde gesagt, dass wir eine beträchtliche Menge Geschwindigkeit finden müssen», erklärte Hamilton, was seiner Meinung nach etwas länger dauern könnte.
Red Bull und Ferrari, die in Sachen Design den genau gegensätzlichen Weg von Mercedes eingeschlagen haben und sehr breit bauen, vermochten von den zehn Teams am meisten zu überzeugen. Zum Abschluss der Tests fuhr Titelverteidiger Max Verstappen im Red Bull am Samstag vor Ferrari-Pilot Charles Leclerc die schnellste Runde.
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— Formula 1 (@F1) March 12, 2022
Bei Ferrari nimmt man die Testergebnisse von Mercedes und die Aussagen von Hamilton allerdings nicht allzu ernst: «Wir erleben seit fünf oder sechs Jahren, dass Mercedes bei Tests beteuert, wie schwierig alles sei. Aber das glaube ich keine Sekunde», erklärte der spanische Pilot Carlos Sainz. «Anhand der GPS-Daten können wir sehen, was Sache ist und – ich sage besser nicht mehr dazu. Aber all das ist typisch Mercedes. Immer hübsch den Gegner starkreden, und dann kommen sie zum Rennen und fahren alles in Grund und Boden.»
Max Verstappen ist ähnlicher Ansicht: «Es läuft tatsächlich immer ein wenig nach dem gleichen Muster ab. Wenn ein Rivale eine gute Leistung zeigt, dann heisst es: ‹Wir sind gewiss nicht Favorit.› Und dann eine Woche später, wenn die Dinge beim Rennen gut laufen, heisst es: ‹Oh, wir haben die Wende in nur einer Woche geschafft. Das ist nicht normal, unglaubliche Arbeit›», so der aktuelle Weltmeister.
That's it for testing, learned a lot ✊
— Max Verstappen (@Max33Verstappen) March 12, 2022
One week to go, can't wait to get started ⏱ pic.twitter.com/RTMNX6UXeF
Verstappen hatte schon zuvor immer wieder betont, man solle nichts auf die Rundenzeiten geben. «Vor einem Jahr haben wir ähnliche Töne von Mercedes gehört, als wir beim Wintertest die Schnellsten waren, und dann haben sie das erste Rennen gewonnen.» Auf die Frage, welches Team ihm Eindruck gemacht habe, antwortet der Niederländer: «Ferrari war konstant schnell. Ich bin davon überzeugt, dass sie ein solides Auto haben.»
Ob Mercedes nur geblufft oder sich mit dem radikalen Design des W13 tatsächlich vergriffen hat, werden wir spätestens am kommenden Freitag sehen. Dann beginnt in Bahrain mit zwei Trainings das erste GP-Wochenende der neuen Saison. Am Samstag steht das Qualifying auf dem Programm, am Sonntag um 16.00 Uhr folgt dann das Rennen.