Viele Schweizer gab es in der NBA noch nicht. Bisher spielten erst Thabo Sefolosha und Clint Capela ein Pflichtspiel in der besten Basketball-Liga der Welt. Ersterer erreichte mit den Oklahoma City Thunder den Final und war zeitweise einer der besten Defensivspieler der Welt. Letzterer geht in seine elfte Saison in der NBA und ist bei den Atlanta Hawks nach wie vor Stammspieler.
Dennoch hält sich das Interesse an Capela in der Deutschschweiz in Grenzen. Einerseits dürfte dies daran liegen, dass der 30-Jährige Genfer ist. Andererseits hängt dies aber auch mit der eher unspektakulären Spielweise des Centers sowie der Position an sich zusammen. Die grossen Stärken Capelas sind das Rebounding und das Verteidigen am Korb, wobei er in der Hinsicht nachgelassen hat.
Im Falle von Kyshawn George sollte mangelndes Interesse aber kein Problem sein – sofern er seine Stärken aus seiner College-Zeit auch bei den Profis ausspielen kann. Der 20-jährige Walliser dürfte bald zum dritten Schweizer in der NBA werden. Im April wurde George mit dem 24. Pick im Draft von den New York Knicks gedraftet und sofort zu den Washington Wizards getradet. In der Nacht auf Mittwoch geht nun die neue Saison los, wobei Washington erst in der Nacht auf Freitag (1 Uhr Schweizer Zeit) gegen Meister Boston erstmals im Einsatz steht.
Ob George dann ebenfalls schon auf dem Feld stehen wird, ist unklar. Früher oder später dürfte er sich seinen Traum aber erfüllen. Schon als kleiner Junge habe er gesagt, dass er eines Tages in der NBA spielen wolle. «Es war schon immer mein Traum und mein Ziel», erzählte George gegenüber RTS, «ich hatte keinen Plan B.» Wie sehr er seinen Sport liebt, zeigt auch, dass er selbst beim Interview mit dem Westschweizer Fernsehsender und beim Draft stets einen Basketball in der Hand hatte. In der Vorbereitung konnte der flexibel einsetzbare Small Forward aus Monthey schon mal überzeugen.
Kyshawn George 14 PTS on 5/6 FG
— Brett Usher (@UsherNBA) October 10, 2024
The versatile 6’8 rookie, 20, was impressive defensively as well pic.twitter.com/gWGakWJSC0
Nach der Summer League, in der die NBA-Teams mit ihren jungen Talenten antreten, lobte «SB Nation» den Schweizer für seine Defensivarbeit und seine intelligente Spielweise. Als Werfer konnte er dort ebenso überzeugen wie in den fünf Testspielen im Oktober. 9 seiner 20 Dreipunktewürfe fanden ihr Ziel, eine hervorragende Quote. Neben der Wurfstärke und seinem Basketball-IQ sieht George vor allem seine Variabilität als grosse Stärke. So kann er bis auf Center alle vier Positionen spielen und verteidigen.
Darin liegt auch schon der Grund, weshalb er das Potenzial dazu hat, ein Liebling nicht nur der NBA-Fans, sondern auch der Experten zu werden. Schon in seinem Jahr an der Universität von Miami glänzte der 2,03-Meter-Mann als starker Distanzschütze und Verteidiger. Die sogenannten «3-and-D»-Spieler geniessen hohes Ansehen, weil sie in jedes Team passen und dem Erfolg sehr zuträglich sind. Kann sich George als solcher in der NBA etablieren, dürfte er eine lange Karriere geniessen.
Seine Mitspieler zeigten sich bereits begeistert von ihrem neuen Teamkollegen, der hinter Alex Sarr (2. Stelle) und Bub Carrington (14. Stelle) nun Washingtons 3. Erstrundendraft von diesem Jahr ist. So lobte Jordan Poole, dass Georges «Gelassenheit und die Art, wie er spielt» für einen Rookie ungewöhnlich seien. Kyle Kuzma verglich den jungen Schweizer gar mit Mikal Bridges. Der Knicks-Star gilt als einer der besten «3-and-D»-Spieler der NBA.
«Ich bin kein Freund von Vergleichen», sagt Kyshawn George im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA und führt aus: «Ich versuche nicht, wie jemand zu sein, sondern wie ich selbst. Trotzdem ist das ein Kompliment.» Komplimente gibt es auch schon von den Fans. So schreibt ein Wizards-Anhänger auf Facebook: «Ich bin so gespannt auf ihn wie auf keinen anderen Erstrundenpick.» Ein anderer antwortet: «Genau! Er lernt schnell und sah in der Vorbereitung grossartig aus.»
Damit ihm der Sprung zu den Profis gelingt, werden ihm seine Eltern zur Seite stehen. George hat ihnen eine Wohnung in Washington gemietet, sein kanadischer Vater Deon, der in der Schweiz und Frankreich professionell Basketball spielte, legt dafür extra ein Sabbatjahr ein. «Es ist ein bisschen, um die verlorene Zeit nachzuholen, denn ich habe seit meinem 15. Lebensjahr allein gelebt», so Kyshawn George.
Als er vor fünf Jahren nach Chalon (rund 200 Kilometer nordwestlich von Genf) wechselte, war er erst 1,73 m gross. Dann kam der Wachstumsschub – und mit ihm Schmerzen und Knieprobleme, die George zu einer Pause zwangen. Heute sagt er: «Ich bin froh, diese schwierige Phase gehabt zu haben, denn es wird immer wieder solche Zeiten geben. Jetzt bin ich dafür vorbereitet.»
Dass er mit den Washington Wizards vorerst keine Bäume ausreissen wird, ist ihm bewusst. So war das Team aus der Hauptstadt in der letzten Saison mit 15 Siegen das zweitschlechteste Team der NBA. Viel dürfte sich daran vorerst nicht ändern. «Wir befinden uns in einer Phase des Wiederaufbaus», sagt George und erklärt: «Wir müssen die Grundlagen für die Zukunft schaffen.»
Für sich selbst gibt er als Ziel vor, ins Team der besten Rookies gewählt zu werden. In jedem Fall werde er die Zeit in der NBA aber geniessen: «Ich verdiene Geld mit dem Sport, den ich liebe. Das ist das Beste daran. Es gibt viele Leute, die immer von etwas träumen, aber dies in ihrem Leben nie erreichen. Daher versuche ich, jeden Moment zu schätzen und glücklich darüber zu sein, dies erleben zu dürfen.»
Da er etwas attraktiver spielt als Sefolosha (war ja vA ein extrem starker Verteidiger) und Capela (das Spiel der Big Man’s mag man oder nicht) könnte er vielleicht auch den einen oder anderen begeistern der bisher nichts mit der NBA zu tun hatte.
Übrigens, alle 3 Schweizer waren bisher 1.Round Picks und die anderen beiden konnten sich durchsetzen. Bei den Wizards sind die Chancen wohl auch höher als bei den Knicks.
Gerne mehr davon 😊