Das sieht man im Sport nicht häufig. Im Sommer verzichtete Basketball-Star Jalen Brunson auf über 100 Millionen Dollar – für den Erfolg. Anstatt ein weiteres Jahr zu warten und seinen Vertrag dann für fünf Saisons und insgesamt 269,1 Millionen Dollar zu verlängern, unterschrieb er schon jetzt für zusätzliche vier Jahre bei den New York Knicks. Der Lohn beträgt 156,5 Millionen Dollar und damit deutlich weniger, als er im nächsten Sommer hätte kassieren können.
Selbstverständlich muss man etwas relativieren, da er einerseits für ein Jahr weniger unterschrieben hat und andererseits genau nach seiner zehnten NBA-Saison wieder neu verhandeln kann. In der nordamerikanischen Basketballliga dürfen Spieler höher dotierte Verträge unterschreiben, je länger sie in der NBA spielen. Ab zehn Profisaisons ist der Betrag am höchsten. Brunson könnte 2028 einen Vertrag von geschätzt 417 Millionen Dollar über fünf Jahre unterschreiben. Er ging also durchaus etwas taktisch vor.
Dennoch verzichtet er auf eine Menge Geld und geht damit auch ein Risiko ein, im Falle einer schlimmen Verletzung oder eines Leistungsabfalls keinen so hohen Vertrag mehr unterschreiben zu können. Teamkollege Josh Hart schrieb nach Brunsons Unterschrift: «Baut ihm eine Statue.» Auch sonst wurde der 28-Jährige für diesen Entscheid gefeiert, nicht nur von Knicks-Fans. Und nun scheint sich Brunsons Verzicht bereits ausgezahlt zu haben.
Denn die New York Knicks haben den zusätzlichen Raum unter der Gehaltsobergrenze genutzt, um sich in dieser Woche einen weiteren waschechten Star zu sichern. Per Trade konnten sie Karl-Anthony Towns aus Minnesota loseisen. Der 2,13 m grosse Dominikaner, der in neun Jahren als Profi bisher nur für die Timberwolves gespielt hat, ist auf seinen Positionen – Towns kann als Power Forward und als Center eingesetzt werden – einer der besten Werfer der NBA-Geschichte. Spätestens durch seine Ankunft in New York sind die Knicks einer der ganz grossen Titelkandidaten.
Dies liegt neben Towns auch an Mikal Bridges, der zweiten grossen Neuverpflichtung in der Saisonpause. Der 28-Jährige ist einer dieser Spieler, die jedes Team gerne hätte, die ihre Stärken sowohl bei den Dreipunktewürfen als auch in der Defensive besitzen. Und von dieser Sorte ist Bridges einer der Besten. Dass im Gegenzug für Towns mit Julius Randle und Donte DiVincenzo nur zwei relevante Spieler abgegeben werden mussten, spielt den Knicks zusätzlich in die Karten. Zumal Randle schon letzte Saison lange verletzt und das Team dennoch sehr erfolgreich war, und DiVincenzo unter anderem durch Bridges gut zu ersetzen sein sollte.
Der Hauptgrund für die wiedererstarkten Knicks, die in den 90er-Jahren angeführt vom legendären Patrick Ewing zweimal in den Finals standen, ist aber Jalen Brunson. Der Mann, der auf fast 113 Millionen Dollar verzichtet hat, damit sein Team ihm die bestmöglichen Spieler zur Seite stellen kann. Denn Brunson will einen Titel: «Es würde die Welt bedeuten für das Team und den Staat New York.»
Der Point Guard kam 2022 aus Dallas, die Knicks hatten zuvor in neun Jahren nur einmal die Playoffs erreicht und keine einzige Playoffserie gewonnen. Mit ein Grund für den Wechsel war, dass sein Vater Rick Brunson im selben Jahr in New York als Assistenztrainer anheuerte. Vor allem träumte Jalen Brunson aber davon, selbst etwas aufzubauen. Zu beweisen, dass er mehr sein kann als der Rollenspieler, der er in Dallas im Schatten von Luka Doncic und zeitweise Kristaps Porzingis war.
Brunson war nie der ganz grosse Star. Er blieb drei Jahre am College, und damit deutlich länger als viele andere NBA-Stars. Im Draft wurde er dann trotz einer hervorragenden Saison, in der er Villanova zum Titel führte, erst in der zweiten Runde ausgewählt. Dann musste er bis zu seiner vierten Saison warten, um bei den Dallas Mavericks zum Stammspieler zu avancieren. Diese bemühten sich anschliessend aber nicht so sehr um ihn wie die Knicks, die Brunson einen Vierjahresvertrag über 104 Millionen Dollar boten.
In den Augen vieler Experten war dies zu viel Geld. Sie sollten sich irren. Gleich in seiner ersten Saison machte Brunson einen grossen Schritt und zeigte, dass er bereit war für eine grössere Rolle als in Dallas. Im Schnitt erzielte er pro Spiel 24 Punkte und bereitete 6,2 Körbe vor, die Knicks erreichten erstmals seit 2012/13 die Playoff-Viertelfinals. In der vergangenen Saison steigerte er sich erneut, auf 28,7 Zähler, wurde erstmals zum All-Star gewählt und bekam die fünftmeisten Stimmen in der MVP-Wahl. New York stand erneut im Viertelfinal, wo es enttäuschend scheiterte.
Dass Brunson mittlerweile zu den Besten der Welt gehört, ist vor allem seinem hohen Basketball-IQ geschuldet. Der 1,88-m-Mann ist nicht besonders athletisch oder schnell, doch dies macht er mit seiner Spielintelligenz und seinem Willen mehr als wett. «Er war schon immer fokussiert und zielstrebig», sagt sein früherer College-Mitspieler Kris Jenkins gegenüber The Athletic und fügt an: «Dank seiner Persönlichkeit, seiner Hingabe und seiner Energie ist er ein Mensch, den man gerne um sich hat. Er opfert sich auf und ist selbstlos.» Brunson selbst sagt: «Ich arbeite nicht für individuellen Erfolg. Ich will gewinnen.»
Mit diesen Tugenden gelang es Brunson, eine Franchise, die seit 1973 keinen Titel mehr gewonnen hat und zur Lachnummer verkommen war, wieder respektabel zu machen. Es gelang ihm, Fans, die ihrem Unmut immer wieder lautstark Luft machten und bei denen man zeitweise das Gefühl hatte, dass sie ihr eigenes Lieblingsteam hassen, zu besänftigen.
Es gelang ihm, der Basketball-Stadt New York die Hoffnung zurückzubringen.
83.4 Mio. pro Jahr oder 228'493.00 pro Tag oder 2.64 pro Sekunde.
Oder anders ausgedrückt: es ist nur noch pervers!