Sie erzielte so viele Punkte und verwandelte so viele Dreier wie noch nie eine Basketballerin in ihrem ersten Jahr in der besten Liga der Welt. Bei den Assists übertraf sie gar alle anderen WNBA-Stars mit 337 in einer Saison. Mit 19 Vorlagen in einer einzelnen Partie stellte Caitlin Clark ebenfalls einen neuen Rekord auf. Das US-Medium ESPN hat für ihre vielen weiteren Bestmarken gar einen eigenen Artikel aufgeschaltet.
Ausserdem qualifizierte sich Indiana vor allem dank ihr erstmals seit 2016 für die Playoffs. Die Regular Season endete in der Nacht auf Freitag mit einer 91:92-Niederlage gegen die Washington Mystics auf Platz 6 der 12 Teams. Am Sonntagabend (21 Uhr) beginnt die Viertelfinalserie gegen Connecticut. Man könnte meinen, für Clark laufe in ihrer Rookie-Saison alles wie geschmiert. Das könnte von der Wahrheit aber nicht weiter entfernt sein.
Gerade zu Beginn hatte Clark ihre Probleme. Nach ihrer phänomenalen Zeit am College zeigte sie sich in den ersten Profi-Spielen von ihrer ineffizienten Seite. Nach elf Spielen wies sie eine Trefferquote von knapp 36 Prozent auf, die ansonsten so sichere Distanzschützin verwandelte zudem nicht einmal 30 Prozent ihrer Würfe von hinter der Dreierlinie. Ausserdem verlor sie ungewohnt viele Bälle. Indiana gewann nur zwei dieser ersten elf Partien – wobei die Liga dem Team mit einem schweren Spielplan zum Auftakt keinen Gefallen getan hatte.
Doch auch die Gegnerinnen machten Clark das Leben schwer. Mit extremen Vorschusslorbeeren und als erster Pick im WNBA-Draft in die US-Liga gekommen, trug die 22-Jährige eine Zielscheibe auf dem Rücken. Wie schon im Studentinnensport sorgte Clark als Zugpferd neben anderen Jungstars wie ihrer Rivalin Angel Reese für Zuschauerrekorde. Die TV-Zahlen verdreifachten sich im Vergleich zur Vorsaison, ein Spiel der Indiana Fever gegen Las Vegas wurde gar von mehr Menschen geschaut als gewisse Playoff-Spiele der Männer.
Für Clarks Konkurrentinnen ist das aber auch eine Zusatzmotivation – so einem grossen Publikum können sie sich sonst eigentlich nie präsentieren.
Und so wurde die mit 1,83 Metern grossgewachsene, aber eher schmächtige Guard häufig hart angegangen und mehrmals schwer gefoult. Wie zum Beispiel im Fall von Chennedy Carter, welche Clark rempelte, obwohl der Ball zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Spiel war.
Chennedy Carter bumped Caitlin Clark for an away from the play foul 😳
— The Sporting News (@sportingnews) June 1, 2024
"That's not a basketball play," Clark told ESPN on the broadcast. pic.twitter.com/udTMmWFVyn
Nach dem Spiel wollte die 25-Jährige nicht über ihre Gegnerin sprechen, schrieb dann aber in den sozialen Medien: «Was hat sie drauf ausser Dreipunktewürfe?» Später erklärte Carter ihre Aktion damit, dass Clark sie zuvor mit dem Ellbogen im Gesicht getroffen hatte.
Der unterschiedliche Umgang mit der Schwarzen Carter und der Weissen Clark, die ebenfalls kein Kind von Traurigkeit ist und auch mal unsaubere Aktionen zeigt, sorgte in den USA für eine Debatte. Schon am College kam es zu einer Kontroverse, als Angel Reese Clark verhöhnte und danach viel Hass ausgesetzt war, während ihre Rivalin für ähnliche Aktionen gefeiert wurde. Clark sprang Reese zur Seite und erklärte: «Sie sollte dafür überhaupt nicht kritisiert werden. Provokationen und Trashtalk sind Teil des Sports und machen ihn attraktiver.»
Obwohl Clark auch die Aktion Carters als Teil des Spiels abtat und erklärte, mit der Härte umgehen zu können, witterten rechte Politiker hier eine Chance, den Vorfall für ihre Zwecke zu nutzen. Erst recht, als Clark nicht für die Olympischen Spiele nominiert wurde. Der Entscheid wurde auch von einigen Expertinnen und Experten kritisch gesehen, da die 22-Jährige einer der Hauptgründe für den Hype im Frauenbasketball ist. Aufgrund ihrer sportlichen Probleme zum Zeitpunkt der Kaderbekanntgabe sowie der mangelnden Erfahrung war der Entscheid aber erklärbar.
Dennoch fühlten sich konservative Politikerinnen dazu berufen, Clark als weisse und heterosexuelle Frau in einer von Schwarzen dominierten Liga mit vielen offen homosexuell lebenden Spielerinnen zu verteidigen. So führte die Republikanerin Nikki Haley an, dass Clark mehr Dreier getroffen und mehr Assists gegeben habe als jede Spielerin im US-Team. «Und trotzdem wird sie nicht für Olympia nominiert? Das Selektionskomitee sollte sich hinterfragen, ob das beste Team unser Land repräsentieren soll oder nicht.»
Wie sehr es Haley dabei wirklich ums Sportliche ging, darf infrage gestellt werden. Noch ein Jahr zuvor sprach sie bei einer Wahlkampfveranstaltung in Iowa, wo Clark damals am College spielte, über diese – und nannte sie «Caitlin Collins». Haley war aber nicht die Einzige, welche Clark missbrauchte, um das Narrativ der Rechten zu nähren, nach welchem es Weisse in der «woken» Welt immer schwieriger hätten.
Clark selbst wollte damit nichts zu tun haben und sich eigentlich auch nicht dazu äussern. Darauf angesprochen, ob es sie störe, dass ihr Name für diese Zwecke verwendet werde, sagte die Sportlerin: «Ich kann das nicht kontrollieren. Deshalb versuche ich nicht so viel darüber nachzudenken.»
Erst nachdem ein anderer WNBA-Profi sie dafür kritisierte und erklärte, dass Schweigen ein Luxus der von Homophobie oder Rassismus nicht betroffenen Personen sei, stellte Clark klar: «Es ist enttäuschend. Alle Menschen auf der Welt haben denselben Respekt verdient. Niemand sollte meinen Namen verwenden, um solche Meinungen zu propagieren.»
Zuvor hatte sie bereits erklärt, über die Nichtberücksichtigung für das Olympia-Kader nicht enttäuscht zu sein. «Es ist eine zusätzliche Motivation für mich. Ein Traum, für den ich weiter arbeiten kann», sagte Clark und fügte an: «Ich freue mich für diejenigen, die im Team sind. Ich werde sie anfeuern und hoffe, dass sie Gold holen.» Dies tat die USA auch ohne den aufstrebenden Jungstar.
In der Folge zeigte Clark aber auch, dass in Zukunft kein Weg mehr an ihr vorbeiführen wird. Seit den Olympischen Spielen ist sie eine der besten Spielerinnen der WNBA und erzielte im Schnitt über 23 Punkte sowie knapp 9 Assists bei guten Trefferquoten. Zuletzt schaffte sie in einem Spiel starke 35 Zähler. Einzig die Turnover konnte sie nicht ganz abstellen, was aber damit einhergeht, dass sie den Ball sehr häufig in den Händen hält. Mit ihren starken Auftritten verhalf sie Indiana zu 9 Siegen aus 14 Partien seit der Olympia-Pause.
Die Nebengeräusche haben zwar nicht aufgehört. Zuletzt wurde sie von rechts plötzlich attackiert, weil sie einem Instagram-Post von Taylor Swift ein Like gegeben hat – die Sängerin äusserte darin ihre Unterstützung für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Doch ablenken lässt sich Clark davon nicht. Schliesslich beginnt nun die wichtigste Phase der Saison. Und ein nationaler Titel wäre selbst für die ehrgeizige Serienrekordbrecherin, die am College in den letzten beiden Jahren im Final unterlag, ein Novum.