Nach solchen Auftritten ist Jerry Jones jeweils besonders reizbar. Am letzten Wochenende kamen die Dallas Cowboys, die in ihrem Selbstverständnis eigentlich ein Titelkandidat sind, gegen die Detroit Lions, einen echten Titelkandidaten, 9:47 unter die Räder. In Jones' 1,3 Milliarden Dollar teurem Palast. Deshalb war der Besitzer des American-Football-Teams mit einem Wert von über 10 Milliarden Dollar nicht gerade in bester Stimmung zu Gast bei einem lokalen Radiosender, wo er sich wöchentlich äussert.
Mit Kritik an sich selbst und der Leistung des Teams konfrontiert, platzte Jones plötzlich der Kragen. «Denkt ihr wirklich, dass ihr hier vor dem Mikrofon sitzen und mir sagen könnt, was ich falsch gemacht habe, ohne zu erwähnen, was alles richtig war?», wütete der Besitzer, der ebenfalls als General Manager fungiert. Als die beiden Moderatoren weitere kritische Fragen stellten, erklärte Jones, dass dies nicht ihr Job sei. «Es ist nicht eure Aufgabe, mich meine Entscheidungen erklären zu lassen und mich zu einer Entschuldigung zu drängen», polterte Jones und drohte: «Sonst hole ich andere Leute, um mir Fragen zu stellen. Das meine ich ernst.»
Cowboys-Reporter Jon Machota von «The Athletic» schrieb danach, dass er sich nicht erinnern könne, dass Jones in einer Radioshow je so aufgebracht gewesen sei. Dabei habe er seit 14 Jahren jeden der wöchentlich zwei Rundfunkauftritte gehört. Die Kritik an Jones war in den Medien gross, der 82-Jährige wurde häufig als Mobber und Tyrann bezeichnet.
Der Grund für den Ärger bei Jerry Jones dürfte nicht nur die Klatsche gegen Detroit sein, sondern die allgemeine Situation seiner Cowboys. So ist Dallas in dieser Saison in allen Belangen schlechter als im Vorjahr, als es die Regular Season mit zwölf Siegen aus 17 Spielen als Zweiter der Conference abschloss und vor allem defensiv zu den Besten der NFL gehörte. Derzeit stehen die Cowboys mit je drei Erfolgen und Niederlagen da.
Der Hauptverantwortliche dafür ist wohl Jerry Jones selbst. Nach dem – einmal mehr enttäuschend frühen – Playoff-Aus im Januar kündete er an, dass die Dallas Cowboys «all-In» gingen. Sie würden also alles geben, um so schnell wie möglich einen Titel zu gewinnen. Koste es, was es wolle. Dann tat Jones … nichts.
Trotz in diesem Sommer erhöhter Gehaltsobergrenze wurde kein weiterer Star verpflichtet. Es ist die immer gleiche Geschichte. Die Cowboys nutzen Vertragsverhandlungen mit bisherigen Spielern als Ausreden für ausbleibende Ausgaben für Neuzugänge, in diesem Sommer wurden mit Receiver CeeDee Lamb und Quarterback Dak Prescott neue Verträge ausgehandelt. Letzterer ist mit 240 Millionen Dollar für vier Jahre nun der bestbezahlte Football-Profi der Geschichte. Die Löhne der Cowboys-Spieler werden von vielen Experten als zu hoch angesehen – vor allem im Falle von Prescott und vor einigen Jahren auch Runningback Ezekiel Elliott.
Somit fehlt GM Jones, dessen Assistent sein eigener Sohn ist, aber das Geld, um für Breite im Kader zu sorgen und auch andere Positionen zu stärken. Andere Teams mit jüngeren und womöglich smarteren Verantwortlichen bringen diese Dinge hingegen unter einen Hut. Im Vergleich ist das Talentlevel bei den echten Titelanwärtern deutlich grösser als bei den Cowboys. Es zeigt, dass Jerry Jones den Bezug zum modernen American Football verloren hat.
Verdeutlicht wird diese Tatsache dadurch, dass Dallas seit der Saison 1995/96 nicht mehr im Halbfinal stand. Dabei gewannen die Cowboys in den sieben Saisons nach Jones' Übernahme im Jahr 1989 noch drei Super Bowls. Nach dem zweiten Titelgewinn in Serie zerstritt er sich mit dem erfolgreichen Trainer Jimmy Johnson, woraufhin dieser zurücktrat. Jones hatte behauptet, dass jeder Trainer mit diesem Team den Super Bowl hätte gewinnen können.
Schon damals wollte sich Jerry Jones selbst profilieren. Und auch jetzt bekommt man manchmal das Gefühl, als wolle er allen Kritikern beweisen, dass er eben doch recht habe. So zum Beispiel mit dem Festhalten am in der Kritik stehenden Trainer Mike McCarthy. Schon dessen Verpflichtung wurde im Jahr 2020 nicht von vielen verstanden.
Spätestens nachdem die Cowboys in den letzten Playoffs als klarer Favorit von den Green Bay Packers gedemütigt wurden, wurde dann eine Entlassung erwartet. Zumal wohl jeder verfügbare Trainer dem Ruf von «America's Team» gefolgt wäre. Doch anstatt ein junges Offensivgenie zu verpflichten, stärkt Jones dem 60-jährigen McCarthy weiterhin den Rücken.
Damit droht sich der Mann, der durch sein Öl- und Gasunternehmen ein Vermögen von über 15 Milliarden Dollar angehäuft hat, immer stärker seinen Ruf zu zerstören. Beliebt ist Jerry Jones bei den Fans der Dallas Cowboys zwar schon lange nicht mehr, aber mit jedem weiteren gehässigen Auftritt im Radio und jedem weiteren sportlich erfolglosen Jahr zersägt der langjährige und eigentlich respektierte NFL-Franchise-Besitzer, der sein Team zum wertvollsten der Welt gemacht hat, seinen Thron in immer kleinere Stücke.