«Es schadet uns, wenn wir gut spielen», sagt Nick Chubb und bringt das Problem der Runningbacks in der NFL auf den Punkt.
Was der American-Football-Profi der Cleveland Browns gegenüber «The Athletic» damit sagen will: Wenn er und andere Spieler auf seiner Position starke Leistungen zeigen, würden die Teams danach argumentieren, «du bist wahrscheinlich abgenutzt und erschöpft». Deshalb würden derzeit viele Runningbacks darum kämpfen, einen neuen Vertrag zu bekommen, der dem Wert, den sie in ihren Augen haben, entspricht.
Zu diesen gehören Josh Jacobs und Jonathan Taylor, die beiden Spieler mit den jeweils meisten erlaufenen Yards in den letzten beiden Saisons. Mit Dalvin Cook und Austin Ekeler kommen zwei erfahrene Profis dazu, die ebenfalls zu den besten Runningbacks gehören. Dass Spieler wie sie keine langfristigen und gut dotierten Verträge erhalten, während die Gehälter von Quarterbacks, Wide Receivern oder auch vielen Defensivspielern unaufhaltsam steigen, sorgt für Wut bei Jacobs, Taylor und Co., aber auch bei anderen Laufspezialisten. «Das ist kriminell», schreibt beispielsweise Christian McCaffrey und fügt an: «Das sind einige der besten Spieler in der Liga, egal auf welcher Position.»
Deshalb organisierte Ekeler in der letzten Woche eine Videokonferenz mit einigen NFL-Runningbacks, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Doch sie befinden sich in einer schwierigen Position, wie auch Chubb zugibt: «Es ist hart, aber wir können eigentlich nichts tun.»
Denn die Teams sitzen am längeren Hebel. Aufgrund des Franchise-Tags können sie pro Jahr einen Spieler daran hindern, den Verein zu verlassen, obwohl dessen Vertrag ausgelaufen ist. Dieser ist nicht verhandelbar und zwingt die Profis sozusagen, bei ihren Teams zu bleiben. Ausserdem hat die Vergangenheit gezeigt, dass Runningbacks im Vergleich zu Spielern auf anderen Positionen deutlich besser zu ersetzen sind.
Dies erklärt auch die Haltung, die beispielsweise ESPN-Draft-Experte Matt Miller vertritt. Die beste Strategie sei es, «im Draft einen Runningback zu holen, diesen spielen zu lassen, und sobald er einen neuen Vertrag bekommen müsste, einen neuen Runningback zu draften». Die Aussagen sorgten bei vielen Stars der Position für Unverständnis. Derrick Henry antwortete: «Wenn man so denkt, könnt ihr die Position auch einfach streichen.»
Jacobs weigerte sich bisher, den Franchise-Tag bei den Las Vegas Raiders zu unterschreiben. Tut er dies weiterhin nicht, verzichtet er auf über zehn Millionen Dollar. Unterschreibt er das Angebot, würde er seinen bisherigen Karriereverdienst hingegen fast verdoppeln. Doch bei den Spielern geht es mittlerweile um mehr als das Geld: Sie wollen einen Standpunkt und damit ihren Wert klarmachen.
Im Fall von Jonathan Taylor, dem besten Runningback der Saison 2021/22, eskalierte dieser Vertragsdisput mit den Indianapolis Colts nun zu einem regelrechten Krieg der Worte. Der Besitzer der Colts, Jim Irsay, schrieb über die Situation der Runningbacks zuletzt auf Twitter: «Wir haben über mehrere Jahre einen Tarifvertrag zwischen Liga und Spielervereinigung ausgehandelt. Dass nun Spieler einer gewissen Position plötzlich nachverhandeln wollen, ist unangebracht.» Ausserdem warf er einigen Spielerberatern vor, «böse Absichten» zu vertreten.
Malki Kawa, Berater von Taylor, antwortete darauf: «Böse Absicht ist, seinen besten Offensivspieler nicht zu bezahlen.» Zwar ruderte Irsay in der Folge zurück und sprach davon, Taylor unbedingt halten zu wollen, doch gab es weiterhin kein Angebot für den 24-Jährigen, dessen Vertrag noch ein Jahr läuft. Ein Gespräch, das zwischen Teambesitzer und Spieler schlichten sollte, führte in der Folge zum Gegenteil. Am Samstag wurde berichtet, dass Taylor einen Trade verlangt habe. Irsay stellte jedoch sofort klar: «Wir werden ihn nicht traden.» Am Training nahm Taylor bisher nicht teil.
Eine einfache Lösung für das Problem gibt es nicht. Die Teams wissen, dass es nicht unbedingt erfolgsversprechend ist, einen Laufspezialisten zu bezahlen. Keiner der letzten Super-Bowl-Sieger hatte einen teuren Runningback auf der Vertragsliste. Und so ist die einst wichtigste Position im American Football mittlerweile – abgesehen von Puntern und Special-Teams-Spielern – im Schnitt am schlechtesten bezahlt.
Dies, obwohl sie zusammengezählt mit Abstand die meisten Laufversuche und Passfänge haben. In der als «Touches» zusammengefassten Statistik sind die ersten 36 Spieler alles Runningbacks. Unter den Top 50 sind zwei Wide Receiver (Justin Jefferson und Tyreek Hill), drei Quarterbacks (Jalen Hurts, Justin Fields und Josh Allen) und 45 Runningbacks. Das bedeutet aber auch, dass die Laufspezialisten häufiger zu Fall gebracht werden als alle anderen. Und daraus folgt eine grosse Verletzungsanfälligkeit bei vielen Runningbacks, was ein weiteres Argument gegen langfristige und hoch dotierte Verträge ist.
So sieht NFL-Experte Mike Florio von «NBC» einen Fonds, aus dem alle Runningbacks leistungsspezifische Bezahlungen erhalten würden, als beste Lösung. Doch die 32 NFL-Teams davon zu überzeugen, wird Zeit brauchen – und möglicherweise radikale Methoden. Florios Vorschlag: «Die Runningbacks müssten sich im nächsten Jahr darauf einigen, den freiwilligen Teil der Saisonvorbereitung zu boykottieren.» Wenn die Liga dann nicht reagiere, werde sie es nie tun. Die Auseinandersetzung zwischen den Verantwortlichen und den Runningbacks wird die NFL also noch eine Weile beschäftigen.
Long story short. Solange noch RBs aus dem College nachkommen haben sie in der NFL einen schweren Stand.