Luana Bühler sitzt auf der Tribüne im Basler St. Jakob-Park. Sie trägt ein schwarzes Top und eine Sonnenbrille bei diesem Eröffnungsspiel der Schweizerinnen. Dass sie mit ihrem Team mitleidet, ist ihr anzusehen. Erst jubelt sie mit der Nati, dann schlägt sie beim Gegentreffer die Hände vor dem Gesicht zusammen. Eigentlich hätte die Luzernerin auf dem Rasen stehen sollen bei diesem Highlight des Schweizer Frauenfussballs gegen Norwegen.
Sie ist die unbestrittene Abwehrchefin der Nati, mit ihrer Erfahrung aus über 60 Länderspieleinsätzen bringt sie jeweils viel Ruhe ins Spiel der Schweiz. Doch eine Verletzung warf die Innenverteidigerin aus der Bahn.
Drei Wochen vor EM-Start sprach Bühler davon, auf einem guten Weg zu sein. Im Testspiel gegen Tschechien am vergangenen Donnerstag spielte sie die zweite Halbzeit und sagte im Fernsehinterview strahlend: «Mir geht es sehr gut.» Dennoch wurde sie von Pia Sundhage und ihrem Trainerteam kurz vor dem Turnierstart nach Hause geschickt.
Am Sonntag, einen Tag vor der offiziellen Ausbootung, deutet nur wenig auf ein EM-Aus von Luana Bühler hin. Im Berner Neufeld trainieren die Schweizer Fussballerinnen in einem öffentlichen Training. Bühler kann zwar nicht mit dem Team mittrainieren, absolviert eigene Übungen. Doch als sie danach mit Mitspielerinnen und Staffmitgliedern spricht, wirkt die Innerschweizerin gut gelaunt. Danach gibt sie voller Elan Autogramme, lässt Selfies knipsen. Bühler rennt sogar kurz ins Innere der Anlage, um weitere Autogrammkarten zu holen.
Es sollte der letzte Auftritt von Luana Bühler im Kreis des Nationalteams gewesen sein an dieser EM. Die 29-jährige Abwehrspielerin, die in den letzten Jahren mit guten Leistungen in der Bundesliga und in der englischen Women's Super League für Aufsehen gesorgt hat, ist beim Turnier selbst aussen vor und sitzt nur auf der Tribüne.
Den Entscheid gefällt haben nicht Ärzte oder Bühler selber, sondern das Trainerteam. Assistenztrainerin Lilie Persson sagt: «Wir haben an der WM 2015 mit Schweden den Fehler gemacht, dass wir zu viele verletzte Spielerinnen in das Kader genommen haben. Deshalb haben wir uns diesmal entschieden, den Fehler nicht zu wiederholen.»
An der WM 2015 fuhren die Schwedinnen mit Pia Sundhage als Cheftrainerin und Persson als Assistentin nach Kanada – und schieden bereits im Achtelfinale aus. Damals setzten die Schwedinnen unter anderem auf Stürmerin Lotta Schelin, die an Knieproblemen litt – und nach schwachen Leistungen im Turnier scharf kritisiert wurde.
Die Lehren des schwedischen Trainerstaffs haben nun also direkten Einfluss auf Luana Bühler. Doch: Wurde der Entscheid, Bühler daheim zu lassen, zu früh gefällt? An ihrer Stelle spielte Julia Stierli am Mittwochabend. Und eigentlich machte sie ihre Sache solide – bis zur 58. Minute. Erst verlor Stierli das Laufduell gegen Ada Hegerberg um Welten, dann jagte sie den Ball, beim Versuch, vor dem Tor zu klären, ins eigene Netz.
Stierli zeigt über die beinahe neunzig Minuten – kurz vor Schluss wird sie durch Ana-Maria Crnogorcevic ersetzt – keine prägende Leistung, sieht auch beim 1:1-Ausgleichstreffer nicht gut aus. Sie kann sich anders als Noelle Maritz oder Viola Calligaris nicht mit Monster-Tacklings im Strafraum auszeichnen. «Ich sehe, dass Hegerberg in der Mitte läuft – und ich dachte, ich müsse irgendwie hingehen, damit sie das Tor nicht macht. Ich hätte den Ball aber anders treffen müssen», bilanziert eine niedergeschlagene Stierli nach der Partie.
Tatsächlich ist es aber nicht so, dass Stierli sich den Platz im Team nicht verdient hätte. Seit Jahren ist sie immer dann zur Stelle, wenn sie gebraucht ist. So auch an der WM 2023. Dort spielt Luana Bühler im Schweizer Auftaktspiel gegen die Philippinen, fällt danach wegen muskulärer Probleme aber aus. An ihrer Stelle übernimmt Stierli – die ihre Sache insbesondere beim 0:0 gegen Norwegen sehr gut macht.
Trotzdem vermag Stierli die Fussstapfen einer Luana Bühler, die in fittem Zustand für die Schweizerinnen unverzichtbar ist, nicht ganz auszufüllen. Und in einem weniger fitten? Bei Captain Lia Wälti wichen die schwedischen Trainerinnen von ihrem Credo ab, behielten die Führungsspielerin im Kader, obwohl zunächst ein Einsatz im Eröffnungsspiel unklar war. Bei Luana Bühler entschieden sie anders und nominierten Laia Ballesté nach, anstatt Bühler für einen potenziellen Einsatz in Spiel zwei oder drei im Team zu lassen.
Hätte, könnte, wenn und wäre… nur wissen tun die Autoren des Artikels wohl nicht