Und wieder geht Tom Brady als Verlierer vom Platz. Muss Fragen beantworten, was falsch gelaufen ist. Doch dieses Mal lässt er sich Zeit. Mehrere Minuten sass er in der Garderobe regungslos vor seinem Spind, während seine Mitspieler bereits mit Reportern sprachen.
Auch an der Pressekonferenz machte Brady einen geknickten Eindruck. Die Durchhalteparolen scheinen nicht mehr ganz so leicht und überzeugend über die Lippen zu kommen. Sein Fazit nach der 22:27-Niederlage gegen die Baltimore Ravens in der Nacht auf Freitag (Schweizer Zeit): «Wir haben schlicht nicht gut genug gespielt, um zu gewinnen.»
Tom Brady sat at his locker for a good 12-15 minutes after Thursday’s loss, dealing with a three-game losing streak for the first time in 20 years. “We just didn’t play well enough to win.” pic.twitter.com/RHk9NxduAb
— Greg Auman (@gregauman) October 28, 2022
Die Pleite gegen Baltimore kam wenige Tage nach dem blamablen Auftritt beim 3:20 gegen Carolina, bei dem die Offensive der Tampa Bay Buccaneers ohne Touchdown blieb. Der Kommentator sprach vom «Tiefpunkt in Bradys Zeit bei den Bucs». Coach Todd Bowles sagte: «Es ist momentan so schlimm, wie es nur sein kann.»
Doch gegen die Ravens wurde es nicht viel besser. Zum ersten Mal seit 20 Jahren verlor Brady dreimal in Folge. Von acht Spielen gewann sein Team nur drei. Erstmals überhaupt ist der 45-Jährige so schlecht in die Saison gestartet.
Brady macht dabei nicht immer einen guten Eindruck. Auch im Spiel gegen Baltimore verfehlte er seinen offenen Passempfänger Mike Evans früh im Spiel in der Endzone und auch später beim Stand von 10:10 im dritten Viertel. Untypisch für den Quarterback.
Bad miss by Tom Brady to Mike Evans on what should've been an easy TD.
— The Comeback (@thecomeback) October 28, 2022
The Bucs were bailed out by a defensive holding call. #TNF 🏈 pic.twitter.com/Fy7Ijim8Pk
«Wir müssen besser spielen, vor allem in der Offensive», sagt Brady nach dem Spiel, «wir tun uns überall schwer.» Besonders auffällig sind die Probleme in der Redzone (zwischen der Goalline und der 20-Yard-Linie). In weniger als der Hälfte der Fälle erzielen die Bucs einen Touchdown, wenn sie vor der gegnerischen Endzone stehen. Nur drei Teams in der NFL sind schlechter.
Doch nicht alles darf an Brady festgemacht werden. Der 45-Jährige spielt zwar nicht mehr ganz so überragend wie auch schon, doch er gehört in vielen Bereichen immer noch zu den Besten der NFL. Zum Beispiel was die Pass-Yards angeht, wo er auf Platz 6 steht, oder beim Verhältnis von geworfenen Touchdowns zu Interceptions (9 zu 1), wo er der Beste ist. Doch die Verteidigungen können sich viel zu stark auf Brady einstellen. Denn das Laufspiel um Runningback Leonard Fournette ist das schwächste der Liga. Und die Offensive Line, die den Quarterback beschützen sollte, ist von Verletzungen geplagt und nicht mehr so stark wie in den vergangenen beiden Jahren.
Für Trainer Bowles ist klar: «Es ist düster. Wir müssen insgesamt besser spielen, nicht nur die Offense.» Damit nimmt er auch die Defense in die Pflicht. Diese war in den letzten beiden Jahren das Prunkstück von Tampa Bay. Vor allem, wenn es darum ging, die gegnerischen Runningbacks zu stoppen. In diesem Jahr lässt sich die Abwehr regelmässig düpieren. Wie zum Beispiel von Baltimores Kenyan Drake bei dessen Lauf über fast 40 Yards.
Dennoch hängt natürlich viel an Brady. Er ist der Leader des Teams. Und er ist jetzt in der Pflicht. Das Vertrauen der Kollegen in ihn ist ungebrochen. Receiver Mike Evans sagt: «Brady ist der Beste, den dieser Sport gesehen hat.» Die Playoffs sind noch immer in Reichweite – vor allem aufgrund der schwachen Division, deren Sieger automatisch für die entscheidende Phase qualifiziert ist. Doch Brady plagen auch neben dem Feld Sorgen.
Der American-Football-Star gab Anfang Februar seinen Rücktritt bekannt, nur um wenige Wochen später zu erklären, doch noch ein Jahr anzuhängen. Seine Ehefrau Gisele Bündchen, mit der er drei Kinder hat, soll mit der Entscheidung nicht einverstanden gewesen sein. Am Freitagabend gaben die beiden über eine Instagram-Story ihre Scheidung bekannt. Vielleicht hatte auch das einen Einfluss darauf, dass es bei Brady auf dem Feld nicht mehr ganz so gut läuft. Und immer mehr Leute fragen sich: War es vielleicht doch ein Jahr zu viel?