In einer Woche wird Feuz 35 Jahre alt. Er wird deshalb am Sonntag wohl die letzte Möglichkeit bekommen, seine Erfolgsbilanz mit Olympia-Gold in der Abfahrt zu veredeln. So jedenfalls ist die Ausgangslage für den Emmentaler in der allgemeinen Wahrnehmung.
Veredeln? Komplettieren? Feuz selber sieht das etwas pragmatischer. Seine Sichtweise ist eine andere. Für ihn hat anderes Priorität. Am Lauberhorn in Wengen, auf der Streif in Kitzbühel, dort hat er vor allem gewinnen wollen – und es mittlerweile auch je dreimal geschafft. Die Welt würde für ihn nicht untergehen, sollte es am Sonntag mit dem Sieg nicht klappen.
Trotzdem lässt Olympia Feuz natürlich nicht kalt. Selbstverständlich wäre es auch für ihn ein Traum, Gold zu holen. Silber und Bronze hat er schon. Vor vier Jahren in Pyeongchang in Südkorea wurde er Zweiter im Super-G und Dritter in der Abfahrt. Im Super-G fehlten ihm 13 Hundertstel zum Titel, in der Abfahrt 18 Hundertstel. «Klar will auch ich Olympiasieger werden. Aber es ist kein Wunschkonzert. Alle anderen wollen das auch. Es ist ein Eintagesrennen, das von vielen Faktoren abhängt. Ich habe in den letzten vier Jahren jedoch oft gezeigt, dass ich am Tag X bereit bin.»
Grossveranstaltungen in Ländern ohne Wintersport-Tradition sind nicht nach dem Geschmack von Feuz. Auch mit seiner Meinung zu Winterspielen in China hat er nie zurückgehalten. Er hat stets betont, seinen Aufenthalt in Fernost so kurz wie möglich zu gestalten, und sich deswegen die Freiheit genommen, zwei Tage nach seinen Teamkollegen nach Peking zu fliegen. Er hat es vorgezogen, länger bei seiner Familie zu bleiben, zu der seit knapp drei Wochen auch sein zweites Töchterchen Luisa gehört.
Mit den Gegebenheiten vor Ort in Yanqing, wo die Alpinen und die Bobfahrer ihre Wettkämpfe austragen, hat sich Feuz schnell angefreundet. «Es ist ja in Zeiten mit Corona nicht viel anders als im Weltcup. Auch da verbringen wir viel Zeit allein im Zimmer. Es passt so.» Für Feuz passt es nicht nur neben, sondern auch auf der neuen Abfahrtsstrecke. Da gerät er sogar etwas ins Schwärmen. Es tönt nach Zuversicht mit Blick auf den Sonntag. «Die Piste ist hart und kompakt, und auch in Bezug auf die Streckenführung gibt es nicht viel Schöneres.»
Die Zuversicht ist auch deshalb gross, weil Feuz beim Saisonhöhepunkt ohne körperliche Defizite antreten kann. Das mehrfach operierte linke Knie bereitet ihm keine Sorgen mehr. Die Probleme, die Mitte Dezember bei den Rennen in Val Gardena begonnen und ihm danach auch in Bormio und teilweise in Wengen zu schaffen gemacht haben, sind nicht mehr. «In Kitzbühel ist es wieder einen Schritt nach vorne gegangen. Ich hoffe, dass ich vor weiteren Rückschlägen verschont bleibe.»
Mit den perfekten Bedingungen und der Gesundheit ist es selbstredend nicht getan. Feuz weiss, dass es am Sonntag für Gold die perfekte Fahrt braucht. Die breite Spitze in der Abfahrt verzeiht keine Fehler. Für Halbwertiges ist die Konkurrenz zu gross, wie ein Blick in die Statistik im aktuellen Weltcup zeigt. In den neun Rennen gab es sechs verschiedene Gewinner. Einziger Mehrfach-Sieger ist Aleksander Kilde. Der von einem Kreuzbandriss genesene Norweger dominierte gleich dreimal.
Feuz seinerseits ist mit fünf Klassierungen unter den ersten drei der Konstanteste im Kreis der Besten, in dem sich in diesem Winter auch Niels Hintermann und Marco Odermatt etabliert haben. Der Zürcher wurde zweimal Dritter, der Nidwaldner dreimal Zweiter. Es sind Leistungsausweise, die auch sie zu Medaillenkandidaten machen. (dab/sda)