Ein Streber, eine Frohnatur, ein Sauertopf und natürlich ein charmanter Walliser. Das ist nicht die Besetzung einer Casting-Band, sondern jene der Schweizer TV-Sendung «Champion der Champions»:
Gemeinsam verbringen die sieben ehemaligen Sportgrössen eine Woche im warmen Andalusien, wo Moderator Lukas Studer der Sonne in einem Gilet trotzt.
«Braucht Angehrn wieder Geld?», war der erste Reflex, als ich auf der Redaktion von der Sendung erzählte. Andere Fragen lauten: Ist Beat Hefti wirklich die Appenzeller Antwort auf Obelix? Wann sehen wir Donghua Li auf der Waschmaschine der Villa turnen? Und hat Franco Marvulli den Mut, beim Zmorge aus Jux ein Fass Orangensaft vor Patty Schnyder auf den Tisch zu stellen?
«Am spannendsten finde ich die Sofa-Gespräche, bei denen man erfährt, wie es wirklich gewesen ist», sagt der frühere Boxer Stefan Angehrn schon im Intro. Da hat der Thurgauer einen Punkt – aber es ist keiner, der den Machern Freude machen sollte. Denn die sehr langen, persönlichen Rückblicke auf die Karrieren nehmen der Game-Show jeglichen Drive.
Es ist wirklich spannend, wenn Daniel Albrecht von seinem Aufstieg zum Weltmeister, dem lebensverändernden Sturz in Kitzbühel und dem Weg zurück auf die Skipiste erzählt. Und wenn Donghua Li über den Verlust seines siebenjährigen Buben spricht, kullern nicht nur bei den Villenbewohnern Tränen über die Backen. Wie soll man da als Zuschauer den emotionalen Sprung machen zur Heiterkeit von Moderator Studer, der das nächste Spiel ankündigt?
Diese Spiele prüfen, wie die einstigen Berufssportler heute noch zwäg sind. Konditionell, koordinativ, mental.
Beat Hefti ist mein Favorit, weil mir ein befreundeter Ex-Profisportler einmal eine Geschichte über den Bob-Olympiasieger erzählte. Im nationalen Sportzentrum in Magglingen gebe es einen Test, den beim Eintritt jede und jeder absolvieren müsse. Niemand habe es dabei je geschafft, eine Art Metallkäfig in die Höhe zu stemmen – bis Hefti kam. Wer soll also diesen starken Mann schlagen können?
Ich freue mich daher ein bisschen, dass Hefti tatsächlich gleich das erste Spiel gewinnt. Es gilt, einen Lastwagen-Pneu, aufs jeweilige Körpergewicht angepasst, über mehr als einen Kilometer einen Hügel hinaufzurollen. «Bi immer mit dä Chnü a dä huere Dings ane cho», klagt Angehrn, und zeigt eine Schramme am Knie. Der 60-Jährige wird Letzter.
Nach dem zweiten Spiel bringt der Velorennfahrer Franco Marvulli den besten Satz der ersten Folge. «Ich bin wie ein Dino: Grosse Klappe, schwache Arme!», kommentiert der Zürcher, nachdem er als Erster ausgeschieden ist, und imitiert einen Tyrannosaurus Rex. Die Teilnehmenden müssen, solange es geht, ihre Arme ausstrecken – und wieder ist es am Ende Beat Hefti, der gewinnt. Ich hätte vor der Sendung wetten sollen.
Angehrn, der vor dem Spiel meint, dass ihm diese Aufgabe liegen könnte, hat mit seiner Prognose recht: Er wird dieses Mal nicht Letzter. «Chasch nüt mache», sagt er, nachdem seine Arme gezittert haben, als hätte ihn Ralf Rocchigiani noch einmal kräftig durchgeschüttelt.
Natürlich sind alle Sportler mit vollem Einsatz dabei. Sie gehörten in ihren Disziplinen auch deshalb zu den besten der Welt, weil sie es hassten, zu verlieren.
Aber der Show mangelt es an Rivalitäten. Während sich in ähnlich aufgebauten Reality-TV-Sendungen intellektuell talentfreie Influencer verbal auf die Mütze geben, herrscht bei «Champion der Champions» – wenig überraschend – Friede, Freude, Eierkuchen. Dabei lebt ein Wettkampf vom gesunden Gegeneinander und nicht davon, dass sich Kontrahenten freundschaftlich anfeuern.
Die SRF-Sendung ist letztlich eine Outdoor-Variante des Super10Kampf und dieser verdankt seinen Erfolg zu einem grossen Teil der Stimmung im proppenvollen Hallenstadion. Die andalusische Sonne ist zweifellos schön, aber sie ersetzt kein Publikum. Sport ohne Zuschauer im Stadion, – das mussten wir während der Corona-Pandemie erfahren – ist oft eine triste, sterile Angelegenheit.
Das Hauptproblem ist und bleibt jedoch, dass uns mit den gelungenen Porträts und mit den Spielen zwei Sendungen in einer gezeigt werden. Weniger wäre mehr.