Sport
Sägemehlmeister Zaugg

ESAF 2025: So funktioniert die Einteilung der Gänge.

Samuel Feller, Eidgenoessischer Technischer Leiter, Mitte, bespricht mit seinem Team die Einteilung der Gaenge am Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) in Zug, am Samstag, 24. August 2019.  ...
Das Einteilungskampfgericht bei der Arbeit.Bild: KEYSTONE
Sägemehlmeister Zaugg

Wer muss am ESAF gegen wen kämpfen? Die geheimnisvollen «Königsmacher»

Geht eigentlich beim Schwingen alles mit rechten Dingen zu? Ja. Aber ein ganz besonderer Modus – der genialste der gesamten Sportwelt – wirkt für den Laien verdächtig.
29.08.2025, 14:2429.08.2025, 16:40
Mehr «Sport»

Es ist das mysteriöseste Machtzentrum des Sports. Um dieses Gremium ranken sich mehr Legenden als um das FBI. Seine Sitzungen während eines Schwingfestes sind geheimer als jene des sowjetischen Politbüros unter Obmann Josef Stalin. Und es beeinflusst seinen Sport stärker als Marc Lüthi den Büroalltag beim SCB.

Dabei ist die Bezeichnung so uncool und holprig, als handle es sich um eine Unterabteilung des Bundesamts für Statistik: Einteilungskampfgericht. Diesem Gremium verdankt das Schwingen die Attraktivität. Aber eben auch den bösen Ruf, es werde gemauschelt.

Es ist nicht möglich, dass jeder gegen jeden kämpft

Wenn in einem Kampfsport der Sieger aus über 200 Einzelkämpfern am Abend des zweiten Tages feststehen, wenn sich die Spannung während zwei Tagen stetig aufbauen und sich schliesslich in einem Final, dem sogenannten Schlussgang, entladen soll, dann muss eben eingeteilt werden. Es ist nicht möglich, dass jeder gegen jeden kämpft.

Wer gegen wen in die Hosen steigen muss, entscheidet dieses legendäre Einteilungskampfgericht. Sechs Männer sind in Mollis die «Königsmacher». Sie lenken die Dramaturgie eines Festes. Die technischen Leiter (Sportchefs) der fünf Teilverbände Bern (Roland Gehrig), Nordostschweiz (Fridolin Beglinger), Südwestschweiz (Christian Kolly), Nordwestschweiz (Guido Thürig) und Innerschweiz (Stefan Muff) plus Stefan Strebel als technischer Leiter des eidgenössischen Gesamtverbandes. Er hat den Vorsitz.

Rekurse? Sind nicht erlaubt

Diese Männer amten diskret ihres Amtes, ihre Namen sind dem breiten Fest-Publikum kaum bekannt, und das Einteilungsbüro ist das «Allerheiligste» beim Eidgenössischen. Es darf von Unbefugten nicht betreten werden und Rekurse gegen die Entscheide oder Reklamationen sind nicht erlaubt.

Samuel Feller, Eidgenoessischer Technischer Leiter, Mitte, bespricht mit seinem Team die Einteilung der Gaenge am Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) in Zug, am Samstag, 24. August 2019.  ...
Ausnahmsweise war 2019 für den Fotografen ein Blick in die heiligen Hallen erlaubt.Bild: KEYSTONE

Diese sechs «Königsmacher» arbeiten stehend um einen grossen Tisch herum, auf dem die Notenblätter aller Schwinger aufliegen. Sie arbeiten während des Festes unter Hochdruck eng zusammen und sind doch unerbittliche, mit allen Wassern gewaschene Rivalen. Sie vertreten beim Eidgenössischen mit allen Mitteln das Interesse ihres Teilverbandes. Sie versuchen alles, damit ihre Schwinger möglichst passende Gegner erhalten.

Es wird gefeilscht

Diese Einteilung läuft nach zwei einfachen Grundsätzen. Erstens: Es sollen immer die Besten – also jene mit den meisten Punkten aus den bisherigen Kämpfen – gegeneinander antreten. Zweitens: So lange wie möglich sollen es aber nicht zwei Schwinger aus dem gleichen Teilverband sein.

Um die Paarungen der zweiten Ranglistenhälfte gibt es kaum je eine Diskussion. Gefeilscht wird nur um die für den Ausgang des Fests entscheidenden Gänge. Der Vorsitzende, Stefan Strebel, schlägt die Paarung vor, die Mitglieder des Einteilungskampfgerichts können Einwände erheben und versuchen, ihren Kandidaten durchzubringen.

Blick in den Gabentempel des Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfestes 2025 Glarnerland+, am Freitag, 15. August 2025, in Mollis. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Wer eine schöne Glocke heimnehmen will, muss chäche Männer auf den Rücken legen.Bild: keystone

Diese Einteilung ist so entscheidend, weil nur selten ein Schwinger so stark, so böse und so überlegen ist, dass er ein Eidgenössisches gewinnt, egal welche Gegner ihm das Einteilungskampfgericht zuweist. Erst recht in Mollis mit dem an der Spitze vielleicht ausgeglichensten Teilnehmerfeld der Geschichte.

Schlaue Vertreter sind gefragt

Schwinger sind nicht in Gewichtsklassen unterteilt. Je nach Grösse, Gewicht, Kraft und Beweglichkeit bevorzugen sie völlig unterschiedliche Kampfstile. Es gibt Gegner, die einer aufgrund seiner Kampfweise fast nicht besiegen kann. Aber andere, die ihm dafür perfekt liegen. Das bedeutet: Die Männer im Einteilungskampfgericht müssen nicht nur Stärken und Schwächen der «Bösen» ihres Teilverbandes und jene der anderen Teilverbände kennen. Je besser, je schlauer der Vertreter eines Teilverbandes im Einteilungskampfgericht, desto besser für die Bösen seines Teilverbandes draussen im Sägemehl.

Stans 1989 ist bis heute das spektakulärste Beispiel, wie ein Eidgenössisches auch durch das Einteilungskampfgerichtes entschieden worden ist. Für die Berner sitzt der schlaue Metzgermeister Heinz Seiler im Gremium.

Adrian Kaeser, rechts, schwingt im Schlussgang gegen Eugen Hasler, links. Kaeser gewinnt den Kampf und wird am 21. August 1989 in Stans beim Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest Schwingerkoenig.  ...
Käser (rechts) wehrt sich gegen Hasler.Bild: KEYSTONE

Im Schlussgang wird der haushohe Favorit Eugen Hasler sensationell vom Berner Adrian Käser besiegt. Käser liegt nach dem ersten Tag lediglich auf dem 65. Rang. Er hat nun am Sonntag im fünften und sechsten Gang relativ leichte Gegner (beiden wird es nicht einmal zum Kranz reichen), punktet und steht nach sechs Kämpfen plötzlich in der Spitzengruppe. Klar ist allen, dass Käser nun im siebten Durchgang einen starken Gegner, einen ganz «bösen» bekommen muss.

Käser fällt den Baum

Es gibt einen ganz unangenehmen Gegner, scheinbar perfekt, um den Jungspund aus dem Bernbiet in den Senkel zu stellen: den bärenstarken, aber etwas ungelenken Zwei-Meter-Riesen Clemens Jehle vom nordostschweizerischen Teilverband. Der international gestählte Judo-Titan (Olympiateilnehmer 1984, EM-Medaillengewinner) mag schwingerisch etwas unbeholfen sein. Er ist aber so kräftig und hat einen so eisernen Griff, dass er jedem einen Gestellten (ein Unentschieden) abtrotzen kann.

Die Vertreter aus der Südwest-, Nordwest- und Innerschweiz im Einteilungskampfgericht sträuben sich dagegen, ihre Favoriten im zweitletzten Durchgang gegen Jehle antreten zu lassen. Der schlaue Seiler aber hat nichts dagegen, Käser gegen Jehle ins Sägemehl zu schicken. Er weiss, dass der technisch brillante Käser den Riesen leichter fällen kann als einen wendigen, technisch starken Gegner. Kommt dazu: Käser ist Hüfter-Spezialist und Jehle kann fast nur mit einem Angriff von der Seite (mit einem Hüfter) aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Und wenn der Riese fällt, ist die Maximalnote sicher und der Schlussgang möglich.

Und tatsächlich: Käser fällt Jehle wie einen Baum, bekommt die Maximalnote 10, zieht in den Schlussgang ein und wird mit 18 Jahren der jüngste König der Geschichte. Mit ziemlicher Sicherheit war damals nur der unbekümmerte, kecke, technisch brillante Berner dazu in der Lage, den himmelhohen Favoriten Hasler zu besiegen. Für Jehle hat es 1989 in Stans immerhin noch zum Kranz gereicht.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Favoriten am ESAF 2025 in Mollis
1 / 14
Die Favoriten am ESAF 2025 in Mollis

Das Sägemehl in Mollis wird gepflegt. Am Sonntag verlässt es einer von 274 Teilnehmern als Schwingerkönig.

quelle: keystone / gian ehrenzeller
Auf Facebook teilenAuf X teilen
ESAF 2025 – So gut kennt ihr euch im Schwingen aus
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
10 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Zanzibar
29.08.2025 15:08registriert Dezember 2015
Wahnsinn was wir für einen Sport in der Schweiz haben welcher in diversen Kategorien „der beste der Welt“ ist:

- der beste Modus der Sportwelt
- die besten Schieds- bzw. Ringrichter
- die grösste temporäre Arena aller Zeiten
- das friedlichste Publikum

Jeden Tag lesen wir von neuen Superlativen!
244
Melden
Zum Kommentar
10
An den US Open wird mitten im Stadion ein Fan durch eine Pistolenkugel verletzt
4. September 1977: Kurz nach Beginn des US-Open-Spiels zwischen John McEnroe und Eddie Dibbs schreit ein Fan auf der Tribüne laut auf. Eine Kugel hat ihn am Oberschenkel getroffen. Wer sie abgefeuert hat, ist bis heute ungeklärt.
James Reilly ist 33 Jahre alt. Gelber Blazer, Sitzplatz auf der Nordtribüne, Portal 8, im Forest Hills Stadion. Es ist 21.30 Uhr. Reilly ist einer von 6943 Zuschauern, die an diesem Sonntagabend das Drittrundenspiel des aufstrebenden John McEnroe gegen Eddie Dibbs sehen wollen. Er ist derjenige der 6943 Zuschauer, der das Spiel wie kein anderer in Erinnerung behalten wird.
Zur Story