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ESAF: Kein König? Die Angst vor einem gestellten Schlussgang geht um

Joel Wicki, mitte, verletzt sich gegen Samuel Giger, rechts, im 1. Gang beim 114. Innerschweizer Schwing- und Aelplerfest auf der Sportanlage Wintersried in Ibach am Sonntag, 4. Juli 2021.(KEYSTONE/Ur ...
Joel Wicki und Samuel Giger zählen zu den heissesten Königsanwärtern. Bild: keystone

Die Angst vor einem gestellten Schlussgang – was, wenn es keinen Schwingerkönig gibt?

Samuel Giger könnte in Pratteln am Wochenende neuer Schwingerkönig werden. Oder Joel Wicki oder Pirmin Reichmuth. Aber es könnte auch kein Schwingerkönig gekrönt werden – ein ziemlich unpopuläres Szenario.
24.08.2022, 10:35
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Ein Schwing-Modefan geht über das Wochenende ins Ausland. Er geht wandern und hat keinen Handy-Empfang. Am Montag kommt er zurück und will von seiner Frau wissen, wer denn nun Schwingerkönig geworden sei. «Niemand, soviel ich weiss», sagt die Frau. «Aber irgendeiner muss doch Erster gewesen sein.» Der Schwing-Modefan will es nicht glauben.

Der Berner Matthias Glarner wird von einer Ehrendame zum neuen Schwingerkoenig gekroent am Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) Estavayer2016 in Payerne, am Sonntag, 28. August 2016. (KEYS ...
Die Krönung des Schwingerkönigs: 2016 ist es Matthias Glarner.Bild: KEYSTONE

Er hat zum Teil recht. An jedem Schwingfest gibt es einen Sieger. Manchmal gibt es auch zwei oder – wie am letztjährigen Kilchberger Schwinget – drei Sieger. Aber an einem Eidgenössischen Fest ist der Sieger nicht automatisch der Schwingerkönig. Der Titel des Schwingerkönigs muss am späten Sonntagnachmittag vom Einteilungskampfgericht und vom Zentralvorstand des Eidgenössischen Schwingerverbandes ESV extra vergeben werden.

Am einfachsten ist die Sache, wenn einer der beiden Kontrahenten den Schlussgang gewinnt und dann der alleinige Punkthöchste ist. In diesem Fall wird ohne jede Diskussion sofort gejubelt und gefeiert. Es lebe der König.

Alle Schwingerkönige seit 1961

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Alle Schwingerkönige seit 1961
2022 in Pratteln: Joel Wicki.
quelle: keystone / peter schneider
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Aber nicht selten ist es eine Gratwanderung. Am Eidgenössischen 2010 in Frauenfeld zum Beispiel drohte ein Dilemma. Kilian Wenger gewann die ersten sieben Gänge. Er hatte einen so grossen Vorsprung, dass er vom Schlussgang-Gegner Martin Grab nicht mehr eingeholt werden konnte. Wenger besiegte auch Grab, alles war eindeutig.

Was aber, wenn Grab den Schlussgang gewonnen hätte? Wer sollte jetzt als König ausgerufen werden? Wenger, der die meisten Punkte hatte und Festsieger war, aber den Schlussgang verloren hatte? Oder Grab, der den Schlussgang gewann, aber nur am zweitmeisten Punkte hatte und nicht Festsieger war? Man kann heute nicht sagen, wie die Jury entschieden hätte. Eventuell wäre der Königstitel nicht vergeben worden, und Wenger hätte den nicht gerade beliebten Titel des «Erstgekrönten» bekommen.

2016 in Estavayer fehlte wenig zu einem ähnlichen Problem. Der 16-minütige Schlussgang dauerte nur noch 153 Sekunden, als Matthias Glarner Armon Orlik mit einem Stich-Angriff platt auf den Rücken beförderte. Auch hier eine klare Sache: Glarner war König. Wenn jedoch auch die letzten zweieinhalb Minuten resultatlos verlaufen wären, so wäre der damals 18-jährige Samuel Giger an Glarner und Orlik vorbeigezogen. Der Thurgauer wäre alleiniger Festsieger gewesen. Aber kann ein Festsieger, der nicht im Schlussgang war, Schwingerkönig sein?

Gefürchtete Szenarien

Es ist klar, dass man sich im ESV vor solchen Szenarien fürchtet. Die Crux ist in jedem Fall der gestellte Schlussgang. Allein durch die Gangdauer von heute 16 Minuten ist die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung hoch. Aber es ist nur eine Wahrscheinlichkeit, eine Garantie gibt es nicht. Der Eidgenössische Technische Leiter Stefan Strebel hat jüngst die strittigen Szenarien durchgespielt und herausgefunden, dass es elf (!) Möglichkeiten gibt, bei denen die Jury zuletzt entscheiden muss, ob sie den Titel vergeben will oder nicht.

Die Technischen Leiter der Teilverbände und der Zentralvorstand haben alle Varianten (König oder nicht König) erörtert und pro Variante vorentscheiden. Wenn immer möglich soll der Titel vergeben werden. Auch die breite Öffentlichkeit könnte kaum verstehen, warum nach diesem gigantischen Fest kein Schwingerkönig gekrönt wird.

Zuschauer beobachten den 5. Gang am Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) in Zug, am Sonntag, 25. August 2019. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Das Publikum schaut beim Eidgenössischen stets ganz genau hin.Bild: KEYSTONE

Dennoch gibt es Fallbeispiele, bei denen die Ernennung eines Königs praktisch nicht möglich wäre. Oder sogar unfair. Das Folgende nämlich: Der Schlussgang endet gestellt. Drei vorher hinter den Schlussgangteilnehmern klassierte Schwinger gewinnen ihren letzten Gang. Alle drei sind punktgleich Erste. Aber welcher der drei sollte der König sein? Die Qualität der Notenblätter gibt vielleicht auch keinen Aufschluss. Welche Kriterien bleiben? Alter? Alphabet? Schuhnummer? Oder sollten alle drei zu Königen gekrönt werden? Drei Könige, von denen keiner im Schlussgang war? Eher nicht.

Laien erklären dir Schwingen:

Video: watson/Ralf Meile, Emily Engkent

Präzedenz-Urteile

In einfacheren Fällen gibt es schon Präzedenz-Urteile: Endet ein Schlussgang gestellt, und einer der beiden ist alleiniger Festsieger, so wird er auch König. So geschah es 2001 in Nyon zwischen Arnold Forrer (König) und Jörg Abderhalden und 2004 in Luzern zwischen Jörg Abderhalden (König) und Thomas Sutter.

Holt der Schlussgangsieger seinen Gegner mit einem Sieg nach Punkten ein, so ist er König, der Verlierer ist Erstgekrönter. So geschah es 1989 in Stans zwischen Adrian Käser (König) und Eugen Hasler und 2019 in Zug zwischen Christian Stucki (König) und Joel Wicki.

Adrian Kaeser gewinnt im Schlussgang gegen Eugen Hasler und wird am 21. August 1989 in Stans beim Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest Schwingerkoenig. Hier verlaesst Kaeser in Begleitung von zwe ...
Adrian Käser wird 1989 König, Schlussgangverlierer «Geni» Hasler nur Erstgekrönter.Bild: KEYSTONE

Die Chancen, dass die Schweiz am Sonntagabend einen neuen (oder alten) König haben wird, stehen sehr gut. Denn in den letzten 70 Jahren gab es immer einen solchen. 1950 in Grenchen – die Dauer des Schlussgangs war noch unbegrenzt – brachen die Kampfrichter das Duell zwischen Walter Flach und Peter Vogt nach 35 Minuten ab, weil keiner von beiden noch irgendwelche Anstalten machte anzugreifen. Es gab keinen König. Vogt und der aufrückende Walter Haldemann wurden Erstgekrönte. (pre/sda)

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Die Favoriten fürs Eidgenössische Schwingfest 2022
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Die Favoriten fürs Eidgenössische Schwingfest 2022
⭐⭐⭐⭐⭐ Samuel Giger (24), NOSV, 194 cm/115 kg: Der Überschwinger der letzten beiden Saisons ist der Mann, den es am ESAF zu bezwingen gilt. Spielen ihm die Nerven keinen Streich, geht der Königstitel nur über ihn.
quelle: keystone / urs flueeler
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Video: watson
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