Es mussten natürlich die Niederlande sein, das Land, für das Marcel Hirscher in seiner zweiten Karriere Rennen bestreiten wird. Der Salzburger stellte in Zoetermeer seine Pläne bis hin zur vorgesehenen Rückkehr in den Weltcup vor. Der Ort, rund 20 Kilometer nördlich von Rotterdam gelegen, hat mit einer grosszügigen Hallenanlage seinen Bezug zum Skisport. Die Betreiber rühmen sich, über die steilste Piste Europas unter Dach zu verfügen.
Hirscher plant seine ersten wettkampfmässigen Einsätze Mitte August in Neuseeland. Er werde «einige Rennen fahren», sagte der Salzburger, ohne konkrete Daten zu nennen. Es geht für ihn darum, seine Position in den FIS-Punkte-Listen in Slalom und Riesenslalom zu verbessern. Für die Startberechtigung im Weltcup darf in den jeweiligen Disziplinen der Wert von 140 Punkten nicht überschritten werden, dazu ist eine Klassierung unter den ersten 150 Fahrern erforderlich. Im Slalom nimmt Hirscher derzeit Platz 300 ein, im Riesenslalom Rang 693.
In die südliche Hemisphäre reist Hirscher auch, «um in drei Wochen möglichst viel zu trainieren. Ob es für den Saisonauftakt im Weltcup reicht, wird sich zeigen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es sich anfühlen wird, wieder eine Startnummer zu tragen.» Da war er also wieder, der Tiefstapler, der sich selbst im Zenit seines sportlichen Schaffens mit Prognosen stets zurückgehalten hatte.
Die eigenen Erwartungen hält Hirscher zumindest fürs Erste auf tiefem Niveau. Seine Ziele haben sich verschoben. «Vor allem will ich Spass haben. Glaubt mir: Es geht für mich nicht mehr um Hundertstelsekunden.» In Neuseeland lege er den Fokus darauf, in Schwung zu kommen. «Dann werde ich sehen, was ich noch drauf habe.» Eine längerfristige Planung gebe es nicht. Mögliche Vergleiche mit den gegenwärtigen Grössen im alpinen Zirkus, etwa mit Marco Odermatt, liegen für den achtfachen Gesamtweltcupsieger also noch in weiter Ferne.
Hirscher sprach bestimmt und mit ernster Miene. Der Glaube daran, dass der einstige Dominator ohne jegliche sportliche Ambition antreten wird, fehlte gleichwohl. Es würde nicht so richtig passen zu ihm, der dem Erfolg einst alles untergeordnet, den seine Gier nach Siegen und Titeln immer wieder aufs Neue zu Grosstaten angetrieben hatte.
Hirscher hatte seine überraschende Absicht, fünf Jahre nach seinem Abgang noch einmal Skirennfahrer zu sein, Ende April kundgetan. Er beendete damit die Gerüchte und Spekulationen, die in jenen Tagen die Runde gemacht hatten – und vorerst als Hirngespinst und als Sensationshascherei des Boulevards abgetan worden waren. Den Spass an der Sache hatte er schon damals in den Vordergrund gestellt.
Am Mittwoch schilderte Hirscher auch, wie sich der Gedanke an eine Rückkehr entwickelt hatte. Noch Anfang März, in den Tagen rund um seinen Geburtstag, habe er nicht gewusst, dass er auf die Rennstrecken zurückkehren werde. Inspiriert hat ihn Lucas Braathen mit seiner Ankündigung, seinen vor der letzten Saison vollzogenen Rücktritt rückgängig zu machen und ab nächstem Winter für Brasilien, die Heimat seiner Mutter, an den Start zu gehen. Da habe er zu überlegen begonnen, dass das mit der Rennfahrerei auch für ihn wieder etwas sein könnte.
Natürlich hatte der Perfektionist Hirscher schon vor seinem Schritt an die Öffentlichkeit wichtige Details aufgegleist. Schon damals herrschte Klarheit, dass er für die Niederlande, das Heimatland seiner Mutter, antreten würde. Den Nationenwechsel begründete Hirscher damit, in Österreichs Team keinem anderen Athleten den Platz streitig machen zu wollen. Die Verantwortlichen von Österreichs Verband waren über sein Bestreben schnell im Bilde. Bei Ski Austria handelten sie schnell und erteilten Hirscher umgehend die Freigabe - auch im Sinne dessen «grosser Verdienste rund um den Skisport».
Das ganz Besondere an dieser besonderen Rückkehr wird Hirschers Doppelrolle sein. Ein Athlet, der auch Ski-Produzent ist – das hat es im Weltcup noch nie gegeben.
Und diese Premiere wiederum birgt zusätzliche Brisanz, zumal unter anderen mit den Norwegern Henrik Kristoffersen und Timon Haugan zwei direkte Konkurrenten bei der Firma Van Deer unter Vertrag stehen. Der Chef im Kampf mit seinen Angestellten – ein interessanter Vergleich womöglich nicht ganz frei von Nebengeräuschen. Wenn denn Hirscher wieder ein Weltcup-Fahrer wäre – und der Spass vielleicht wieder höheren Ansprüchen weichen müsste. (abu/sda)