Es ist kein lauter Knall, der die Weltcupsaison der Frauen eröffnet, sondern eine ruhige Ouvertüre. In der nordischen Dämmerung von Levi bestreiten sie am Samstag und Sonntag je einen Slalom. Am frühen Nachmittag, wenn die zweiten Läufe angesetzt sind, wird es finster sein. Im finnischen Lappland ist es Winter geworden. Die Temperaturen fallen in diesen Tagen bis auf 20 Grad unter Null. «Mega kalt», sagt Aline Danioth.
Der Start in den WM-Winter hätte bedeutend hektischer ausfallen können. Etwa mit der traditionellen Hysterie der Gletscherrennen von Sölden, der schrillen Premiere der Zwei-Länder-Abfahrt von Zermatt, oder des Parallelevents von Lech. Doch es folgte Absage auf Absage auf Absage. In Sölden spielte das Wetter nicht mit, danach fehlte zweimal der Schnee.
«Natürlich beschäftigen mich diese Rennabsagen», sagt Aline Danioth dazu. «Das beschäftigt mich aber nicht nur als Sportlerin, sondern auch als normaler Mensch», präzisiert sie. Der Skisport macht keine leichte Phase durch in diesem Spätherbst. Der fehlende Schnee entzieht ihm seine Grundlage und scheint ihn fundamental in Frage zu stellen. Und die Schneekanonen sind in Zeiten der Energiekrise noch mehr zum Politikum geworden. Es ist ein sensibles Thema und auch ein Dilemma für Danioth. Sie sagt: «Für mich ist wichtig, dass ich Rennen fahren kann. Und dass ich mich auf Dinge konzentriere, die ich beeinflussen kann.»
In ihren Einflussbereich gehören andere Dinge. Zum Beispiel sich bestmöglich auf die Saison vorzubereiten. Danioth hat im vergangenen Sommer zum ersten Mal seit drei Jahren einen ungestörten Aufbau absolviert. Im Leistungszentrum OYM in Cham arbeitete sie wochenlang an der Kondition. Sie fühle sich «sehr fit», denn sie habe voll «durchpushen» können, sagt sie.
In der jüngsten Vergangenheit war das nicht möglich. Immer wieder kamen Reha-Termine dazwischen, weil sie eine Verletzung auskurieren musste. Mit 24 Jahren hat sie übermässig viele Verletzungen erlebt. Dreimal riss das Kreuzband, einmal hatte sie einen Bandscheibenvorfall. Mittlerweile hat sie gewisse Dinge umgestellt, wie sie vor kurzem erzählte. Sie versuche unter anderem, Risiken zu umgehen. So beende sie ein Training, wenn sie sich mental müde fühle. Jetzt, kurz vor dem Saisonstart in Levi, möchte sie aber nicht die Verletzungsgeschichte aufrollen. Sie wolle nach vorne schauen und «positive Interviews» führen.
Es gibt Gründe, die für einen positiven Verlauf ihrer weiteren Karriere sprechen. Nach dem letzten überstandenen Kreuzbandriss kehrte sie Ende Dezember 2021 in den Weltcup zurück und fuhr auf Anhieb in die Punkteränge. Die Erfolge waren sofort da. Danioth gewann im Europacup die Slalomwertung und platzierte sich im olympischen Slalom von Peking auf dem 10. Rang. Das übertraf auch ihre eigenen Erwartungen. «Ich war im Nachhinein sehr überrascht, dass es so gut lief. Ich konnte ja erst im Oktober wieder Skifahren und hatte zwei ganze Jahre keine Rennen bestritten.»
Trotz ihrer Leistungen wurde sie auf diese Saison hin vom Nationalteam ins A-Kader zurückgestuft. Das brachte verkraftbare finanzielle Einbussen mit sich, mehr nicht. Viel entscheidender als der Kaderstatus sei ohnehin die Trainingsgruppe, betont Danioth. Derzeit ist sie mit Mélanie Meillard, Nicole Good und Elena Stoffel eingeteilt, der zweiten Garde von Slalomspezialistinnen. Sie alle werden in Levi auch am Start stehen.
Im letzten Winter war die Hierarchie in den Slaloms von Levi unverrückbar. Petra Vlhova gewann beide Rennen, Mikaela Shiffrin wurde zweimal Zweite, die Deutsche Lena Dürr zweimal Dritte. Einzige Schweizerinnen in den Top Ten waren Wendy Holdener und Michelle Gisin. Die Trainings seien sehr gut verlaufen, berichtet Danioth. «Es freuen sich alle, dass es endlich losgeht.» (aargauerzeitung.ch)