In Sölden tragen einige zwar noch T-Shirt. Trotzdem startet hier am Samstag die Skisaison. Vor den beiden Riesenslaloms der Frauen am Samstag und der Männer am Sonntag blicken wir voraus und sagen, wie es den Schweizer Skistars vor dem Auftakt geht.
Wie es läuft, weiss Lara Gut-Behrami bestens. Noch bevor der erste Rennschwung der neuen Skisaison gefahren ist, wird bereits spekuliert, wer wie gut ist. Das ist auch beim 14. Mal, dass die 31-Jährige in Sölden ist, nicht anders. Sie selbst geht locker damit um, dass sie da und dort bereits in die Rolle als Favoritin im Gesamtweltcup gehoben wird. Die Frage danach beantwortet sie lächelnd, ohne etwas dazu zu sagen.
Gründe zur Zuversicht gibt es allerdings einige. Die gesundheitlichen Probleme, die Gut-Behrami im vergangenen Winter zu Rennpausen zwangen, sind behoben. Im Frühling wurden bei ihr eine Lungenentzündung und eine Viruserkrankung festgestellt. Wie lange sie die Erreger schon in sich trug, blieb zwar unbeantwortet. Eine Behandlung mit Cortison brachte aber Erfolg. Allerdings war es da bereits Sommer – und ein Teil der Saisonvorbereitung vorbei. Ein allzu grosses Problem ist das für die routinierte Tessinerin aber nicht.
Gut-Behrami besitzt die skifahrerische Klasse, dass sie fast automatisch schnell ist, wenn das Drumherum passt, sie also gesund und zufrieden ist. Beides trifft derzeit bei ihr zu. Hält dieses Fundament und geht ihr Plan auf, möglichst alle Riesenslaloms, Abfahrten und Super-G bestreiten zu können, ist vieles möglich.
Eigentlich kann Marco Odermatt nur verlieren. So turmhoch sind die Erwartungen an ihn. Die Titelverteidigung im Gesamtweltcup? Sollte Formsache sein. Medaillengewinne im Februar an der Ski-WM? Aber bitte doch! Und dann wäre es ja auch Zeit für einen ersten Sieg in einer Abfahrt, nachdem er schon viermal Zweiter war. Am liebsten natürlich in Wengen oder Kitzbühel. Der 25-Jährige weiss um diesen Druck und sagt, dass irgendwann keine Steigerung mehr möglich sei. Noch ist es nicht soweit.
Odermatt hat sich die Rolle als Mann, den es zu schlagen gilt, selbst erarbeitet. Zu unwiderstehlich und nervenstark tritt er auf. Zu bestechend ist seine skifahrerische Klasse. Dass er jetzt, wo er ganz oben angekommen ist, plötzlich am Druck oder an fehlender Spannung scheitern könnte, glaubt eigentlich niemand. Zu realistisch geht Odermatt mit Siegen – aber auch mit Niederlagen – um. Beides haut ihn nicht aus der Bahn.
Und doch gibt es ein klitzekleines Fragezeichen. Die Speedsaison beginnt bereits eine Woche nach Sölden in Zermatt und damit viel früher als gewohnt. Odermatt musste sein Training anpassen und deutlich öfter auf die Abfahrtsski wechseln, als er es zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr gemacht hat. Die Frage ist, litt sein Riesenslalomschwung darunter? Die Antwort ist wohl nein. Denn der Nidwaldner hat schnell gelernt, sich auch einmal abzugrenzen, um das Training nicht zu vernachlässigen. Und um die nötige Regenerationszeit zu erhalten.
Nach zwei Jahren, in denen sich Wendy Holdener in der Saisonvorbereitung verletzte, reiste die 29-Jährige dieses Mal gesund nach Sölden. Im Riesenslalom will sich die Schwyzerin wieder der Spitze nähern, nachdem sie zuletzt zweimal in Folge die Top 20 in der Disziplinenwertung verpasste.
Ihre Paradedisziplin bleibt aber der Slalom, in dem sie schon 29 Mal im Weltcup auf dem Podest stand, WM-Silber und -Bronze gewann und Zweite bei Olympischen Spielen wurde. Damit es mit dem ersten Slalomsieg klappt, hat Holdener ihre Schnellkraft weiter verbessert, um zwischen den Toren agiler zu sein.
Schon seit Jahren schwärmen die Experten von Loïc Meillard. Marcel Hirscher hatte ihn einst als seinen Nachfolger ins Spiel gebracht. Und aus den Trainings hörte man, dass Meillard selbst Marco Odermatt um die Ohren fährt. Kurz: Es wäre also eigentlich vieles vorhanden für eine grosse Karriere.
Und doch steht der Romand klar im Schatten anderer. Denn so brillant er in den Trainings fährt, so selten gelingt ihm ein perfektes Rennen. Der 25-Jährige hat nun reagiert und in die Trainingsgruppe der Slalomspezialisten gewechselt. Er erhofft sich dadurch neue Impulse.
Auch in dieser Saison will Michelle Gisin Rennen in allen Disziplinen bestreiten. Die 28-Jährige ist eine der wenigen Allrounderinnen im Skizirkus und bleibt sich treu. Zumindest in diesem Bereich. Anders sieht es bei ihrem Skiausrüster aus. Nach 14 Jahren auf Rossignol hat die Engelbergerin zu Salomon gewechselt.
Neues Material bedarf einer Angewöhnungszeit, wodurch sie die Erwartungen etwas dämpft. Physisch fühlt sich Gisin dafür deutlich besser als in der Vorsaison. Nebenwirkungen des Pfeiffer’schen Drüsenfiebers, an dem sie vor einem Jahr erkrankte, spürt sie nur noch selten. Das sind gute Vorzeichen, wenn man bedenkt, dass Gisin im vergangenen Winter im Weltcup fünfmal auf dem Podest stand und an den Olympischen Spielen Gold in der Kombi und Bronze im Super-G gewann.
Die Saison von Beat Feuz beginnt einen Monat früher als gewohnt. Sofern am Matterhorn in der kommenden Woche genug Schnee liegt, damit die Abfahrtspremiere stattfinden kann. Von den neuen Umständen lässt sich ein Routinier wie er aber nicht beeindrucken. Der 35-Jährige weiss ganz genau, was er tun muss, um bereit zu sein. Und das ist deutlich weniger als zu Beginn seiner Karriere.
Darum ist Feuz anders als viele Abfahrer nicht früher ins Training eingestiegen. Und auch das Trainingslager in Südamerika liess er aus, um seinen von Verletzungen am linken Knie gezeichneten Körper zu schonen. Dass Feuz auch so sehr schnell sein kann, hat er oft bewiesen.
Seit 2019 gilt: Wenn ein Grossanlass stattfindet, fährt Corinne Suter stark. Vier WM-Medaillen, darunter Abfahrtsgold 2021, stehen seither im Palmarès der 28-Jährigen. Hinzu kommt der Olympiasieg 2022, ebenfalls in der Abfahrt.
Umso erfreulicher ist es für die Schwyzerin, dass im kommenden Februar mit der WM in Courchevel und Méribel schon die nächsten Titelkämpfe anstehen. Aber auch im Weltcup will Suter in Super-G und Abfahrt weiter brillieren und im Riesenslalom einen nächsten Schritt machen.
Bis Daniel Yule ein erstes Mal im Weltcup zum Einsatz kommt, geht es noch fast zwei Monate. Der Kalender will es so, dass die Slalomspezialisten erst Mitte Dezember in die Saison starten. Das ist für den Westschweizer mit schottischen Wurzeln ärgerlich, zumal er sich selbst als sehr ungeduldigen Menschen charakterisiert.
In der Trainingsgruppe der Slalomfahrer hat Yule neu Konkurrenz durch Loïc Meillard erfahren, der dem Vernehmen nach auch bei den Stangenakrobaten im Training oft der Schnellste sei. Im Wettkampf hingegen sah dies bisher fast immer anders aus. Yule (29) hat vier Slalomsiege auf dem Konto, dazu kommen sieben weitere Podestplätze in dieser Disziplin. Die Rolle als Leader im Slalomteam wird sich Yule wohl nur ungern nehmen lassen. (aargauerzeitung.ch)