Einfach fahren – und dann ist alles wieder gut. So hatte sich das Lara Gut-Behrami vorgestellt: «Ich dachte, dass ich mit einem Start in Sölden alles vergessen könnte, was im letzten Monat passiert ist.» Es funktionierte nicht. Am frühen Morgen – kurz nach dem Einfahren – wusste sie: Es geht nicht. «Ich spürte, dass es nicht der Tag ist, um ein Rennen zu bestreiten.»
Jetzt könnte man sagen: Alles halb so wild. Schliesslich ist Gut-Behrami nicht die erste Athletin, die freiwillig auf ein Rennen verzichtet. Dieser Schritt braucht zwar Mut, zeugt aber auch von Reife. Ihre Vorbereitung war alles andere als ideal. Im Trainingslager in Südamerika bekam sie einen Schlag auf ihr Knie. Eine MRI-Untersuchung gab zwar Entwarnung. Doch insgesamt verpasste sie durch den Vorfall zwei Wochen Schnee-Training.
Zurück in der Schweiz lud Gut-Behrami zu einer Pressekonferenz ein. Sie wollte die Gerüchte, dass sie sich verletzte habe, aus der Welt räumen. Gut-Behrami versprühte Zuversicht. Alles gut, lautete ihre Botschaft. An die Skifans, aber rückblickend betrachtet wohl in erster Linie an sich selbst.
Am Abend nach der Pressekonferenz wurde Gut-Behrami krank. Vier Tage lang konnte sie nichts essen. Und eine weitere Woche nicht trainieren. «Ich habe in diesen Wochen viel Muskelmasse verloren. Und vor allem mein Selbstvertrauen.» Zwei Tage vor ihrem Startverzicht liess sie in einer kleinen Medienrunde durchblicken, dass eben doch nicht alles gut ist.
Wirklich besorgt war man aber auch da nicht. Vor dem Saisonstart halten sich die Athletinnen gerne bedeckt, wenn es darum geht, wie gut sie wirklich sind. Das Tiefstapeln gehört ein Stück weit zum Skisport dazu.
Nur war es das nicht. Ihre Probleme sind gross. So gross sogar, dass man sich nach diesem Samstag in Sölden die Frage stellen muss: Ist bald alles vorbei? Als Gut-Behrami im Ziel zu erklären versuchte, was gerade in ihr vorgeht, war ihre Verunsicherung zu spüren. Nicht nur wegen ihrer Tränen. «Du kannst nicht an den Start gehen mit Zweifeln im Kopf, ob du gesund bleiben wirst. Oder ob es der Tag wird, an dem du dich verletzt», sagte sie.
Der Vorfall in Südamerika hat sich tief in ihrem Kopf eingenistet. «Ich will nicht, dass eine Verletzung meine Karriere beendet. Ich will selbst entscheiden können, wann es vorbei ist. Ich denke nicht, dass es heute ist. Ich hoffe, dass ich wieder Rennen fahren kann. Aber so geht es nicht.»
Findet Gut-Behrami in den nächsten Wochen keinen Weg, diese Zweifel zu beseitigen, könnte es das Ende ihrer Karriere bedeuten. Sie selbst sagt: «Es braucht 100 Prozent Entschlossenheit, um zu gewinnen. Ich fahre sehr gerne Rennen, aber irgendwann wird die mentale Belastung zu gross.» Bis zu ihrem nächsten geplanten Renneinsatz in den USA bleibt Gut-Behrami jetzt rund ein Monat Zeit, um das Vertrauen in sich selbst wieder zu finden. (aargauerzeitung.ch)