Lara Gut-Behrami startet in ihre letzte Saison und will keine Abschiedstournee
Draussen vor der Talstation der Giggijochbahn bauen sie bereits die Bühne für die Startnummernauslosung auf. Die neue Weltcupsaison ist nah, das spürt man in Sölden fast an jeder Ecke. Für Lara Gut-Behrami wird es die 18. und letzte. Und geht es nach ihr, soll sich diese anfühlen wie jede davor.
Samstag, 13 Uhr: Riesenslalom der Frauen, 2. Lauf
Sonntag, 10 Uhr: Riesenslalom der Männer, 1. Lauf
Sonntag, 13 Uhr: Riesenslalom der Männer, 2. Lauf
«Ich werde jetzt sicher nicht einfach stundenlang im Ziel stehen und die Berge bewundern», sagt sie. «Ich muss fokussiert bleiben. Denn ich weiss, was es braucht, um Erfolg zu haben – und mache genau gleich weiter.» Ihre letzte Saison soll alles, nur nicht zur Abschiedstournee werden. Doch ganz so einfach ist das nicht. Zwar war die Warteschlange all jener, die am traditionellen Saisonstartanlass ihres Ausrüsters Head etwas von ihr wissen wollen, schon immer lang. Doch die Ausgabe 2025 toppt noch einmal alles.
TV-Journalisten des olympischen Kanals sind da. Aber auch Kamerateams von Eurosport, ZDF und ORF. Und natürlich darf die SRG nicht fehlen, mit eigenen Delegationen für Radio und TV – und das in drei Landessprachen. Dazu viele andere Journalisten. Und sogar eine Influencerin, auch wenn sich diese eher im Hintergrund aufhält, um sich selbst in Szene zu setzen.
Ihr neues Leben als Investorin
Dass sich die Welt in all den Jahren, in denen Gut-Behrami im Skizirkus unterwegs ist, verändert hat, spürt sie auch selbst. «Früher waren wir einfach Sportlerinnen», sagt sie. «Heute hat fast jede ihre eigene Plattform in den sozialen Medien und kann sich als Berühmtheit vermarkten. Und dabei spielt es keine Rolle, ob man schon etwas erreicht hat oder nicht.» Sie selbst hat sich schon vor Jahren von Facebook und Co. verabschiedet. Social Media hat ihr nicht gutgetan und vor allem viel Energie gefressen.
Gut-Behrami sagt: «Als ich angefangen habe, hat noch niemand von Positionierungen von Sportlern gesprochen. Heute gehört das dazu.» Sie selbst hält sich auch in diesem Bereich zurück. Darum sieht man die Tessinerin auch selten in Werbespots. Eigentlich einzig in jenen der Verbandssponsoren von Swiss-Ski, weil sie vertraglich dazu verpflichtet ist.
Und wohl nirgendwo sonst zeigte sich Gut-Behramis Zurückhaltung deutlicher als bei der Suche nach einem neuen Kopfsponsor, nachdem ihre langjährige Zusammenarbeit mit Ragusa vor einem Jahr zu Ende ging. Eigentlich müssten die Interessenten bei einer so erfolgreichen Athletin wie ihr Schlange stehen. Doch um Gut-Behrami blieb es lange still. Erst ihre Partnerschaft mit der Schweizer Firma Ka-Ex, einem Hersteller von Regenerationsgetränken, öffnete neue Türen. Wobei zuerst nicht einmal vorgesehen war, dass die 34-Jährige auf ihrem Helm für die Firma wirbt.
Und immer die gleichen Fragen
Bei Ka-Ex ist Gut-Behrami aber nicht nur Botschafterin, sondern auch Investorin. «Ich bin schon mittendrin», sagt sie. «Es war mein Wunsch, dass ich das schon während der Karriere machen kann.» Und wenn sie davon erzählt, fangen ihre Augen an zu leuchten. Man merkt, dass sie deutlich lieber über ihre neuen Aufgaben spricht als über sportliche Ziele.
Aber natürlich kommen die Fragen nach ihrer letzten Saison. Ob das Wissen, schon fast alles gewonnen zu haben, es leichter mache, will jemand wissen. Ob die Olympischen Spiele ihr klares Ziel seien, jemand anderes. Geduldig gibt Gut-Behrami immer wieder die gleichen Antworten und erklärt, dass sie sich keine Ziele setze, so, wie sie das noch nie getan habe.
Und als dann noch jemand von Gut-Behrami wissen will, ob sie zum Ende ihrer Karriere bei der besten Version ihrer selbst angekommen sei, muss die Tessinerin lachen, ehe sie sagt: «Es geht mir gut und ich bin gesund – das ist das Wichtigste.» Auch das ist eine Lehre ihrer langen Karriere. Sie sagt: «Es ist nicht selbstverständlich, dass ich mich auch mit 34 Jahren noch auf Rennen vorbereiten darf und mit den Besten mithalten kann.»
Auch in ihrer letzten Saison wird Lara Gut-Behrami zu den Favoritinnen zählen, wenn es darum geht, wer die grossen Titel gewinnen wird. Vor der Talstation testen die Arbeiter derweil schon einmal die pyrotechnische Anlage. Auch Gut-Behrami ist bereit, ein letztes Feuerwerk zu zünden. (aargauerzeitung.ch)
