Gestern Abend kam die Bestätigung nach wochenlangen Gerüchten: Das Jahresendturnier der WTA-Tour mit den besten Tennisspielerinnen der Saison wird neu und mindestens bis 2026 in Riad, Saudi-Arabien stattfinden.
Riyadh, Saudi Arabia, will host the next three editions of the WTA Finals from 2024-2026.
— wta (@WTA) April 4, 2024
The 2024 season-ending Finals will take place November 2-9, featuring the top 8 singles players and doubles teams in the Race to the #WTAFinals
Nachdem sich die Führung der WTA letztes Jahr mit einem Hauruck-Turnier im mexikanischen Cancun blamiert hat, bei dem kaum etwas richtig funktionierte, reisen die besten Einzel- und Doppelspielerinnen im November also nach Saudi-Arabien. Im Wüstenstaat sind die Rechte von Frauen oder homosexuellen Menschen immer noch stark eingeschränkt, auch wenn direkt nach der Vergabe betont wurde, dass sich homosexuelle Paare das Hotelzimmer während der WTA-Finals teilen dürfen. Das Preisgeld soll schon dieses Jahr rekordverdächtige 15,25 Millionen Dollar betragen und sich in den kommenden Saisons weiter steigern.
Doch die Austragung dieses Turniers ist möglicherweise erst der Anfang des Saudi-Engagements im weltweiten Tennis. Ähnlich wie im Golf würde der saudische Staatsfonds PIF gerne die WTA- und ATP-Tour umkrempeln.
Bereits Mitte März wurde bekannt, dass Saudi-Arabien den zwei prägenden Tennis-Organisationen der Welt ein lukratives Angebot gemacht hat. Konkret sollen die Monarchen rund zwei Milliarden US-Dollar bieten. Ihr Ziel sei es dann, die ATP- und WTA-Tour unter dem neuen Namen PIF-Tour zu vereinen.
Das Ziel sei es dann, mehr gemeinsame ATP- und WTA-Events in den Kalender zu bringen und die Vermarktung der beiden Touren zu vereinen. Natürlich würde auch Saudi-Arabien profitieren. Wird das Angebot akzeptiert, würde die Saison mit einem Masters-1000-Turnier im Wüstenstaat beginnen und nicht mehr in Australien, wie das bislang der Fall gewesen ist. ATP-Vorsitzender Andrea Gaudenzi wäre als Chef der neuen Tour vorgesehen. Nicht Teil der Tour wären die Grand-Slam-Turniere Australian Open, French Open, Wimbledon und US Open, die schon jetzt nicht Teil der ATP- oder WTA-Tour sind.
Der Saudi-Staatsfond PIF hingegen dementierte, dass konkrete Angebote gemacht worden seien.
Nein. Schon etwas länger diskutieren die vier Grand-Slam-Turniere darüber, die Turniere der Männer und Frauen im ganzen Jahr unter einer einzigen Marke zu vereinen. Das Projekt trägt den Namen Premier Tour. Diese neue Tournee soll neben den vier Majors die zehn weiteren grössten Turniere – alle bisherigen Masters-Turniere plus ein weiteres, neues Turnier – umfassen und nur den rund 100 besten Spielerinnen und Spielern der Welt offenstehen.
Darunter gäbe es eine zweite Tour mit insgesamt rund hundert Turnieren, die rund 200 weiteren Spielerinnen und Spielern offenstehen soll. Ein Auf- oder Abstieg zwischen den beiden Touren soll nur Ende Jahr möglich sein. Bei allen Turnieren sollen Männer und Frauen identische Preisgelder erhalten. Die Geschäftsführer der Grand-Slam-Turniere haben betont, dass sie nicht im Sinne hätten, den Sport im Alleingang zu betreiben.
Gleichzeitig denken auch die ATP und WTA selbst über eine Fusion nach. Bei ihrem Vorschlag würden aber lediglich die Vermarktung der Sponsoren- und Medienrechte zentralisiert, während die Jahreskalender und einzelnen Turniere weiterhin mehrheitlich getrennt operiert würden. Um einen finanziellen Zustupf zu erhalten, soll Saudi-Arabien, ein anderes arabisches Emirat oder möglicherweise auch Australien ein neues Turnier der 1000er-Kategorie ausrichten dürfen.
Die Grand-Slam-Turniere sagen, sie wollen den Sport vereinfachen. Der Tennis-Sport sei für normale Sportfans zu kompliziert mit den vielen verschiedenen Turnieren in unterschiedlichen Kategorien. Das habe zur Folge, dass rund 70 Prozent der Fans sich nur die Grand-Slam-Turniere anschaue und den Rest ignoriere. Natürlich erhofft man sich durch eine Vereinfachung auch ein verbessertes Marketing und so wiederum höhere Einnahmen.
Ein weiterer Grund ist die schlechte Situation der WTA-Tour. Bei vielen Turnieren bleibt ein Grossteil der Sitze leer. Während die ATP jährlich rund 300 Millionen US-Dollar umsetzt, sind es bei der WTA nur ungefähr 113 Millionen.
Wie die Zukunft des Tennis aussieht, ist wohl noch nicht so bald bekannt. «Dieses saudische Angebot hat die Dinge hinter den Kulissen gehörig durcheinandergewirbelt», sagt ESPN-Kommentator Patrick McEnroe. Klar sei nur, dass es für die Tennisstars in den kommenden Jahren wohl viel mehr Geld zu gewinnen gäbe. Die Frage sei nur noch, von wo dieses Geld komme.
Beim Masters-1000-Turnier in Madrid ab dem 22. April wollen sich alle Parteien zu Gesprächen treffen. Allerdings erwartet man dort höchstens eine Entscheidung über den Standort des neuen, zehnten ATP-Turniers der 1000er-Kategorie.
Der provisorische Turnierplan für das Jahr 2025 steht bereits. Allfällige grundlegende Änderungen sind wohl frühestens ab 2026 zu erwarten.
Der saudische Staatsfonds hat im Tennis bereits einiges an Geld investiert. Neben den WTA-Finals in Riad trägt mit Dschidda ebenfalls eine saudische Stadt bereits die Next-Gen-Finals für die besten ATP-Spieler unter 21 Jahren aus. Der PIF ist zudem Sponsor der ATP-Weltrangliste, hat eine Partnerschaft mit den diversen Turnieren im Tenniskalender und vor kurzem ein Schauturnier mit Novak Djokovic, Carlos Alcaraz, Rafael Nadal, Jannik Sinner, Daniil Medvedev und Holger Rune angekündigt.
Die saudische Regierung will mit Investitionen in diversen Sportarten sein weltweites Image aufbessern – man nennt dies «Sportswashing».
In der jüngeren Vergangenheit hat Saudi-Arabien Fussball-Superstars wie Cristiano Ronaldo oder Neymar mit Millionensummen in die eigene Liga gelockt. Das Land ist Gastgeber der Fussball-WM 2034 und von Formel-1-Rennen. Und der PIF hat auch den Golfsport grundlegend verändert. Zuerst gründete Saudi-Arabien mit der LIV-Tour eine direkte Konkurrenz zur klassischen PGA-Tour und schnappte dieser mit irrwitzigen Summen auch noch die grössten Stars weg, nur um zwei Jahre später mit der Konkurrenz zu fusionieren.
Wie grosszügig🤢
Gilt das nur für Teilnehmerinnen? Oder auch für Zuschauer und ZuschauerInnen?