67'100 Zuschauer pilgerten dieser Tage in die Basler St. Jakobshalle. Das sind Zahlen wie in der Zeit, als sich bei den Swiss Indoors Basel noch alles um Rekordsieger und Publikumsliebling Roger Federer drehte, der 2019 die letzte Austragung des Turniers vor der Pandemie gewonnen hatte.
Illusionen sollte man sich keine machen. In Bezug auf die Ticketverkäufe war das Turnier ein Selbstläufer, konnte man doch bis Mitte September davon ausgehen, dass Federer in Basel spielen würde und bis kurz davor immerhin darauf hoffen, dass es eine grosse Verabschiedung geben wird. Dass diese nicht zu Stande kam, weil sich Federer emotional dazu nicht in der Lage sah, stellt das Turnier in einem Jahr vor ein unlösbares Dilemma.
Der Abschied schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Turnier. Im Prinzip macht eine Inszenierung ein Jahr nach dem Rücktritt wenig Sinn. Andererseits führt kein Weg daran vorbei. Es wird für alle Beteiligten zur Pflichtaufgabe: für die Swiss Indoors, für Federer, für Roger Brennwald.
Zwar erlaubte sich der Turnierdirektor in seiner Eröffnungsrede («wir präsentieren ein federleichtes Tableau») einen Scherz. Den Namen Federer mied er danach aber wie der Teufel das Weihwasser, sichtlich darum bemüht, die Swiss Indoors auch rhetorisch in eine neue Ära zu führen.
Es gelang ihm und seiner Organisation vorzüglich. Der Plan, auf junge Spieler zu setzen, die das Männertennis im nächsten Jahrzehnt prägen werden, ging vollends auf. Mit Carlos Alcaraz verzückte die jüngste Nummer 1 der Geschichte. Das Turnier gewann mit Félix Auger-Aliassime ein 22-jähriger Kanadier, der nun drei Turniere in Folge gewonnen hat. Im Final traf er auf den Dänen Holger Rune, der erst zwei Monate alt war, als Federer 2003 in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel gewann.
In die Karten spielte dem Turnier der Erfolg der Schweizer. Marc-Andrea Hüsler verlangte Turniersieger Auger-Aliassime in der ersten Runde alles ab. Dominic Stricker qualifizierte sich für den Achtelfinal und damit für den Jahresfinal der acht Besten unter 21-Jährigen. Jérôme Kym und Leandro Riedi nutzten das Doppel als Bühne. Und Stan Wawrinka schloss mit dem Basler Publikum nicht nur Frieden, sondern sorgte auch für die emotionalen Höhepunkte. Das zeigt: Es geht auch ohne Roger Federer.
Der Termin im Herbst liegt günstig. Mit Wien ist die Konkurrenz zwar gross, aber es gibt genügend Attraktionen für eine gesunde Koexistenz. Zwar wird es gegen Ende der Saison immer kurzfristige Absagen geben wie in diesem Jahr jene von Wimbledon-Finalist Nick Kyrgios. Dafür ist es auch möglich, kurzfristig noch Spitzenspieler zu verpflichten, die noch Punkte brauchen, um sich für die ATP Finals qualifizieren zu können.
Es wäre vermessen, die Swiss Indoors 2022 als Selbstläufer zu bezeichnen, doch die Bewährungsprobe steht erst noch bevor. Wie gut lassen sich die Tickets verkaufen lassen, wenn klar ist, dass Federer nicht mehr dabei ist? Verlängern Sponsoren ihre Verträge? Und zu welchen Konditionen? Denn das wirtschaftliche Umfeld ist schwieriger geworden. Pandemie, Krieg und Inflation lassen viele Unternehmen den Gürtel enger schnallen, sagt Roger Brennwald. Die Veranstaltungsbranche ist besonders stark betroffen.
Zudem ist die Zuschauerkapazität durch den Umbau der St. Jakobshalle zurückgegangen - von 9200 auf 8600. Das alles sind Realitäten, die man vielleicht zum Anlass nimmt, die Dimensionen zu überdenken. Bisher sind die Swiss Indoors das drittgrösste Hallenturnier der Welt mit dem grössten Budget. Eine andere Option wäre ein Umzug nach Zürich, wie ihn Brennwald in einem rhetorischen Säbelrasseln lanciert hat, um Kanton und Stadt zu einer stärkeren Unterstützung des Turniers zu bewegen.
Vermutlich ist es nicht mehr als ein Taktieren, um das Turnier langfristig abzusichern. Für Roger Brennwald gehören die Swiss Indoors nach Basel. (aargauerzeitung.ch)