Sie würden ein «Kartell» bilden und unterhielten ein «korruptes, illegales und missbräuchliches System», schüchterten Spielerinnen und Spieler ein und beuteten sie aus. Dazu fehle es an Transparenz. Mit diesen Worten reichte die von Novak Djokovic mitgegründete Spielervereinigung PTPA in New York Klage gegen vier Organisationen im Tennis ein. Zwei weitere Klagen sollen folgen, eine in Grossbritannien, eine in der Europäischen Union.
Zwar umfasst die Klageschrift 159 Seiten, doch viele Vorwürfe sind diffus; selbst die Klägerschaft ist obskur, wie auch die Ziele, die sie damit verfolgt.
Auf 163 Seiten listet die Spielervereinigung PTPA ein wildes Potpourri an vermeintlichen Missständen auf, die zuweilen höchstens anekdotischen Wert aufweisen. Zentral ist die Forderung, die Spielerinnen und Spieler stärker an den Gewinnen der Turniere zu beteiligen. Es könne nicht sein, dass nur etwa hundert Männer und hundert Frauen gut vom Tennis leben könnten, während es im Fussball, Basketball oder Football Zehntausende seien.
Danach gefragt, wie viele es im Tennis sein müssten, sagt PTPA-Generalsekretär Ahmad Nassar: «Das weiss ich nicht. Das soll der Markt regeln.» Derzeit handle es sich um «verschwörerisches, missbräuchliches, unfaires und ausbeuterisches System». Es sei nicht Aufgabe der PTPA, Lösungen anzubieten, sondern auf Missstände aufmerksam zu machen.
Die jeweiligen Profi-Organisationen der Männer, ATP, der Frauen, WTA, der Weltverband ITF sowie die International Tennis Integrity Agency ITA, die auch die Antidopingbehörde des Tennis ist. Nicht eingeschlossen sind die vier Grand-Slam-Turniere: die Australian Open, French Open, Wimbledon und US Open, bei denen mit Abstand am meisten Geld generiert wird.
Die Klagenden begründen, diese Turniere seien eingeschlossen, weil sie unter dem Dach des Weltverbands operierten. Zwar gibt es eine Kooperation und die International Tennis Federation übernimmt Aufgaben. Doch die vier Grand-Slam-Turniere wirtschaften als unabhängige Organisationen.
Zwölf Spielerinnen und Spieler sowie die Professional Tennis Players Association, drei davon sind nicht mehr aktiv, nur eine Klägerin gehört derzeit den Top 100 an. Zehn weitere wollen Klagen in Grossbritannien und in der Europäischen Union unterschreiben. Das Gros der Klagenden machen wenig bekannte Mitläufer aus, die zum Teil nur im Doppel aktiv sind. Der namhafteste Kläger ist Nick Kyrgios, Wimbledon-Finalist 2022.
Mit Vasek Pospisil und Saisai Zheng treten nur zwei der acht Mitglieder des Executive Committees der PTPA namentlich als Kläger in Erscheinung. Nicht so Hubert Hurkacz oder Ons Jabeur. Vor allem aber: nicht Novak Djokovic, der Co-Gründer der Vereinigung. Weshalb? Das sei nicht nötig, sagt PTPA-Generaldirektor Ahmad Nassar gegenüber US-Journalist Ben Rothenberg. Als Mitglied trage er die Klage mit. Weil es um die kommende Generation gehe und er kaum von Reformen profitieren werde, wolle er anderen den Vortritt lassen. Sein Name helfe aber, um Aufmerksamkeit zu schaffen.
Djokovic sagte beim Masters-Turnier in Miami, es gebe in der Klageschrift Dinge, mit denen er einverstanden sei, aber auch Dinge, mit denen er nicht einverstanden sei. Er kritisierte die Wortwahl als «zu harsch» und sagte: «Ich will keine Spaltung unseres Sports. Aber ich habe mich immer für mehr Einfluss und Mitspracherecht für die Spieler eingesetzt.»
Zunächst schien völlig unklar, wie gross der Rückhalt der Klagenden im Tenniszirkus ist. Nun zeigt sich: wohl viel kleiner als erwartet. Zwar habe man mit 250 Spielerinnen und Spielern gesprochen, sagt die PTPA, doch nur ein Bruchteil davon ist bereit, als Kläger in Erscheinung zu treten. Zwar versteht sich die PTPA als Vereinigung für alle Spielerinnen und Spieler, doch noch fehle es an Mitgliedern, räumte Ahmad Nassar ein. Er begründet das damit, dass den Athletinnen mit Ausschluss gedroht werde, sollten sie sich der PTPA anschliessen. Wie viele Mitglieder diese zählt, ist unklar.
Die Beklagten weisen die Vorwürfe zurück. «Wir halten die Klage für völlig unbegründet und werden unsere Position energisch verteidigen», schreibt die ATP. Die Zahlungen in den Pensionsfonds der Spieler seien sprunghaft gestiegen, die Preisgelder bei den Events der ATP Challenger Tour hätten sich mehr als verdoppelt. Die PTPA setze «konsequent auf Spaltung und Ablenkung durch Fehlinformationen statt auf Fortschritt». Mit Carlos Alcaraz, Daniil Medwedew oder Alexander Zverev, der dem ATP-Spielerrat angehört, haben sich zahlreiche Topspieler von der Klage distanziert, auch wenn sie einen Teil der Kritik durchaus teilen würden.
Es sei nicht sein Ziel, während Jahren zu prozessieren und dabei Millionen Dollar auszugeben, sagt Ahmad Nassar. «Wir wollen alle an einen Tisch bringen, die Ärmel hochkrempeln und dafür sorgen, dass es zu Reformen kommt», sagt der Generalsekretär der PTPA. Alle Möglichkeiten für Reformen im Dialog mit den Verbänden seien ausgeschöpft, begründet die PTPA ihre Klagen. «Bei der Behebung dieser systemischen Mängel geht es nicht darum, den Tennissport zu zerstören – es geht darum, ihn für kommende Generationen von Spielern und Fans zu retten.» Sein Ziel sei es, maximalen Druck aufzubauen und auf einen Vergleich hinzuwirken.