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Coco Gauff zerbrach einst am Druck – nun greift sie am US Open nach Titel

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Noch ein Sieg trennt Coco Gauff vom Gewinn des US Open.Bild: keystone

Auf dem Weg zu ihrem Traum lässt sich Coco Gauff nicht einmal von Klimaprotesten ablenken

Obwohl sie erst 19 Jahre alt ist, hat sich Coco Gauff auf der Tennistour längst etabliert. Und auch neben dem Platz beweist die US-Amerikanerin, die Serena und Venus Williams nacheifert, eine für ihr Alter untypische Reife.
09.09.2023, 10:3309.09.2023, 17:32
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Nun ist sie ganz nah an ihrem Traum. Noch einen Sieg ist Coco Gauff vom Triumph an einem Grand Slam in ihrer Heimat entfernt. Zum ersten Mal seit Serena Williams vor vier Jahren steht mit der 19-Jährigen eine US-Amerikanerin im Final des US Open. Dass Gauff einmal in einer Reihe mit Williams stehen würde, ist für sie noch immer schwer begreiflich, doch eigentlich ist es keine Überraschung.

Schon als Cori Gauff, wie Coco eigentlich heisst, noch ein Mädchen war, eiferte sie Serena Williams und ihrer Schwester Venus nach. Ihr Vater Corey Gauff hielt sie bereits damals zu grossen Zielen an. «Ich habe ihr immer gesagt, dass sie die beste der Welt sein kann», erzählt er ESPN und fügt an: «Sogar besser als Serena und Venus.»

Die Williams-Schwestern waren von Beginn an ein grosser Bezugspunkt für die Gauffs. «Ohne sie wäre Coco keine Tennisspielerin geworden», sagt Mama Candi Gauff. Und auch für den Vater und Trainer war die Familie Williams ein wichtiges Vorbild. Er orientierte sich nämlich an Richard Williams, dem Vater von Serena und Venus, was die Akribie anging, mit der er sich mit Tennis auseinandersetzte. Und als Gauff zehn Jahre alt war, trainierte sie erstmals mit Patrick Mouratoglou, dem langjährigen Trainer von Serena Williams.

Mit 15 schlägt sie bereits ihr Idol

Als Gauff bei Wimbledon 2019 in ihrem ersten Match im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers dann ausgerechnet auf Venus Williams traf, konnte sie es kaum fassen. «Es war ein Traum», so Gauff, «ich wollte immer gegen Venus oder Serena spielen, aber ich dachte, dass sie aufhören würden, bevor ich es auf die Tour schaffe». Dass dies nicht der Fall war, lag auch daran, dass Gauff bereits als 15-Jährige den Sprung ins Wimbledon-Hauptfeld schaffte – als jüngste Spielerin der Geschichte.

Doch Gauff trat nicht nur gegen Venus Williams an, sie schlug sie in zwei Sätzen und machte sich damit gleich einen Namen. Aber mit diesem kamen auch die Erwartungen und der Druck. Dies war nicht immer einfach für die Teenagerin. Vor allem am für US-Amerikanerinnen schwierigsten Grand Slam in New York tat sie sich einige Male schwer, scheiterte einmal in der 1. und einmal in der 2. Runde.

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Überwältigt von den Emotionen: die 15-jährige Coco Gauff nach ihrem Sieg gegen Venus Williams.Bild: imago

Wenn sie auf den Druck angesprochen wurde, sagte sie, dass sie diesen geniesse und dass es sie antreibe, wenn Experten ihr Spiel zerlegen würden. «Ich habe oft gelogen», sagte Gauff später und gab zu: «Ich spürte den Druck, aber ich wollte es nicht glauben.» Mittlerweile weiss sie aber, wie sie damit umgehen muss – auch dank der Erfahrungen, die sie in ihrer Karriere sammelte. «Je häufiger ich in diesen Situationen war, desto besser lernte ich, damit umzugehen», sagt Gauff zu CNN.

Mental gereift, stürmt sie in die Top-10

Dabei half ihr auch, das grosse Ganze zu betrachten. Sich bewusst zu machen, dass der Druck, den sie verspürte, kein Vergleich ist zu jenem Druck, den andere Leute haben. «Es gibt Menschen, die Probleme haben, ihre Familie zu ernähren, Menschen, die nicht wissen, woher ihre nächste Mahlzeit kommt. Das ist echter Druck. Ich hingegen bin in einer privilegierten Position und habe ein glückliches Leben.»

Nicht nur diese Aussage zeigt, dass Gauff für ihr Alter bereits sehr reif und reflektiert ist. Dies bewies sie bereits mit 16, als sie mit einer Rede an einer Black-Lives-Matter-Demonstration für grosses Aufsehen sorgte. Nun nutzt sie diese Reife und mentale Stärke auch auf dem Platz. Am US Open scheint sie sich nämlich von nichts mehr aus der Bahn werfen zu lassen.

Nachdem ihr Halbfinal gegen Karolina Muchova aufgrund von Klima-Aktivisten unterbrochen werden musste, äusserte sie ihr Verständnis: «Ich war nicht böse darüber. Ich glaube an den Klimawandel und finde es wichtig, dass sich Leute für ihre Überzeugungen einsetzen.» Zwar wäre es ihr lieber, wenn dies nicht während ihres Spiels passiert, aber «wenn die Aktivisten glaubten, dass sie das tun müssen, damit man sie hört, kann ich deswegen nicht aufgebracht sein».

Bereits Ende 2021 stiess die Frau aus Atlanta erstmals in die Top 20 vor, im Jahr darauf spielte sie dann ihre beste Saison, erreichte den Final am French Open und stiess am US Open in den Viertelfinal vor. Der Lohn dafür war eine Platzierung unter den ersten Zehn in der Weltrangliste, bis auf Platz 4 stiess sie kurzzeitig vor. In diesem Jahr war sie stets zwischen Platz fünf und sieben rangiert. Mit einem Sieg am heutigen Samstag (22 Uhr, hier geht's zum Liveticker.) könnte sie gar auf Platz 3 vorstossen und damit eine neue Bestleistung erreichen.

Der «schrullige» Trainer

Eine wichtige Rolle dabei spielt auch ihr neuer Trainer Brad Gilbert. Der 62-jährige Ex-Profi führte bereits Gauffs Landsmänner Andre Agassi und Andy Roddick zu sechs bzw. einem Grand-Slam-Titel sowie beide an die Spitze der Weltrangliste. Sein Buch «Winning Ugly», also «Hässlich gewinnen», ist eines der meistverkauften Tennisbücher.

CORRECTS THAT SAKKARI IS FROM GREECE, NOT GERMANY - Consultant Brad Gilbert watches Coco Gauff, of the U.S., against Maria Sakkari, of Greece, during the women's singles final of the DC Open tenn ...
Trainer Brad Gilbert.Bild: keystone

Spricht Gauff über ihren Trainer, muss sie lachen: «Er ist vielleicht älter, aber er hat den Geist eines 20-Jährigen – vielleicht sogar eines 10-Jährigen.» So biete ihr dieser dauernd Süssigkeiten an, welche sie zwar annehme, aber nicht esse, und schicke ihr Playlists von Bands aus den 60er- oder 70er-Jahren. «Er ist einfach ein schrulliger Typ», meint Gauff.

Was Gilbert von seinem neuen Schützling auf dem Platz erwartet, erklärte dieser während des US Open: «Das Wichtigste, wenn man ein Champion werden will: Man muss gewinnen, wenn man nur durchschnittlich spielt.» Dies tat Gauff bisher: Zweimal musste sie sich von einem Satzrückstand zurückkämpfen und auch gegen Caroline Wozniacki fehlte ihr die Konstanz. Doch dann dominierte sie im Viertelfinal Jelena Ostapenko und schlug auch Karolina Muchova im Halbfinal in zwei Sätzen.

epa10847586 Aryna Sabalenka of Belarus reacts during her semi final match against Madison Keys of the United States at the US Open Tennis Championships at the USTA National Tennis Center in Flushing M ...
Final-Gegnerin Aryna Sabalenka.Bild: keystone

Ihre Bestform findet Coco Gauff gerade rechtzeitig. Denn gegen die künftige Weltnummer 1 Aryna Sabalenka reicht im Final keine durchschnittliche Leistung. Die Belarussin gab im Halbfinal gegen Madison Keys erstmals am diesjährigen US Open einen Satz ab und drehte die Partie nach dem 0:6 zum Auftakt noch zu ihren Gunsten.

Gegen die ebenfalls formstarke Australian-Open-Siegerin wird es also alles andere als einfach für Gauff. Die Unterstützung ist dem Publikum aber sicher – und wer Serena Williams nacheifert, muss auch die schwierigen Partien gewinnen.

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