Ihre Rivalität beginnt im Kopf. Weit bevor sie sich erstmals auf dem Platz begegnen. Die eine ist 14-jährig, gross, blond, schlank, eben erst von Sibirien nach Bradenton, Florida, gekommen. Die andere ist fünf Jahre älter, dunkles Haar, afroamerikanischen Ursprungs, kräftig gebaut, die Nummer 1 der Welt.
So schreibt es Maria Scharapowa in ihrem Buch «Unstoppable», nicht aufzuhalten. Ihr Lieblingsthema: Serena Williams. Über hundert Mal wird die 36-jährige Amerikanerin darin erwähnt, selten in schmeichelhaftem Kontext.
«Sie ist viel grösser und stärker, als sie im Fernsehen wirkt», schreibt Scharapowa über den Moment, in dem sie Williams erstmals gegenübersteht. «Sie hat dicke Arme und Beine. Serena ist furchteinflössend.» Das ist im Jahr 2004, in Miami. Williams gewinnt, und obwohl Scharapowa sich in den beiden nächsten Duellen durchsetzt, hinterlässt dieser Tag Spuren.
«Serena war eine erwachsene, starke Frau, die Beste der Welt. Es fühlt sich für mich noch immer so an. Sogar heute noch fühle ich mich neben ihr wie ein kleines Kind.» Aus dem kleinen Kind ist ein Weltstar geworden. Scharapowa gewinnt fünf Grand-Slam-Turniere, darunter jedes der vier Majors mindestens einmal. Sie ist während 21 Wochen die Nummer 1 der Welt. Sie wird zur bestverdienenden Sportlerin der Welt: Alleine im vergangenen Jahr brachte ihr das Sponsoren-Portfolio 20 Millionen Dollar ein, und damit sogar eine Million mehr als Serena Williams, die so viel erfolgreicher war als sie: 23 Grand-Slam-Titel, 319 Wochen als Nummer 1.
Die Rivalität, geboren im Kopf der 14-jährigen Scharapowa, existiert nur neben dem Platz. Williams schlägt härter, präziser, ist im Kopf stärker. «Das alles stimmt», sagt Scharapowa. Doch die Wahrheit sei eine andere. Sie beginne in den Minuten nach ihrem letzten Sieg gegen ihre Antipodin, im Juli 2004, in der Kabine von Wimbledon, als sie Williams weinen hörte. «Sie hasste mich dafür, dass ich das schlanke Kind war, das sie in Wimbledon schlagen konnte, aber noch viel mehr dafür, dass ich sie habe weinen hören.» Kurz darauf habe Williams zu einer Freundin gesagt: «Gegen diese kleine Schl… werde ich nie mehr verlieren.» Seither hat sie alle 18 Duelle gewonnen.
Williams hatte zeit ihres Lebens mit ihrem Körperbild zu kämpfen. Ihre ältere Schwester Venus ist grösser und schlanker, «ich hingegen bin dick und habe Kurven. Ich wollte immer wie sie sein, aber so war ich nicht. Also musste ich lernen, mich so zu akzeptieren, wie ich bin.» Sie hat es längst. Als sie in Paris acht Monate nach der Geburt ihres ersten Kindes Olympia auf den Platz zurückkehrt, trägt sie einen schwarzen, eng anliegenden Einteiler, der mehr zeigt, als er verbirgt. Es ist ein Statement. Es sagt: Seht her, ich bin eine Mutter – und ich habe Rundungen.
Zwei Jahre sind vergangen, seit Serena Williams und Maria Scharapowa sich letztmals duellierten. Scharapowa verbüsste eine 15-monatige Dopingsperre, Williams pausierte wegen ihrer Schwangerschaft. Es trennt sie noch mehr. Hier Maria Scharapowa, die Eiskönigin, Dopingsünderin, unbeliebt, angetrieben davon, es noch einmal allen zu zeigen. Dort Serena Williams, Botschafterin gegen Rassismus, für Frauenrechte, Unternehmerin in eigener Sache, und nun auch noch Mutter. Die Kontraste sind so stark: Es kann nur ein Entwederoder geben. Auch heute im Achtelfinal der French Open.
Williams sagt, sie habe Scharapowas Buch gelesen. «Es hat mich enttäuscht.» Doch negative Gefühle hege sie nicht. Sie habe nach Spielen oft geweint. «Ich bin emotional, ich habe Gefühle und trage mein Herz auf der Zunge. Ich bin auch nur ein Mensch.» Doch etwas stört sie dann doch. Jetzt, wo sie Mutter einer Tochter sei, sei ihr wichtig, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen.
Scharapowa sieht das wohl anders. «Eigentlich», sagt sie einmal, «sollten Serena und ich Freunde sein. Wir teilen die gleiche Leidenschaft. Aber wir sind es nicht.» Sie werden es wohl auch nicht mehr. Stattdessen sind aus ihnen ziemlich beste Feinde geworden, auch wenn sie sich bemühen, in ihrer Rhetorik diplomatisch zu bleiben.
Und doch fragt man sich, wieso Scharapowa sich so an Williams aufreibt. Sie sagt dazu: «Meinen Sie, ich geniesse es, mich all diese Stunden auf einem dieser verfluchten Nebenplätze in Bradenton abzumühen?» Auf einem dieser Plätze, wo 2001 eine besondere Rivalität entstanden ist – im Kopf einer 14-Jährigen.