Novak Djokovic sagt selber: «Tennis ist nicht mehr meine oberste Priorität. Ich bin nicht mehr derselbe wie vor einem Jahr. Ich habe einen Sohn, eine Frau und eine Familie. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich versuche, der beste Ehemann, der beste Vater und der beste Tennisspieler zu sein. Das ist schwierig, aber nicht unmöglich», sagt Djokovic. «Denn ich spiele immer noch mit der gleichen Leidenschaft und Liebe wie beim ersten Mal.»
An der Frage, wie er auf den Erfolgspfad zurückfindet, beisst sich der Serbe aber seit Monaten die Zähne aus. In den letzten elf Monaten hat er nur zwei Turniere gewonnen und die Spitzenposition in der Weltrangliste eingebüsst. In der Jahreswertung belegt der 12-fache Grand-Slam-Sieger sogar nur den 20. Rang. Auch zum Auftakt in die Sandsaison an seinem Wohnsitz Monte Carlo scheitert er frühzeitig. Das sorgt auch für kritische Stimmen.
Eine davon gehört Bogdan Obradovic, einst Junioren-Trainer und Captain des serbischen Davis-Cup-Teams. Er sagt: «Wenn Federer es mit 35 geschafft hat, die Australian Open zu gewinnen und in die Top Ten zurückzukehren, gibt es keinen Grund, wieso Djokovic nicht wieder die Nummer 1 werden sollte.» Obradovic sagt auch: «Djokovic sollte mit Federer reden. Sie sind seit langer Zeit Freunde. Federer hat sicher gute Ratschläge für Djokovic.»
Respekt? Ja. Freunde? Nein. Djokovics Ex-Trainer Boris Becker sagte einst gar, es sei ein offenes Geheimnis, dass sich die beiden nicht mögen würden. Federer konterte mit: «Ach, Becker hat doch keine Ahnung.» Allerdings gibt es eine Vorgeschichte, die auf das Jahr 2006 zurückgeht. Der damals 19-jährige Djokovic beanspruchte im Davis Cup in Genf immer wieder medizinische Unterstützung und brachte Federer damit aus der Fassung.
«Ich glaube nicht, dass er verletzt ist. Ich meine es ernst. Er ist ein Witz, wenn es um seine Verletzungen geht», sagte Federer. In der Folge äusserte sich Djokovics Vater Srdjan immer wieder kritisch zu Federer. Einmal sagte er: «Federer ist vielleicht immer noch der grösste Tennisspieler aller Zeiten, aber als Mensch ist er das Gegenteil.» Für Federer sind diese Geschichten längst abgehakt. Doch es zeigt, wie gross der Schatten des Schweizers war.
Bereits vor einem Monat äusserte sich Obradovic mit dubiosen Ratschlägen und brachte sich als Heilsbringer ins Spiel. «Es gibt viele Gründe für das, was mit Novak passiert ist. Wenn du die richtigen Leute um dich herum hast, haben diese Antworten auf alle Fragen.» Obradovic glaubt, jene Person zu sein und versteigt sich in einen gewagten Vergleich: «Für einen Mathematiker ist nichts unmöglich und ich bin ein Mathematiker. Ich helfe gerne.»
Nach Monaten des Schweigens hat auch Ex-Trainer Boris Becker die Deckung verlassen. «Mit dem Sieg in Roland Garros ist Novaks Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Seither ist bei ihm die Luft draussen», sagte der Deutsche dem TV-Sender «Sky Sports». «Wer zweifelt, der hat schon verloren. Die Gegner in der Kabine bekommen das mit. Sie erkennen auch die Körpersprache und sie lernen, wie sie Novak schlagen können.»
Schon im letzten Sommer sagte Becker, Djokovic habe wohl etwas zu viel gefeiert und das Training vernachlässigt. Dazu kamen private Probleme, kleinere Verletzungen und eine Sinnkrise. Zur Bekämpfung holte sich der Serbe Pepe Imaz in seinen Betreuerstab. Der Ex-Spieler predigt Liebe und Frieden und hat massiv an Einfluss gewonnen. Auf Djokovics Spiel hat sich das bisher aber nicht ausgewirkt. Zumindest nicht auf die Resultate.