Seit gut zwei Jahren begleitet Sven Swinnen, ein Jugendfreund von Roger Federer, Dominic Stricker auf seinen ersten Schritten in den Tenniszirkus. Eine gute Lösung, aber auch eine mit begrenzter Laufzeit, das war allen Beteiligten klar. Swinnen ist bei Swiss Tennis als Nationaltrainer angestellt und wird vom Tennisverband auch bezahlt. Zudem ist er der 48-jährige Familienvater und nicht gewillt, auch in Zukunft bis zu 35 Wochen im Jahr rund um die Welt zu reisen. Deshalb sucht das Lager von Dominic Stricker schon seit Wochen nach einer Entlastung und Ergänzung für Swinnen.
Zuletzt in Rovereto, wo Stricker seinen vierten Challenger-Titel gewann, prüfte man eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Dieter Kindlmann, der bisher auf der Frauentour unterwegs war und mit Angelique Kerber und Arina Sabalenka zwei absolute Spitzenspielerinnen betreute.
Beim Heimturnier in Lugano zaubert Vater Stephan Stricker, der sein Pensum als Polizist reduziert hat und sich ums Management seines Sohnes kümmert, eine Überraschung aus dem Hut: Peter Lundgren. Er war 2003 Trainer von Roger Federer, als dieser in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel gewann. Mit Marcelo Rios und Marat Safin betreute der Schwede auch zwei frühere Weltranglistenerste. Auch die Namen von Grigor Dimitrov und Stan Wawrinka stehen in seinem Lebenslauf.
Mit guten Resultaten bei den Challenger-Turnieren in Lugano und Biel (ab 20. März) könnte Dominic Stricker erstmals den Sprung unter die Top 100 der Welt schaffen. Dann endet die auf drei Wochen angelegte Probezeit mit Lundgren, der als «Ideengeber» für neue Impulse im technischen und taktischen Bereich sorgen soll und damit auch Swinnen entlasten wird.
Mit Blick auf die erfolgreiche Vergangenheit mit Federer beflügelt die Paarung die Fantasie der Schweizer Tennisfans. Zugleich offenbart sie die Schwierigkeiten, welche die Karrierephase mit sich bringt, in der Stricker sich befindet. Denn Lundgren mag als Trainer eine beeindruckende Vita vorweisen, doch sein letztes Engagement (an der Seite von Stan Wawrinka) liegt bereits zwölf Jahre zurück. Seither war der 58-Jährige, in den 80er-Jahren die Nummer 25 der Welt, von der Bildfläche verschwunden.
Dazu kommt, dass Stricker finanziell derzeit noch einen eingeschränkten Spielraum hat. Zwar erspielte er im Vorjahr 400'000 Dollar Preisgeld (vor Steuern) und konnte damit nach eigenen Angaben die Saison knapp selber finanzieren. Doch ein üppiges Fixum kann er einem Trainer damit noch nicht auszahlen. Entsprechend abhängig ist das Salär vom Preisgeld und damit von Erfolgen. Das macht Stricker als Arbeitgeber weniger attraktiv.
Etwas Luft verschafft hat Stricker ein Entscheid, der den Weltbesten, die mit Preisgeld und Sponsorendeals Millionen verdienen, Kritik einbringen würde, in seinem Fall aber nachvollziehbar ist. Im Dezember nahm er am Diriyah Tennis Cup teil. Wer das Schauturnier in Saudi-Arabien spielt, steht im Verdacht, sich für Sportswashing instrumentalisieren zu lassen. Das Land liegt im Demokratieindex des «Economist» auf Rang 150 von 167.
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— ATP Challenger Tour (@ATPChallenger) February 26, 2023
Für Stricker aber überwogen die Vorteile. Mit Stefanos Tsitsipas, Alexander Zverev oder Daniil Medwedew standen erstklassige Trainingspartner zur Verfügung. Und alleine die Teilnahme brachte ihm 100'000 Dollar Gage ein. Weil er mit Hubert Hurkacz das Doppel gewann, erspielte Stricker sich in weniger als einer Woche die unfassbare Summe von 350'000 Dollar.
Geld, das er künftig mit Preisgeldern einspielen will. Möglich ist das fast nur, wenn endlich der erstmalige Sprung ins Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers gelingt. In dieser Hinsicht stehen für Stricker richtungsweisende Wochen an. Gehört er am 17. April, sechs Wochen vor Beginn der French Open, den Top 100 an, verhindert er den Gang durch die Qualifikation und kommt dort, wo er im Herbst 2020 das Junioren-Turnier gewonnen hat, zu seiner Feuertaufe. Vielleicht an der Seite von Peter Lundgren. (aargauerzeitung.ch)